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BGH - Entscheidung vom 11.09.2019

2 StR 589/18

Normen:
StPO § 154a Abs. 1 Nr. 2
StPO § 154a Abs. 2
StGB § 224 Abs. 1 Hs. 1

Fundstellen:
NStZ-RR 2019, 384
NStZ-RR 2021, 332
StV 2020, 361

BGH, Beschluss vom 11.09.2019 - Aktenzeichen 2 StR 589/18

DRsp Nr. 2019/15862

Voraussetzungen und Folgen des Entfallens eines Straftatbestandes durch Beschränkung des Verfahrens

Einer Beschränkung auf eine tateinheitlich begangene Tat steht nicht entgegen, dass der abstrakt schwerste Straftatbestand entfällt. Die wegbeschränkten Tatteile dürfen zwar nicht beträchtlich ins Gewicht fallen. Jedoch kommt es nicht darauf an, wie gewichtig der beschränkte Teil für sich genommen ist, sondern wie gewichtig sich der Wegfall im Verhältnis zur Bezugssanktion im konkreten Einzelfall auswirkt. Daher können auch abstrakt bedeutsame Tatbestände durch die Beschränkung entfallen.

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird

a)

das Verfahren im Fall B.I.9. der Urteilsgründe mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung beschränkt,

b)

das Urteil des Landgerichts Köln vom 25. Mai 2018 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen und der gefährlichen Körperverletzung schuldig ist,

c)

die Einzelstrafe im Fall B.I.9. der Urteilsgründe auf sechs Monate Freiheitsstrafe festgesetzt,

d)

das genannte Urteil im Ausspruch über die Einziehung von Wertersatz dahin ergänzt, dass der Angeklagte in Höhe von 20.382,97 Euro als Gesamtschuldner haftet.

2.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Normenkette:

StPO § 154a Abs. 1 Nr. 2 ; StPO § 154a Abs. 2 ; StGB § 224 Abs. 1 Hs. 1;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen und wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Außerdem hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit einer Verfahrensrüge und der Sachbeschwerde. Der Senat hat das Verfahren mit Zustimmung des Generalbundesanwalts im Fall B.I.9. der Urteilsgründe gemäß § 154a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung beschränkt, den Schuldspruch entsprechend geändert und die Einzelstrafe auf die Mindeststrafe nach § 224 Abs. 1 Halbs. 1 StGB festgesetzt (§ 354 Abs. 1 StPO analog). Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO .

I.

Das Landgericht hat zu Fall B.I.9. der Urteilsgründe folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Ein Freund des Angeklagten schenkte diesem im Herbst 2016 eine Staffordshire-Terrier-Hündin. Für die Haltung des als gefährlich geltenden Hundes war eine behördliche Erlaubnis erforderlich, über die der Angeklagte nicht verfügte. Anlässlich eines Krankenhausaufenthalts seiner Freundin gab der Angeklagte das Tier dem gesondert Verfolgten T. in Verwahrung. Diesem entwich die Hündin. Sie wurde vom Ordnungsamt der Stadt K. sichergestellt und in einem Tierheim untergebracht. Im Einvernehmen mit dem Angeklagten gab sich T. dort als Halter aus und versuchte vergeblich, das Tier zurückzuholen. Die Stadt K. erließ daraufhin eine sofort vollziehbare Ordnungsverfügung gegen T. . Inzwischen interessierte sich der Zeuge V. für das Tier. Das Tierheim wollte die Hündin gegen eine Vermittlungsgebühr abgeben. Dies war dem Angeklagten bekannt. Er beschloss, das Tier gewaltsam zurückzuholen, wenn der Zeuge V. es ausführte. Dazu schaltete der Angeklagte unbekannt gebliebene Mittäter ein und koordinierte telefonisch die von diesen am 13. Januar 2017 ausgeführte Tat. Dabei fragte ein Täter den Zeugen V. , der mit dem Tier spazieren ging, nach der Uhrzeit. Diese Ablenkung nutzte ein anderer Täter dazu, dem Zeugen Pfefferspray ins Gesicht zu sprühen. Anschließend riss einer der Täter dem Zeugen die Hundeleine aus der Hand und führte das Tier zum Fluchtfahrzeug. Danach übernahm der Angeklagte die Hündin.

2. Das Landgericht hat die Tat als besonders schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung bewertet und dafür eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verhängt.

II.

1. Die Verurteilung wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung begegnet rechtlichen Bedenken, weil die bisherigen Feststellungen insoweit lückenhaft sind. Zur Vermeidung einer Zurückverweisung der Sache hat der Senat den Vorwurf gemäß § 154a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf die tateinheitlich begangene gefährliche Körperverletzung beschränkt.

Dem steht nicht entgegen, dass der abstrakt schwerste Straftatbestand entfällt. Die gemäß § 154a StPO wegbeschränkten Tatteile dürfen zwar nicht beträchtlich ins Gewicht fallen. Jedoch kommt es nicht darauf an, wie gewichtig der beschränkte Teil für sich genommen ist, sondern wie gewichtig sich der Wegfall im Verhältnis zur Bezugssanktion im konkreten Einzelfall auswirkt. Daher können auch abstrakt bedeutsame Tatbestände durch die Beschränkung entfallen (vgl. KK-StPO/Diemer, 8. Aufl., § 154a Rn. 5; MüKoStPO/Teßmer, 2016, § 154a Rn. 17). Bei § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO ist der Sanktionsvergleich in Bezug zu einer bereits rechtskräftig verhängten oder zu erwartenden Strafe wegen einer anderen Tat entscheidend. Die Vorschrift erweitert damit den Anwendungsbereich auf Mehrfachtäter. Der Angeklagte ist vom Landgericht wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen zu Einzelfreiheitsstrafen zwischen fünf Jahren und drei Monaten sowie sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Demgegenüber fällt die Verurteilung im Fall B.I.9. zu einer Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten nicht beträchtlich ins Gewicht.

2. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab.

3. Die Einzelstrafe im Fall B.I.9. der Urteilsgründe wird gemäß § 354 Abs. 1 StPO (analog) auf sechs Monate festgesetzt.

a) Nach dieser Vorschrift kann das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit einem Antrag der Staatsanwaltschaft beim Revisionsgericht auch auf die gesetzlich niedrigste Strafe erkennen, wobei diese auch dem Normalstrafrahmen entnommen werden kann, wenn sicher auszuschließen ist, dass das Tatgericht einen Sonderstrafrahmen angewendet hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2011 – 4 StR 684/10; Beschluss vom 28. Juni 2016 – 3 StR 154/16). § 224 Abs. 1 Halbs. 1 StGB nennt eine Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe, die der Senat zur Vermeidung einer Zurückverweisung der Sache analog § 354 Abs. 1 StPO selbst festsetzt. Eine noch niedrigere Mindeststrafe aufgrund Strafrahmenminderung gemäß § 224 Abs. 1 Halbs. 2 StGB ist auch nach der Verfahrensbeschränkung, die es nicht ausschließt, den ausgeschiedenen Verfahrensstoff bei der Strafbemessung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 1985 – 1 StR 709/84, NJW 1985, 1479 f.), angesichts der vom Landgericht genannten Strafzumessungserwägungen sicher auszuschließen.

b) Auf die von der Verteidigung angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 354 Abs. 1a StPO (BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2007 – 2 BvR 1447/05, 16/05, BVerfGE 118, 212 , 242 ff.) kommt es danach nicht an.

4. Die Gesamtstrafe bleibt unberührt. Der Angeklagte ist vom Landgericht wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen zu Einzelfreiheitsstrafen zwischen fünf Jahren und drei Monaten sowie sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Die Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren kann nicht darauf beruhen, dass die weitere Einzelfreiheitsstrafe im Fall B.I.9. der Urteilsgründe von drei Jahren und sechs Monaten auf sechs Monate reduziert wurde.

5. Der Senat ergänzt den Ausspruch über die Einziehung von Wertersatz von Taterträgen entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 4. Februar 2019 dahin, dass der Angeklagte in Höhe von 20.382,97 Euro nur als Gesamtschuldner haftet, weil der Mitangeklagte A. D. in Höhe von 10.692,97 Euro und der Mitangeklagte M. D. in Höhe von 9.690 Euro als weitere Gesamtschuldner haften.

6. Die Revision ist im Übrigen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 4. Februar 2019 genannten Gründen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO .

Vorinstanz: LG Köln, vom 25.05.2018
Fundstellen
NStZ-RR 2019, 384
NStZ-RR 2021, 332
StV 2020, 361