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BGH - Entscheidung vom 14.08.2019

5 StR 5/19

Normen:
StGB § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a)

BGH, Urteil vom 14.08.2019 - Aktenzeichen 5 StR 5/19

DRsp Nr. 2019/13951

Revision gegen eine Verurteilung wegen schweren Raubes und schwerer räuberischer Erpressung u.a.; Voraussetzungen für einen Diebstahl mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB

Für das Beisichführen einer Waffe ist nicht maßgeblich, ob der Täter in der konkreten Tatsituation eine Gelegenheit zum Einsatz des gefährlichen Werkzeugs hat oder sich dies nach seinem Tatplan vorstellt. In subjektiver Hinsicht ist notwendig, dass der Täter den Gegenstand bewusst gebrauchsbereit bei sich führt.

Tenor

1.

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 2. Juli 2018 aufgehoben

a)

in den Schuldsprüchen betreffend Fall 3 (Ziffer II.4 der Urteilsgründe) mit den Feststellungen hinsichtlich der Zuordnung des Baseballschlägers zum Angeklagten S. ,

b)

in den Aussprüchen über die Gesamtfreiheitsstrafen sowie

c)

betreffend den Angeklagten N. im Ausspruch über die Dauer des Vorwegvollzugs eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe vor dem Maßregelvollzug.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft werden verworfen.

2.

Die Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Normenkette:

StGB § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a);

Gründe

Das Landgericht hat verurteilt:

den Angeklagten S. wegen "besonders schweren Raubes in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit versuchter Nötigung in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit versuchter Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung" (Fall 2) sowie wegen Diebstahls (Fall 3) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sieben Monaten,

den Angeklagten N. wegen "besonders schweren Raubes in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit versuchter Nötigung in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung" (Fall 2), wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Bedrohung (Fall 1) sowie wegen Diebstahls in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung (Fall 3) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten N. in einer Entziehungsanstalt sowie den Vorwegvollzug von einem Jahr und sechs Monaten der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe angeordnet.

Hiergegen richten sich die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind hinsichtlich der Schuldsprüche auf Fall 3 (Ziffer II.4 der Urteilsgründe) beschränkt und werden insoweit vom Generalbundesanwalt vertreten; erstrebt werden Verurteilungen wegen Diebstahls mit Waffen. Während die Revisionen der Angeklagten erfolglos bleiben, erzielen die Revisionen der Staatsanwaltschaft den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Erfolg.

1. Die Revisionen der Angeklagten sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten N. in einer Entziehungsanstalt nimmt der Senat noch hin.

2. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind wirksam auf die Schuldsprüche betreffend Fall 3 (Ziffer II.4 der Urteilsgründe), die insoweit verhängten Einzelstrafen sowie die Aussprüche über die Gesamtstrafen beschränkt und in diesem Umfang begründet. Soweit sich das Rechtsmittel betreffend den Angeklagten N. nicht gegen den Ausspruch über die Dauer des Vorwegvollzugs eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe vor dem Maßregelvollzug richtet, ist eine entsprechende Beschränkung unwirksam, da die Dauer von der Höhe der verhängten (Gesamt-)Freiheitsstrafe abhängig ist (§ 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB ).

a) Die Schuldsprüche im Fall 3 nur wegen Diebstahls (Angeklagter S. ) bzw. Diebstahls in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung (Angeklagter N. ) halten sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

aa) Hierzu hat das Landgericht festgestellt:

In einem Supermarkt entwendeten die Angeklagten in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken zwei Paletten mit Getränkedosen, indem der Angeklagte N. die nahe der Eingangstür gestapelten Paletten an sich nahm, der vor der Tür wartende Angeklagte S. den Öffnungsmechanismus der Tür aktivierte und so dem Angeklagten N. ein Entkommen ermöglichte. Die mit ihrer Beute zu Fuß flüchtenden Angeklagten wurden von einer Mitarbeiterin der Filiale verfolgt. Den Angeklagten gelang es, einen kleinen Teil der Getränkedosen in einen Plastikbeutel umzupacken. Dabei wurden sie von der Zeugin gestört. Sie rannten davon, wobei N. den mit den Dosen gefüllten Plastikbeutel trug. Als er strauchelte, ließ er den Plastikbeutel fallen. Die Zeugin hatte sich ihm unterdessen bis auf zwei Meter genähert. Der Angeklagte N. ergriff eine Getränkedose und warf sie "nicht sonderlich kräftig" in Richtung der Zeugin, wobei er zumindest billigend in Kauf nahm, sie zu treffen und zu verletzen. Der Zeugin gelang es, dem Wurf auszuweichen. Die gefüllte Getränkedose flog "in Beinhöhe" in etwa einem halben Meter Abstand an ihr vorbei. Nach der wenig später erfolgten Festnahme der Angeklagten wurde auf deren Fluchtweg ein Baseballschläger aufgefunden.

bb) Das Landgericht hat zwar rechtsfehlerfrei eine räuberische Beutesicherungsabsicht verneint. Zu Unrecht gelangt es im Rahmen der rechtlichen Würdigung aber zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für einen Diebstahl mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB nicht vorliegen. Es geht dabei davon aus, dass der Baseballschläger dem Angeklagten S. zuzuordnen ist und er ihn auch - wahrscheinlich im Rucksack des Angeklagten N. , den er während der Tatausführung trug, - bei sich hatte (UA S. 73). Es lasse sich jedoch im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zweifelsfrei nachweisen, dass der Angeklagte S. überhaupt eine Gelegenheit gehabt habe, den Baseballschläger einzusetzen.

Für das Beisichführen im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB ist indes nicht maßgeblich, ob der Täter in der konkreten Tatsituation eine Gelegenheit zum Einsatz des gefährlichen Werkzeugs hat oder sich dies nach seinem Tatplan vorstellt. Erforderlich und genügend ist vielmehr, dass er das gefährliche Werkzeug zu irgendeinem Zeitpunkt des Tatherganges derart bei sich hat, dass er sich seiner jederzeit bedienen kann (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1959 - 5 StR 377/59, BGHSt 13, 259 , 260). In subjektiver Hinsicht ist notwendig, dass der Täter den Gegenstand bewusst gebrauchsbereit bei sich führt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2002 - 5 StR 117/02, NStZ-RR 2003, 12 ). Dass beides der Fall war, liegt nach den Feststellungen nahe.

cc) Allerdings ist die Beweiswürdigung des Landgerichts, auf deren Grundlage es die Zuordnung des Baseballschlägers zum Angeklagten S. vornimmt, rechtsfehlerhaft. Es stützt sich maßgeblich auf DNA-Spuren des Angeklagten an dem Schläger, ohne den Darlegungsanforderungen zum DNA-Gutachten durch eine biostatistische Wahrscheinlichkeitsaussage zu genügen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 28. August 2018 - 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187 , 189 mwN).

b) Die Aufhebung der Schuldsprüche im Fall 3 bedingt den Wegfall der insoweit verhängten Einzelstrafen sowie die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafen und betreffend den Angeklagten N. des Ausspruchs über die Dauer des Vorwegvollzugs eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe vor dem Maßregelvollzug. Die - mit Ausnahme derjenigen zur Zuordnung des Baseballschlägers - rechtsfehlerfreien Feststellungen können bestehen bleiben und dürfen um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.

Von Rechts wegen

Vorinstanz: LG Dresden, vom 02.07.2018