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BGH - Entscheidung vom 31.07.2019

5 StR 321/19

Normen:
StGB § 63

BGH, Beschluss vom 31.07.2019 - Aktenzeichen 5 StR 321/19

DRsp Nr. 2019/12915

Rechtswidrige Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus; Anforderungen an die Ausrichtung der Gefährlichkeitsprognose

Tenor

Auf die Revision der Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 14. März 2019 mit den der Unterbringungsanordnung zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen zum objektiven Geschehen der Taten II.1 bis 3 der Urteilsgründe bleiben aufrechterhalten.

Die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StGB § 63 ;

Gründe

Das Landgericht hat die Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Ihre hiergegen gerichtete Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.

1. Nach den landgerichtlichen Feststellungen leidet die - bislang lediglich im Jahr 2015 wegen Erschleichens von Leistungen in fünf Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilte - Beschuldigte seit vielen Jahren an einer paranoiden Schizophrenie. Im Jahr 2018 beging die Beschuldigte folgende Taten, wobei ihr infolge floriden Krankheitszustandes die Unrechtseinsicht fehlte:

a) Am 10. März stieß sie eine in ihrer sozialtherapeutischen Wohngruppe tätige Mitarbeiterin unvermittelt mit beiden Händen wuchtig gegen die Schulter, so dass diese mit dem Hinterkopf gegen eine Wand prallte und Schulter- und Kopfschmerzen erlitt.

b) Am 6. April versuchte sie vergeblich, den sie seines Lokals verweisenden Inhaber mit Schlägen und Tritten zu verletzen.

c) Am 22. April schlug sie einer im Hauptbahnhof an ihr vorbeigehenden uniformierten Polizistin für diese schmerzhaft mit der Hand auf einen Unterarm.

d) Nachdem sie in der Nacht zum 29. April von der Mitarbeiterin einer Tankstelle keinen Kaffee "auf Kredit" bekommen hatte, warf die Beschuldigte zunächst auf dem Gelände befindliche Waren auf den Boden, die hierdurch teilweise zu Bruch gingen. Anschließend nahm sie eine Zapfpistole in die eine und ein entflammtes Feuerzeug in die andere Hand, bis ein Taxi eintraf, zu dem sie sich sodann begab.

2. Das Landgericht hat die zu 1. a), c) und d) festgestellten Anlasstaten - sowie zwei weitere Geschehnisse, hinsichtlich derer die Staatsanwaltschaft nach § 154 Abs. 1 StPO verfahren war (die Beschuldigte hatte am 29. August zwei Verkäuferinnen getreten und zwei Tage später einen Betonblumenkübel durch eine gläserne Terrassentür eines Wohnhauses geworfen) - nicht als "noch hinzunehmende bloße Belästigungen oder Bagatellen" angesehen, sondern als massive Beeinträchtigungen des persönlichen Sicherheitsempfindens der unmittelbar Betroffenen oder auch unbeteiligter Dritter. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei mit weiteren Taten der Beschuldigten zu rechnen, die den ihr vorgeworfenen entsprächen, aber "wegen der ständigen Verfügbarkeit von Feuerzeugen" auch mit Brandstiftungen.

3. Die Unterbringung der Beschuldigten im psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Urteil lässt schon nicht erkennen, auf welche Alternative des § 63 StGB das Landgericht seine Anordnung hat stützen wollen. Jedenfalls hat es seine Gefährlichkeitsprognose an einem falschen Maßstab ausgerichtet. Denn es hat selbst die soeben unter 2. bezeichneten Taten lediglich als massive Beeinträchtigungen des persönlichen Sicherheitsempfindens der unmittelbar Betroffenen oder unbeteiligter Dritter eingestuft. § 63 StGB verlangt hingegen in seinem Satz 1 Anlasstaten, "durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet" worden sind, oder aber in seinem Satz 2 die durch besondere Umstände getragene Erwartung, der Täter werde gerade solche Taten begehen.

Soweit das Landgericht sich im Rahmen seiner Prognose der sachverständigen Einschätzung angeschlossen hat, die Beschuldigte sei "in der Vergangenheit durch gewalttätiges Verhalten aufgefallen", wird dies durch die Feststellungen nicht belegt; als strafrechtlich relevant wird lediglich das - zudem bereits 2015 abgeurteilte - Erschleichen von Leistungen in fünf Fällen angeführt.

4. Die Aufhebung des Urteils erfasst auch die der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zugrunde gelegten Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO ), mit Ausnahme derjenigen zum objektiven Geschehen der Taten II.1 bis 3. Hiervon sind zudem diejenigen zu einer am 8. Mai 2017 verübten Brandstiftung nicht erfasst; insofern hat sich das Landgericht von einer Täterschaft der Beschuldigten nicht überzeugen können.

5. Sollten in der neuen Hauptverhandlung zum Geschehen auf der Tankstelle (1.d) den bisherigen vergleichbare Feststellungen getroffen werden, so wird das neue Tatgericht die Frage näher in den Blick zu nehmen haben, ob die Beschuldigte hierdurch bereits eine Brandgefahr im Sinne des § 306f Abs. 1 Nr. 1 StGB verursacht hat.

6. Mit der Aufhebung des Urteils hat sich die erhobene Kostenbeschwerde erledigt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2013 - 5 StR 581/12).

Vorinstanz: LG Leipzig, vom 14.03.2019