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BGH - Entscheidung vom 01.08.2019

4 StR 253/19

Normen:
StGB § 64

BGH, Beschluss vom 01.08.2019 - Aktenzeichen 4 StR 253/19

DRsp Nr. 2019/12818

Rechtswidrige Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt; Anforderungen an die gerichtliche Prüfung der Gefahrenprognose

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 21. Februar 2019 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a)

im Maßregelausspruch,

b)

im Adhäsionsausspruch mit dem zugehörigen Kostenausspruch.

2.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StGB § 64 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Es hat ferner seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet, einen Vorwegvollzug von zwei Jahren der Freiheitsstrafe bestimmt und

eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat nur in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Während die Nachprüfung des Urteils zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO ), begegnet die Anordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die für die Anordnung dieser Maßregel erforderliche Gefahrprognose ist nicht tragfähig begründet.

Die Verhängung einer Maßregel nach § 64 StGB setzt unter anderem die Gefahr voraus, dass der Täter infolge seines Hanges zum übermäßigen Genuss alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Das Landgericht hat sich insoweit die Ausführungen des Sachverständigen zu Eigen gemacht, der maßgeblich darauf abgestellt hat, dass sich im Rahmen von Konfliktsituationen bei bisher defizitärer Regulation eigener Frustration ein zumindest mittleres Risiko für erneute Gewaltstraftaten als Reaktion auf subjektive Frustration, Kränkung oder Enttäuschung und Zurückweisung darstellen lasse. Auch angesichts des narzisstisch akzentuierten Persönlichkeitsprofils sei unter alkoholischer Beeinflussung und Enthemmung Gewaltanwendung sowohl gegen den Angeklagten selbst im Sinne suizidaler Anstrengungen als auch gegen Beteiligte an den Konflikten in gleicher Intensität zu erwarten.

Diese Annahme ist nicht belegt. Die Prüfung der Gefahrenprognose weist vielmehr durchgreifende Lücken auf. So hat sich das Landgericht nicht damit auseinandergesetzt, dass der zur Tatzeit 37 Jahre alte, langjährig alkoholabhängige Angeklagte bisher erst einmal strafrechtlich mit (Trunkenheits-)Verkehrsdelikten in Erscheinung getreten ist. Auch mit Blick darauf, dass drei frühere, jeweils mehrjährige Beziehungen zu Frauen zerbrachen, ohne dass es – wie hier – zu Übergriffen auf die früheren Partnerinnen kam, versteht es sich [auch] nicht von selbst, dass der Angeklagte in Zukunft erneut straffällig werden wird. Vielmehr hätte es sich aufgedrängt zu prüfen, ob die ausgeurteilte Tat einer Ausnahmesituation entsprang.

2. Auch der Adhäsionsausspruch hat keinen Bestand. Das Landgericht hat der Adhäsionsklägerin ein Schmerzensgeld von 10.000 Euro zugesprochen und zugleich festgestellt, dass sämtliche materiellen und weitergehenden materiellen Schäden zu ersetzen seien. Zur Begründung hat es lediglich angeführt: „Die Nebenentscheidungen folgen … aus §§ 402 ff StPO [richtig: §§ 403 ff. StPO] i. V. m. § 253 Abs. 2 BGB in Bezug auf das Schmerzensgeld bzw. §§ 823 ff. BGB im Umfang weiterer Schadensersatzansprüche entsprechend dem Adhäsionsantrag“ (UA 18).

Diese Begründung trägt den Adhäsionsausspruch nicht. Sie zeigt weder Kriterien für die Bemessung des Schmerzensgeldes auf, noch enthält sie Ausführungen zur Zulässigkeit und Begründetheit des Feststellungsantrags.

Der Senat hat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung über den Adhäsionsantrag zurückverwiesen, da ohnehin über den Maßregelausspruch neu verhandelt und entschieden werden muss.

Vorinstanz: LG Magdeburg, vom 21.02.2019