Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 28.03.2019

4 StR 463/18

Normen:
BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2
BtMG § 30a Abs. 2 Nr. 2

Fundstellen:
NStZ 2019, 419

BGH, Urteil vom 28.03.2019 - Aktenzeichen 4 StR 463/18

DRsp Nr. 2019/5773

Nachweis der subjektiven Bestimmung eines Messers zur Verletzung von Menschen

Der Tatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt unter anderem voraus, dass der Täter den bei der Tat mit sich geführten Gegenstand, wenn es sich bei diesem nicht um eine Schusswaffe handelt, zur Verletzung von Personen bestimmt hat. Bei einem Springmesser handelt es sich zwar nicht um eine verbotene Waffe nach § 2 Abs. 3 WaffG , allerdings um eine gekorene Waffe gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2b WaffG , bei denen die subjektive Bestimmung zur Verletzung von Personen regelmäßig auf der Hand liegt.

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 25. Juni 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 ; BtMG § 30a Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Des Weiteren hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, beanstandet die Staatsanwaltschaft, dass der Angeklagte nicht wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verurteilt worden ist.

Das Rechtsmittel hat - hinsichtlich des Strafausspruchs auch zu Gunsten des Angeklagten - Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte, der sich an diesem Tag zu Dreharbeiten für eine Fernsehserie in K. aufgehalten hatte, am 16. Januar 2018 von einem unbekannten Lieferanten zu einem Preis von 4.500 Euro etwa 5.160 Ecstasy-Tabletten mit einem Gesamtgewicht von 1.600,53 Gramm und einem Wirkstoffgehalt von mindestens 466,74 Gramm MDMA-Base, die er gewinnbringend weiterveräußern wollte. Am Folgetag fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw in Richtung S. . Im Rahmen einer von der Polizei durchgeführten allgemeinen Verkehrskontrolle wurden die am Vortag erworbenen Ecstasy-Tabletten unter dem Beifahrersitz des Fahrzeugs entdeckt und sichergestellt. Darüber hinaus fanden die Polizeibeamten in der oberen Beintasche der Cargohose des Angeklagten neben Zigaretten und einem Feuerzeug ein Taschenmesser mit einer Klingenlänge von 8 cm sowie ein Springmesser der Marke " XXX ", bei dem die einseitig geschliffene Klinge mit einer Länge von 6,2 cm seitlich herausspringt. Das Springmesser hatte er bei einer Fahrt nach B. Anfang Januar 2018 an einer Tankstelle gekauft, um es seiner Taschenmessersammlung zuzuführen.

Das Landgericht hat das festgestellte Tatgeschehen rechtlich als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gewürdigt. Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG hat es verneint. Nach Auffassung der Strafkammer handelt es sich bei den beiden aufgefundenen Messern nicht um sonstige Gegenstände im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG , weil es an der erforderlichen subjektiven Bestimmung der Messer zur Verletzung von Menschen durch den Angeklagten fehle.

II.

Die Beschwerdeführerin beanstandet mit ihrer Revision zu Recht die Begründung der Strafkammer für die unterbliebene Verurteilung des Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG . Die Erwägungen des Landgerichts, mit denen es eine Bestimmung des mit sich geführten Springmessers zur Verletzung von Personen durch den Angeklagten verneint hat, halten schon deshalb einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil das Landgericht von einer unzutreffenden waffenrechtlichen Einordnung des Messers ausgegangen ist. Zudem erweist sich die Beweiswürdigung zur subjektiven Bestimmung des Verwendungszwecks des Springmessers als lückenhaft.

1. a) Der Tatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt unter anderem voraus, dass der Täter den bei der Tat mit sich geführten Gegenstand, wenn es sich bei diesem nicht um eine Schusswaffe handelt, zur Verletzung von Personen bestimmt hat. Um dieses Qualifikationsmerkmal zu verwirklichen, bedarf es einer darauf gerichteten Zweckbestimmung des Täters, die vom Tatrichter grundsätzlich näher festgestellt und begründet werden muss (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 20. November 2018 - 4 StR 466/18 Rn. 4; Urteile vom 6. September 2017 - 2 StR 280/17, StraFo 2018, 29 ; vom 21. Oktober 2014 - 1 StR 78/14, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Waffe 2; Beschluss vom 9. Oktober 1997 - 3 StR 465/97, BGHSt 43, 266 ; vgl. Weber, BtMG , 5. Aufl., § 30a Rn. 119 ff.). Nähere Feststellungen zur subjektiven Bestimmung des Verwendungszwecks sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber entbehrlich, wenn der Täter einen Gegenstand mit sich führt, der als Waffe im technischen Sinne gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2a WaffG anzusehen ist oder zu den gekorenen Waffen nach § 1 Abs. 2 Nr. 2b WaffG gehört. Denn bei diesen Waffen liegt eine subjektive Bestimmung zur Verletzung von Personen so nahe, dass keine weiteren Darlegungen hierzu im tatrichterlichen Urteil erforderlich sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 20. November 2018 - 4 StR 466/18 Rn. 5; vom 18. Oktober 2017 - 3 StR 78/17, StV 2018, 516 , 517; Urteil vom 6. September 2017 - 2 StR 280/17 aaO; Beschluss vom 5. April 2016 - 1 StR 38/16, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 13; vom 8. Januar 2014 - 5 StR 542/13, NStZ 2014, 466 ).

b) Das Landgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass es sich bei dem vom Angeklagten bei sich geführten Springmesser nicht um eine verbotene Waffe nach § 2 Abs. 3 WaffG handelte. Denn nach Satz 2 der Nr. 1.4.1 in Abschnitt 1 der Anlage 2 zu § 2 Abs. 2 bis 4 WaffG sind von dem in Nr. 1.4.1 des Abschnitts 1 der Anlage 2 normierten grundsätzlichen Verbot von Springmessern solche Messer ausgenommen, bei denen die Klinge seitlich aus dem Griff herausspringt und der aus dem Griff herausragende Teil der Klinge höchstens 8,5 cm lang und nicht zweiseitig geschliffen ist. Es hat aber übersehen, dass nicht verbotene Springmesser nach Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 2.1.1 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG zu den gekorenen Waffen gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2b WaffG gehören (vgl. Gade, WaffG , 2. Aufl., Anlage 1 Rn. 139 ff.; Heinrich, Waffenrecht, 10. Aufl., § 1 Rn. 25 und § 2 Rn. 19), bei denen die subjektive Bestimmung zur Verletzung von Personen nach der dargestellten Rechtsprechung regelmäßig auf der Hand liegt. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht das vom Angeklagten bei sich geführte Springmesser bei zutreffender waffenrechtlicher Einordnung als sonstigen Gegenstand im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG qualifiziert hätte.

2. Die Beweiserwägungen des Landgerichts zur subjektiven Zweckbestimmung halten zudem unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18 , 20 f.; Urteil vom 27. Juli 2017 - 3 StR 172/17, NStZ 2018, 37 ; vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO , 61. Aufl., § 337 Rn. 26 ff. mwN) einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil sie eine Lücke aufweisen.

Das Landgericht hat den Umstand, dass der Angeklagte das Springmesser zusammen mit Zigaretten, einem Feuerzeug und einem weiteren Messer in der oberen Beintasche seiner Cargohose bei sich trug, nur unter dem Aspekt einer möglichen Beeinträchtigung der Zugriffsmöglichkeit in den Blick genommen. Es hätte für die Strafkammer aber Veranlassung bestanden, diesen Umstand auch bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Einlassung des Angeklagten, das Springmesser für seine Messersammlung gekauft zu haben, in ihre Überlegungen miteinzubeziehen und zu erwägen, ob das griffbereite Beisichtragen des Messers in der Hosentasche mit einem schon geraume Zeit zuvor erfolgten Erwerb zu Sammlerzwecken in Einklang zu bringen ist.

III.

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat hinsichtlich des Strafausspruchs nach § 301 StPO auch zugunsten des Angeklagten Erfolg, da die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten enthalten (vgl. zum Prüfungsmaßstab BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345 , 349; Urteil vom 17. September 1980 - 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319 , 320; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO , 61. Aufl., aaO Rn. 34 mwN).

Die Strafkammer hat sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Bemessung der Freiheitsstrafe straferschwerend berücksichtigt, dass der Angeklagte mit einer "harten Droge" Handel trieb. Diese Wertung steht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach Ecstasy mit dem Wirkstoff MDMA auf der Gefährlichkeitsskala der Betäubungsmittel einen mittleren Platz einnimmt und daher hinsichtlich seiner Gefährlichkeit nicht mit Heroin oder Kokain vergleichbar ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. März 2014 - 2 StR 202/13 Rn. 20; vom 3. Februar 1999 - 5 StR 705/98, StV 1999, 436 [Ls]; Urteile vom 11. September 1997 - 4 StR 319/97; vom 9. Oktober 1996 - 3 StR 220/96, BGHSt 42, 255 , 266; vgl. zur abgestuften Gefährlichkeit der Betäubungsmittel BGH, Beschluss vom 15. Juni 2016 - 1 StR 72/16, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 43). Trotz der sehr moderat bemessenen Freiheitsstrafe kann der Senat nicht ausschließen, dass sich die unzutreffende Wertung des Landgerichts bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.

Von Rechts wegen

Vorinstanz: LG Frankenthal, vom 25.06.2018
Fundstellen
NStZ 2019, 419