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BGH - Entscheidung vom 07.03.2019

V ZB 16/18

Normen:
AufenthG § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5
FamFG § 70 Abs. 3 S. 1 Nr. 3

BGH, Beschluss vom 07.03.2019 - Aktenzeichen V ZB 16/18

DRsp Nr. 2019/5403

Heilung der Mängel des Haftantrags durch hinreichende Ausführungen der Behörde zu dem Haftgrund und Darlegung der notwendigen Haftdauer und Durchführbarkeit der Abschiebung eines ghanaischen Staatsangehörigen

Hat das Beschwerdegericht dem Prozessbevollmächtigen des Betroffenen vor dem Anhörungstermin die Beschwerdeerwiderung sowie sämtliche schriftliche Nachträge der beteiligten Behörde übermittelt, so reicht es aus, wenn vor der Anhörung allein die Beschwerdeerwiderung vollständig in eine Sprache übersetzt wird, die der Betroffene spricht.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen der Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 11. Januar 2018 insoweit aufgehoben, als die Beschwerde gegen die Haftanordnung des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 13. Dezember 2017 für den 10. Januar 2018 zurückgewiesen worden ist. Es wird festgestellt, dass die Anordnung der Haft in dem genannten Beschluss des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr den Betroffenen auch am 10. Januar 2018 in seinen Rechten verletzt hat.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden dem Betroffenen auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

AufenthG § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 ; FamFG § 70 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 ;

Gründe

I.

Der Betroffene, ein ghanaischer Staatsangehöriger, reiste im März 2015 unerlaubt in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Februar 2016 ablehnte. Die Abschiebung nach Ghana wurde angedroht. Am 12. Dezember 2017 wurde er festgenommen. Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 13. Dezember 2017 Abschiebungshaft bis längstens 12. März 2018 angeordnet. Das Beschwerdegericht hat auf die Beschwerde des Betroffenen am 11. Januar 2018 festgestellt, dass der Beschluss ihn bis einschließlich 9. Januar 2018 in seinen Rechten verletzt hat. Im Übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung auch für den Zeitraum ab dem 9. Januar 2018 feststellen lassen will. Die beteiligte Behörde beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

II.

Das Beschwerdegericht meint, der Haftanordnung habe zunächst kein zulässiger Haftantrag zugrunde gelegen, weil die beteiligte Behörde in ihrem Antrag die als erforderlich angesehene Haftdauer von drei Monaten, die Durchführbarkeit der Abschiebung und den Haftgrund nicht ausreichend begründet habe. Die Mängel des Haftantrages seien aber dadurch geheilt worden, dass die beteiligte Behörde in dem Schriftsatz vom 9. Januar 2018, ergänzt durch die Beschwerdeerwiderung vom 10. Januar 2018, hinreichende Ausführungen zu dem Haftgrund gemacht und die notwendige Haftdauer und Durchführbarkeit der Abschiebung in den Schriftsätzen vom 2. Januar 2018 und 4. Januar 2018 hinreichend dargelegt habe. Damit liege jedenfalls seit dem 10. Januar 2018, dem Tag des Eingangs des Schriftsatzes vom 9. Januar 2018, ein ordnungsgemäßer Haftantrag vor. Auch die übrigen Voraussetzungen für eine Haftanordnung seien gegeben, insbesondere sei der Haftgrund des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG erfüllt.

III.

Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthafte (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Januar 2018 - V ZB 71/17, FGPrax 2018, 136 Rn. 3 mwN) und auch im Übrigen (§ 71 FamFG ) zulässige Rechtsbeschwerde hat nur in geringem Umfang Erfolg.

1. Der Haftanordnungsbeschluss des Amtsgerichts hat den Betroffenen über den von dem Beschwerdegericht festgestellten Zeitraum hinaus auch am 10. Januar 2018 in seinen Rechten verletzt. Entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts ist die Heilung der von ihm zutreffend erkannten Mängel des Haftantrags (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 1. Juni 2017 - V ZB 39/17, juris Rn. 14 mwN) nicht am 10. Januar 2018, sondern erst am 11. Januar 2018 eingetreten. Wie der Senat, allerdings nach Erlass der Beschwerdeentscheidung, entschieden hat, tritt die Heilung erst mit der Entscheidung des Beschwerdegerichts über die Fortdauer der Haft ein, also nicht schon mit der Ergänzung des Haftantrags oder der Anhörung des Betroffenen dazu (vgl. Beschluss vom 25. Januar 2018 - V ZB 71/17, InfAuslR 2018, 218 Rn. 6; Beschluss vom 25. Oktober 2018 - V ZB 59/18, juris Rn. 7). Danach ist eine Heilung mit dem Beschluss des Beschwerdegerichts vom 11. Januar 2018 erfolgt.

2. Unbegründet ist die Rechtsbeschwerde dagegen, soweit der Betroffene festgestellt wissen will, dass die Haftanordnung ihn auch ab diesem Tag in seinen Rechten verletzt hat.

Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, dem Protokoll über die Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht sei nicht zu entnehmen, dass diesem die den Haftantrag ergänzenden Stellungnahmen der beteiligten Behörde übergeben und in eine Sprache übersetzt worden seien, die er beherrsche. Das Beschwerdegericht hat dem Prozessbevollmächtigen des Betroffenen vor dem Anhörungstermin die Beschwerdeerwiderung sowie sämtliche schriftliche Nachträge der beteiligten Behörde übermittelt (zu diesem Erfordernis vgl. Senat, Beschluss vom 11. Oktober 2012 - V ZB 274/11, FGPrax 2013, 40 Rn. 7). Vor der Anhörung wurde ihm die Beschwerdeerwiderung vollständig in eine Sprache übersetzt, die er spricht. Dass ihm die übrigen den Haftantrag ergänzenden Stellungnahmen nur in ihren wesentlichen Grundzügen übersetzt worden sind, hätte nur dann eine Aufhebung der Haftanordnung bzw. nach der Erledigung der Hauptsache die Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit zur Folge, wenn das Verfahren ohne diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (vgl. Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 9; Beschluss vom 12. März 2015 - V ZB 187/14, InfAuslR 2015, 301 Rn. 5). Anhaltspunkte dafür zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf und sind auch nicht ersichtlich.

3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG ).

Vorinstanz: AG Mülheim an der Ruhr, vom 13.12.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 32 XIV(B) 11/17
Vorinstanz: LG Duisburg, vom 11.01.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 12 T 248/17