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BGH - Entscheidung vom 22.07.2019

X ZB 8/19

Normen:
GWB a.F. § 124 Abs. 2
GWB a.F. § 118 Abs. 1 S. 3
GWB a.F. § 124 Abs. 2
GWB a.F. § 118 Abs. 1 S. 3
GWB a.F. § 118 Abs. 1 S. 3
GWB a.F. § 124 Abs. 2 S. 2 und S. 4

Fundstellen:
MDR 2019, 1147
NZBau 2019, 604

BGH, Beschluss vom 22.07.2019 - Aktenzeichen X ZB 8/19

DRsp Nr. 2019/11845

Entscheidung des Bundesgerichtshofs auf eine Vorlage hin (erneut) über einen Antrag nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB bei Treffen einer diesbezüglichen Entscheidung durch das Beschwerdegericht; Direktvergabe von öffentlichen Personenverkehrsdiensten

Der Bundesgerichtshof kann auf eine Vorlage nach § 124 Abs. 2 GWB aF hin jedenfalls dann nicht (erneut) über einen Antrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB aF entscheiden, wenn das Beschwerdegericht bereits eine diesbezügliche Entscheidung getroffen hat.

Tenor

Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde wird zurückgewiesen.

Normenkette:

GWB a.F. § 118 Abs. 1 S. 3; GWB a.F. § 124 Abs. 2 S. 2 und S. 4;

Gründe

I. Die Antragstellerin wendet sich gegen eine vom Antragsgegner am 15. März 2016 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union angekündigte Direktvergabe von öffentlichen Personenverkehrsdiensten.

Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 11. November 2016 dem Antragsgegner aufgegeben, die Einhaltung der Anforderungen aus Art. 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 sicherzustellen und den Nachprüfungsantrag im Übrigen abgelehnt. Dagegen haben sich beide Beteiligten mit der sofortigen Beschwerde gewandt.

Das Beschwerdegericht hat mit Beschluss vom 8. Dezember 2016 gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB in der für den Streitfall maßgeblichen, bis 17. April 2016 geltenden Fassung (nachfolgend: GWB aF) die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin verlängert. Mit Beschluss vom 3. Mai 2017 hat es dem Gerichtshof der Europäischen Union einige Fragen zur Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 vorgelegt. Der Gerichtshof hat darüber mit Urteil vom 21. März 2019 entschieden. Nach einer weiteren mündlichen Verhandlung hat das Beschwerdegericht am 3. Juli 2019 beschlossen, die Sache gemäß § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB aF dem Bundesgerichtshof vorzulegen. Mit Beschluss vom gleichen Tag hat es den erwähnten Beschluss vom 8. Dezember 2016 aufgehoben und den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragstellerin beantragt,

den zuletzt genannten Beschluss aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde erneut bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel zu verlängern.

II. Der Antrag ist nicht zulässig. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Verfahren gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB aF (jetzt: § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB ) kommt nicht in Betracht.

1. Gemäß § 124 Abs. 2 Satz 2 GWB aF (jetzt: § 179 Abs. 2 Satz 2 GWB ) hat der Bundesgerichtshof aufgrund der Vorlage anstelle des Oberlandesgerichts zu entscheiden.

Diese Befugnis bezieht sich auf die Entscheidung über die Beschwerde und grundsätzlich auch auf zu treffende Nebenentscheidungen (BGH, Beschluss vom 23. September 2008 - X ZB 19/07, NZBau 2008, 782 Rn. 5 - Geschäftsgebühr im Nachprüfungsverfahren; Beschluss vom 29. September 2009 - X ZB 1/09, NJW 2010, 76 Rn. 4 f. - Gebührenanrechnung im Nachprüfungsverfahren).

2. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist der Bundesgerichtshof demgegenüber jedenfalls in der Konstellation des Streitfalls nicht berufen, über eine Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde zu entscheiden.

Nach § 124 Abs. 2 Satz 4 GWB aF (jetzt: § 179 Abs. 2 Satz 4 GWB ) gilt die Vorlagepflicht nicht im Verfahren nach § 118 Abs. 1 Satz 3 und nach § 121 GWB aF. In diesen Eilverfahren nimmt der Gesetzgeber Divergenzen im Interesse der Beschleunigung hin. Dahinter steht die Erwägung, dass Divergenzen die Ausnahme bleiben werden und sich durch nachfolgende gerichtliche Entscheidungen in der Hauptsache oder in Schadensersatzprozessen auflösen (BT-Drucks. 13/9340 S. 22).

Aus dieser Regelung ergibt sich, dass eine Vorlage im Vorfeld einer Entscheidung nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB aF ausgeschlossen ist (BT-Drucks. 13/9340 S. 22). Sie hat des Weiteren zur Folge, dass der Bundesgerichtshof auch auf eine zulässige Vorlage hin jedenfalls dann nicht (erneut) über einen Antrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB aF entscheiden kann, wenn das Beschwerdegericht bereits eine diesbezügliche Entscheidung getroffen hat.

Der Gesetzgeber hat für das Verfahren nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB aF dem Gesichtspunkt der Eilbedürftigkeit den Vorrang eingeräumt. Dementsprechend wird das Beschwerdegericht typischerweise bereits eine Entscheidung über einen auf diese Vorschrift gestützten Antrag getroffen haben, bevor es dem Bundesgerichtshof die Sache vorlegt. Hat es die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt oder - wie im Streitfall - einen Beschluss über die Verlängerung wieder aufgehoben, widerspräche es dem Zweck von § 124 Abs. 2 Satz 4 GWB aF, wenn die Beteiligten den Bundesgerichtshof um eine erneute Entscheidung nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB aF angehen und so den Ausgang des Eilverfahrens verzögern könnten. Im Übrigen wäre dies wegen des Wegfalls der aufschiebenden Wirkung zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist rechtlich ohnehin allenfalls dann möglich, wenn der Bundesgerichtshof, wie von der Antragstellerin auch beantragt, die anderslautende Entscheidung des Beschwerdegerichts aufhöbe und aufzuheben befugt wäre; dazu müsste das Gesetz ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts eröffnen.

§ 124 Abs. 2 GWB aF sieht jedoch schon gegen Entscheidungen der Oberlandesgerichte im Vergabenachprüfungsverfahren selbst gerade kein Rechtsmittel vor, sondern nur die Befugnis des Bundesgerichtshofs, auf eine Vorlage hin über die Beschwerde zu entscheiden (dazu BGH, Beschluss vom 16. September 2003 - X ZB 12/03, NJW 2004, 292 ).

Bei dem Verfahren nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB aF handelt es sich um ein eigenständiges Eilverfahren, in dem der Vergabesenat des Oberlandesgerichts nach den Vorgaben von § 118 Abs. 2 GWB aF eine vorläufige Regelung trifft. Solche Eilentscheidungen sind, auch wenn sie in der Aufhebung einer zuvor getroffenen vorläufigen Anordnung bestehen, schon nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen einem Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof entzogen (vgl. § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO ). Im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren nach dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gilt dies umso mehr, als schon in der Hauptsache kein solches Rechtsmittel vorgesehen ist.

Dem steht nicht entgegen, dass der Bundesgerichtshof gemäß § 124 Abs. 2 Satz 2 GWB aF (jetzt: § 179 Abs. 2 Satz 4 GWB ) auf eine Vorlage hin anstelle des Oberlandesgerichts entscheidet. Aus dieser Vorschrift ergibt sich zwar, wie die Antragstellerin im Ansatz zutreffend geltend macht, dass das Beschwerdeverfahren als Einheit vor dem Bundesgerichtshof weitergeführt wird (MüKoVergabeR I/Gröning, 2. Aufl., § 179 GWB Rn. 26) und dieser deshalb, wie bereits dargelegt wurde, grundsätzlich auch die anfallenden Nebenentscheidungen zu treffen hat. Der Gesetzgeber nimmt in § 124 Abs. 2 Satz 4 GWB aF aber das Verfahren nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB von dieser Wirkung aus. Auch unter diesem Aspekt kommt eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls in der im Streitfall zu beurteilenden Konstellation gerade nicht in Betracht.

Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 03.07.2019 - Vorinstanzaktenzeichen Verg 51/16
Fundstellen
MDR 2019, 1147
NZBau 2019, 604