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BGH - Entscheidung vom 24.07.2019

1 StR 59/19

Normen:
AO § 370 Abs. 1 Nr. 1

BGH, Beschluss vom 24.07.2019 - Aktenzeichen 1 StR 59/19

DRsp Nr. 2019/17940

Berücksichtigen des Vorsteuervergütungsanspruchs i.R.d. Steuerverkürzungsberechnung (hier: Mehrlieferung von Dönerfleisch ohne Ausweisung)

Eine für die Begründung von Tateinheit erforderliche Teilidentität der Ausführungshandlungen bei Abgaben mehrerer Steuererklärungen für verschiedene Steuerarten und verschiedene Veranlagungszeiträume durch einen äußeren Akt, etwa des Versendens per Post in einem Brief, ist hinsichtlich der Steuerhinterziehung grundsätzlich nicht gegeben. Bei mehreren Steuererklärungen über mehrere Steuerarten und unterschiedliche Veranlagungszeiträume ist grundsätzlich von Tatmehrheit auszugehen.

Tenor

1.

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 4. September 2018

a)

im Schuldspruch dahingehend geändert, dass die Angeklagte der Steuerhinterziehung in 14 Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung schuldig ist,

b)

im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2.

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen.

3.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 ;

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 304.778,27 Euro als Wertersatz angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO ), im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO .

I.

Die Angeklagte übernahm nach den Feststellungen ab Juli 2009 einen Döner-Imbiss, wobei sie die von der Vorgängerin begründeten Geschäftsbeziehungen zu den wichtigsten Lieferanten fortführte. Mit dem Ziel, unversteuerte zusätzliche Erlöse zu generieren, traf die Angeklagte bereits im Juni 2009 eine Vereinbarung mit B. und C. , den späteren Verantwortlichen der Lieferfirma H. , wonach diese ihr zukünftig mehr Fleischdrehspieße liefern würden, als offiziell in den Rechnungen ausgewiesen. Die Mehrlieferungen sollten etwa 30 % der jeweiligen Gesamtlieferung ausmachen und „unversteuert“ bar bezahlt werden. Zu demselben Zweck ließ sie in den Jahren 2010, 2012 und 2013 weitere Rechnungen der Firma H. , die diese ordnungsgemäß verbucht hatte, sowie in den Jahren 2010 bis 2013 die Einkäufe von Mehl, Käse und Getränken nicht bzw. nur unvollständig in ihrer eigenen Buchführung erfassen. In den für die Veranlagungszeiträume 2009 bis 2013 abgegebenen Umsatz-, Gewerbe- und Einkommensteuererklärungen gab die Angeklagte die Erlöse aus den verbuchten und nicht verbuchten Wareneinkäufen nur unvollständig an, sodass sie in allen Jahren die Steuern verkürzte.

II.

Die Revision der Angeklagten führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Schuldspruchänderung sowie zur Aufhebung des Strafausspruchs und des Ausspruchs über die Einziehung von Taterträgen. Im Übrigen enthält das Urteil keine die Angeklagte benachteiligenden Rechtsfehler.

1. Der Schuldspruch war dahingehend abzuändern, dass die Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in 14 Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung schuldig ist.

Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt:

„Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 22. Januar 2018 – 1 StR 535/17 Rn. 22 f, DStR 2018, 2380 , 2382) ist eine für die Begründung von Tateinheit erforderliche Teilidentität der Ausführungshandlungen bei Abgaben mehrerer Steuererklärungen für verschiedene Steuerarten und verschiedene Veranlagungszeiträume durch einen äußeren Akt, etwa des Versendens per Post in einem Brief, hinsichtlich der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO grundsätzlich nicht gegeben. Regelmäßig aber auch für die hier verfahrensgegenständlichen Steuerarten beziehen sich die steuerlich erheblichen Tatsachen allein auf einen bestimmten Veranlagungszeitraum und für eine Steuerart, soweit nicht – wie etwa beim Solidaritätszuschlag bezüglich der Einkommen- oder Körperschaftsteuer – eine Erklärung und Festsetzung zusammen mit den vorgenannten Hauptsteuern erfolgt. Bei mehreren Steuererklärungen über mehrere Steuerarten und unterschiedliche Veranlagungszeiträume ist grundsätzlich von Tatmehrheit auszugehen.

Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ergeben sich nach der Maßgabe des Vorgenannten für die Fälle III Tat 1, III Tat 2, III Tat 3, III Tat 5 und III Tat 6 folgende Schuldsprüche für die Angeklagte:

aa) im Fall III Tat 1 hat sich die Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen und versuchter Steuerhinterziehung schuldig gemacht,

bb) in den Fällen III Tat 2, Tat 5 und Tat 6 jeweils wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen und

cc) im Fall III Tat 3 wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen.

Unter Berücksichtigung des rechtsfehlerfreien Schuldspruchs in dem Fall III Tat 4 (Hinterziehung der Einkommensteuer 2011) ist der die Angeklagte betreffende Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO dahingehend abzuändern, dass diese wegen Steuerhinterziehung in 14 Fällen und versuchter Steuerhinterziehung schuldig ist.“

Dem schließt sich der Senat an.

2. Der Rechtsfolgenausspruch hält insgesamt rechtlicher Nachprüfung nicht stand, da das Landgericht den Schuldumfang nicht frei von Rechtsfehlern bestimmt hat.

Dazu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:

„Zum einen könnte der Umsatzsteuerschaden für die Jahre 2010, 2012 und 2013 bereits insoweit zu hoch bemessen sein, als Vorsteueransprüche aus den von der Firma H. gestellten Rechnungen (UA S. 14, 87 f, 95 f, 98 f, 100 f) nicht berücksichtigt worden sind. Soweit eine nicht erklärte steuerpflichtige Ausgangsleistung eine tatsächlich durchgeführte Lieferung war und die hierbei verwendeten Wirtschaftsgüter unter den Voraussetzungen des § 15 UStG erworben wurden, hat eine Verrechnung von Vorsteuer und Umsatzsteuer stattzufinden. Maßgeblich ist allerdings, dass auch die übrigen Voraussetzungen aus § 15 UStG – insoweit die Vorlage einer Rechnung – im maßgeblichen Besteuerungszeitraum gegeben sind. Die tatbestandliche Handlung, die Umsatzsteuer auf den steuerpflichtigen Ausgangsumsatz nicht zu erklären, zieht die Nichtgeltendmachung des an sich bestehenden Vorsteueranspruchs regelmäßig nach sich. Es besteht daher ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Ein- und Ausgangsumsatz, der zur Folge hat, dass der Vorsteuervergütungsanspruch im Rahmen der Steuerverkürzungsberechnung von Rechts wegen zu berücksichtigen ist (Senat, Urteil vom 13. September 2018 – 1 StR 642/17 Rn. 19 ff).

Zum anderen sind die Feststellungen zu den durchschnittlichen Verkaufspreisen lückenhaft. Die Strafkammer hat diese auf der Grundlage von Testkäufen im Januar 2015 ermittelt (UA S. 91). Das Tatgericht muss in den Urteilsgründen jedoch ausführen, aufgrund welcher Anknüpfungstatsachen es davon überzeugt ist, dass die zugrunde gelegten Verkaufspreise bereits in den Jahren 2009 bis 2013 Gültigkeit hatten. Mögliche Preissteigerungen, wie die jährliche Inflation, hat es in seine Berechnungen nicht einbezogen. Es ist deswegen nicht auszuschließen, dass sich dies auf das Ergebnis der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen und in der Folge zum Nachteil der Angeklagten auf den Strafausspruch ausgewirkt hat. Das Landgericht wird daher auch die Steuerverkürzungsbeträge insgesamt neu zu berechnen haben.

Auch der Ausspruch über die Einziehung von Taterträgen hält wegen des fehlerhaft festgestellten Schadensumfangs rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Die dem Rechtsfolgenausspruch zu Grunde liegenden Feststellungen sind gemäß § 353 Abs. 2 StPO aufzuheben.“

Dem folgt der Senat.

III.

Ergänzend bemerkt der Senat, dass im Rahmen der neuen Hauptverhandlung folgende Punkte zu überprüfen sein werden:

Der vom Landgericht bei der Ermittlung des zutreffenden Gewinns aus Gewerbebetrieb für 2009 angenommene zusätzliche Wareneinkauf von brutto 4.361,62 Euro (UA S. 20) ist angesichts des von der Kammer errechneten Brutto-Wareneinsatzes für eine Döner-Tasche von 0,95 Euro (UA S. 93) und den aus dem „schwarzen“ Fleischeinkauf ermittelten zusätzlichen Dönerportionen von 10.185 nicht nachvollziehbar. Insbesondere der Vergleich zu den in den Jahren 2010 bis 2013 berücksichtigten Wareneinsätzen von 35.228,17 Euro (2010), 38.873,48 Euro (2011), 44.538,28 Euro (2012) und 45.611,92 Euro (2013) bei ermittelten zusätzlichen Dönerportionen zwischen ca. 21.200 und 25.400 lässt besorgen, dass der zusätzliche Wareneinsatz für das Jahr 2009 zu gering bemessen ist.

Die Berechnungsdarstellung der kalkulierten Mehreinnahmen für 2010 legt nahe, dass die Fleischlieferungen der Firma H. von insgesamt 234 kg, die nur die Angeklagte nicht verbucht hat, doppelt berücksichtigt sind. Denn diese Fleischmenge ist – abweichend von den entsprechenden Berechnungen für 2012 und 2013 – laut Textzeile 1 der Kalkulation bei den (Mehr-)Einnahmen aus „gebuchtem“ Fleischeinkauf bereits miterfasst, sodass der anschließende Ansatz zusätzlicher Erlöse hieraus eine unzutreffende Doppelerfassung darstellen würde.

Vorinstanz: LG Hagen, vom 04.09.2018