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BFH - Entscheidung vom 17.07.2019

V R 7/17

Normen:
UStG § 18 Abs. 9
UStDV § 61 Abs. 5, § 61 Abs. 6
AO § 109 Abs. 1, § 238, § 357 Abs. 3
Richtlinie 2008/9/EG Art. 26 Abs. 1
UStG § 18 Abs. 9
UStDV § 61 Abs. 5
UStDV § 61 Abs. 6
AO § 109 Abs. 1
AO § 238
AO § 357 Abs. 3
RL 2008/9/EG Art. 26 Abs. 1

Fundstellen:
BB 2019, 2454
BB 2019, 2597
BFH/NV 2019, 1469
BStBl II 2020, 177
DB 2019, 2391
DStRE 2019, 1410
DStZ 2019, 815

BFH, Urteil vom 17.07.2019 - Aktenzeichen V R 7/17

DRsp Nr. 2019/14402

Verzinsung der Vorsteuervergütung bei Vorlage geforderter Unterlagen innerhalb verlängerter Frist

Der Antragsteller im Vorsteuervergütungsverfahren verletzt keine Mitwirkungspflichten i.S. von § 61 Abs. 6 UStDV , wenn er die Einspruchsbegründung und die vom BZSt angeforderten Unterlagen zwar nicht innerhalb der Monatsfrist des § 61 Abs. 6 UStDV , aber innerhalb der ihm vom BZSt verlängerten Frist vorlegt.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 07.12.2016 - 2 K 2863/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Normenkette:

UStG § 18 Abs. 9 ; UStDV § 61 Abs. 5 , § 61 Abs. 6 ; AO § 109 Abs. 1 , § 238 , § 357 Abs. 3 ; Richtlinie 2008/9/EG Art. 26 Abs. 1;

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) ein Anspruch auf Verzinsung der Vorsteuervergütung nach § 61 Abs. 5 Satz 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung ( UStDV ) zusteht oder ob der Zinsanspruch gemäß § 61 Abs. 6 UStDV wegen Verletzung einer Mitwirkungspflicht im Einspruchsverfahren vorliegend ausscheidet.

Die Klgerin ist ein in Luxemburg ansssiges Unternehmen, das Lokomotiven und Zge verleast. Am 14. Mrz 2011 stellte sie beim Beklagten und Revisionsklger (Bundeszentralamt fr Steuern —BZSt—) einen Antrag auf Vergtung von Vorsteuerbetrgen im Rahmen des Verfahrens nach 18 Abs. 9 des Umsatzsteuergesetzes ( UStG ) i.V.m. 59 ff. UStDV fr den Vergtungszeitraum 10–12/2009 in Hhe von 3.097.261,25 . Gegenstand des Antrags waren u.a. Rechnungen der K GmbH ber den Kauf mehrerer Lokomotiven. Mit Bescheid vom 29. Juni 2012 lehnte das BZSt die beantragte Vergtung ab, weil die Voraussetzungen zur Durchfhrung des Vorsteuervergtungsverfahrens nicht gegeben seien.

Am 22. September 2011 stellte die Klgerin beim BZSt einen Antrag auf Vergtung von Vorsteuerbetrgen fr den Vergtungszeitraum 01–12/2010 in Hhe von 5.819.532,30 . Gegenstand des Antrags waren ebenfalls u.a. Rechnungen der K GmbH ber den Kauf mehrerer Lokomotiven. Mit Bescheid vom 29. Juni 2012 wurde die Vorsteuervergtung in Hhe von 6.090,44 festgesetzt und der Antrag im brigen abgelehnt, weil ein Teil der beantragten Rechnungen dem gesetzlichen Anspruch an den Vorsteuerabzug nicht gengte. Es wurden Zinsen fr fnf Monate in Hhe von insgesamt 152 festgesetzt (6.050 x 2,50 %).

Gegen die beiden Vergtungsbescheide jeweils vom 29. Juni 2012 legte die Klgerin fristgem Einspruch ohne Begrndung ein. Mit Schreiben vom 28. Mai 2013 forderte das BZSt die Klgerin auf, die Einsprche zu begrnden. Auf Antrag der Klgerin verlngerte das BZSt die Frist fr die Einspruchsbegrndung bis zum 15. Juli 2013. Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2013 begrndete die Klgerin ihre Einsprche. Mit Schreiben vom 25. Juli 2013 bat das BZSt die Klgerin um bersendung von Ausgangsrechnungen an die Leistungsempfnger. Auf Antrag der Klgerin gewhrte das BZSt dieser eine Fristverlngerung bis zum 15. September 2013. Mit Schreiben vom 10. September 2013 bermittelte die Klgerin die Ausgangsrechnungen.

Bezglich des Vergtungszeitraums 01–12/2010 teilte das BZSt der Klgerin mit Schreiben vom 13. September 2013 das Ergebnis der Belegprfung mit, wonach ein Gesamtbetrag in Hhe von 5.811.249,94 vergtet werden knne. Ein Teil der Rechnungen entspreche jedoch weiterhin nicht dem gesetzlichen Anspruch an den Vorsteuerabzug. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2013 stimmte die Klgerin dem Prfungsergebnis zu.

Hinsichtlich des Vergtungszeitraum 10–12/2009 vergtete das BZSt mit gendertem Bescheid vom 7. Oktober 2013 die begehrte Vorsteuer in Hhe von 3.097.261,24 und half dem Einspruch damit ab. Die Auszahlung erfolgte am 7. Oktober 2013.

Mit gendertem Bescheid vom 4. November 2013 vergtete das BZSt einen Vorsteuervergtungsbetrag in Hhe von 5.811.249,94 fr den Zeitraum 01–12/2010 und half dem Einspruch damit ab. Die Auszahlung erfolgte am 4. November 2013.

Mit Schreiben vom 4. November 2013 beantragte die Klgerin die Festsetzung von Zinsen zur Vorsteuervergtung fr die Zeitrume 10–12/2009 und 01–12/2010. Diese Antrge wurden jeweils mit Bescheid vom 6.12.2013 abgelehnt.

Gegen die Ablehnungsbescheide wegen Verzinsung der Vergtungssummen legte die Klgerin fristgem Einspruch ein, die jeweils mit Einspruchsentscheidung vom 1. September 2014 als unbegrndet zurckgewiesen wurden.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2017, 790 veröffentlichten Urteil statt.

Hiergegen wendet sich das BZSt mit der Revision, mit der es Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Der Zinsanspruch der Klgerin sei wegen ihrer im Einspruchsverfahren nicht erfllten Mitwirkungspflichten ausgeschlossen. 61 Abs. 5 und Abs. 6 UStDV bezgen sich auch auf das Einspruchsverfahren.

Das BZSt beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klgerin beantragt,

die Revision zurckzuweisen.

II.

Die Revision des BZSt ist unbegrndet und daher zurckzuweisen. Zwar ergeben die Entscheidungsgrnde eine Verletzung des bestehenden Rechts; die Vorentscheidung selbst stellt sich aber aus anderen Grnden als richtig dar ( 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).

Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Klgerin einen Anspruch auf Verzinsung fr die mit Bescheid vom 7. Oktober 2013 festgesetzte Vorsteuervergtung fr den Zeitraum 10–12/2009 in Hhe von 0,5 % pro Monat ab dem 28. Juli 2011 und fr die mit Bescheid vom 4. November 2013 festgesetzte Vorsteuervergtung fr den Zeitraum 01–12/2010 in Hhe von 0,5 % pro Monat ab dem 5. Februar 2012 jeweils bis zur Zahlung des Vergtungsbetrages hat.

1. Der Zinsanspruch folgt aus 18 Abs. 9 Satz 1 und Satz 2 Nr. 6 UStG i.V.m. 61 Abs. 5 Satz 1 UStDV . Unionsrechtliche Grundlage fr die Verzinsung ist Art. 26 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gem der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansssige Steuerpflichtige (Richtlinie 2008/9/EG). Der gem 18 Abs. 9 UStG zu vergtende Betrag ist zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt mit Ablauf von vier Monaten und zehn Werktagen nach Eingang des Vergtungsantrags beim BZSt ( 18 Abs. 9 UStG i.V.m. 61 Abs. 5 Satz 2 UStDV ) und endet mit der Zahlung des Vergtungsbetrages.

Die Klgerin stellte den Vergtungsantrag fr den Zeitraum 10–12/2009 am 14. Mrz 2011 und den Vergtungsantrag fr den Zeitraum 01–12/2010 am 22. September 2011. Somit ist der Zinsberechnung der von der Klgerin beantragte Beginn des Zinslaufs am 28. Juli 2011 (Zeitraum 10–12/2009) und am 5. Februar 2012 (Zeitraum 1–12/2010) zugrunde zu legen. Mit der Zahlung fr den Vergtungszeitraum 10–12/2009 am 7. Oktober 2013 und der Zahlung fr den Vergtungszeitraum 01–12/2010 am 4. November 2013 endete der Zinslauf gem 18 Abs. 9 UStG i.V.m. 61 Abs. 5 Satz 5 UStDV am 7. Oktober 2013 (fr den Zeitraum 10–12/2009) und am 4. November 2013 (fr den Zeitraum 01–12/2010).

Die Hhe der Zinsen ermittelt sich gem 18 Abs. 9 UStG i.V.m. 61 Abs. 5 Satz 7 UStDV i.V.m. 238 der Abgabenordnung ( AO ). Die Zinsen betragen fr jeden Monat einhalb Prozent ( 238 Abs. 1 Satz 1 AO ).

2. Der Anspruch auf Verzinsung der Vergtungsbetrge ist nicht gem 18 Abs. 9 UStG i.V.m. 61 Abs. 6 UStDV ausgeschlossen. Nach 61 Abs. 6 UStDV besteht ein Anspruch auf Verzinsung nicht, wenn der Unternehmer einer Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zugang einer entsprechenden Aufforderung des BZSt nachkommt. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfllt, weil sich aus den den Senat gem 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG keine Verletzung einer Mitwirkungspflicht durch die Klgerin ergibt.

Das FG sttzt sich demgegenber fr die Annahme einer Pflichtverletzung der Klgerin zu Unrecht darauf, dass die Einspruchsbegrndung erst nach Aufforderung durch das BZSt und nach Gewhrung einer von der Klgerin beantragten Fristverlngerung eingereicht wurde und die vom BZSt angeforderten Ausgangsrechnungen ebenfalls erst nach einer antragsgemen Fristverlngerung eingereicht wurden.

a) Die Klgerin hat dadurch, dass sie ihre Einsprche erst mit Schriftsatz vom 10. Juli 2013 begrndet hat, keine Mitwirkungspflicht verletzt. Zwar soll gem 357 Abs. 3 AO bei der Einlegung des Einspruchs angegeben werden, inwieweit der Verwaltungsakt angefochten und seine Aufhebung beantragt wird und es sollen die Tatsachen, die zur Begrndung dienen, angefhrt werden. Im Einspruchsverfahren besteht dennoch kein Antrags– oder Begrndungszwang, weil es sich bei 357 Abs. 3 AO um eine Sollvorschrift handelt, die keine zwingenden Anforderungen an den Einspruch stellt (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 9. Dezember 2009 – II R 52/07, BFH/NV 2010, 824 , Rz 23; vgl. auch Klein/Rtke, AO , 14. Aufl., 357 Rz 26). Aus einem Versto gegen eine bloe Sollvorschrift kann keine zu einem Rechtsverlust fhrende Pflichtverletzung hergeleitet werden. Hinzu kommt hier, dass das BZSt der Klgerin eine Frist zur Einspruchsbegrndung gesetzt hat, der die Klgerin nachgekommen ist.

b) Auch in der Vorlage der Ausgangsrechnungen am 10. September 2013 ist keine zum Verlust des Zinsanspruchs nach 61 Abs. 6 UStDV fhrende Verletzung einer Mitwirkungspflicht zu sehen, so dass unerrtert bleiben kann, ob 61 Abs. 6 UStDV im Einspruchsverfahren berhaupt anwendbar ist.

Zwar ist die Klgerin der Aufforderung durch das BZSt vom 25. Juli 2013 zur bersendung von Ausgangsrechnungen nicht innerhalb der Monatsfrist des 61 Abs. 6 UStDV nachgekommen. Das BZSt hatte der Klgerin aber auf deren Antrag eine Fristverlngerung zur Vorlage der Rechnungen bis zum 15. September 2013 gewhrt, die die Klgerin durch bermittlung der Ausgangsrechnungen am 10. September 2013 eingehalten hat.

Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Monatsfrist des 61 Abs. 6 UStDV um eine (mittelbar) von einer Finanzbehrde gesetzte Frist i.S. des 109 Abs. 1 AO handelt, weil sie erst durch die Aufforderung durch das BZSt in Lauf gesetzt wird. Jedenfalls handelt es sich um keine —nicht verlngerbare— Ausschlussfrist. Denn gesetzliche Ausschlussfristen mssen aus dem Gesetzestext sofort, eindeutig und klar erkennbar sein (z.B. BFH-Urteil vom 28. Juli 2015 – VIII R 50/14, BFHE 250, 413 , BStBl II 2015, 894 , Rz 24, m.w.N.). Diese Anforderungen erfllt die in 61 Abs. 6 UStDV geregelte Frist nicht. Aus dem Wortlaut der Norm ergibt sich fr das Vorliegen einer Ausschlussfrist nichts. Es ist auch nicht einsichtig, weshalb eine erst durch eine Handlung einer Finanzbehrde in Lauf gesetzte Frist nicht von eben dieser Finanzbehrde verlngert werden knnen sollte. Da die Klgerin die Ausgangsrechnungen innerhalb der ihr gesetzten Frist vorgelegt hat, liegt auch insoweit keine zum Verlust des Zinsanspruchs fhrende Mitwirkungspflichtverletzung vor.

c) Das Unionsrecht besttigt dieses Ergebnis: Gem Art. 26 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9/EG findet Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9/EG, der die Verzinsung des Vergtungsanspruchs regelt, keine Anwendung, wenn der Antragsteller dem Mitgliedstaat der Erstattung die angeforderten zustzlichen oder weiteren zustzlichen Informationen nicht innerhalb der vorgesehenen Fristen vorlegt. Aus diesen Regelungen ergeben sich keine Anhaltspunkte, die die Annahme einer Ausschlussfrist sttzen. Zudem hat der Gerichtshof der Europischen Union (EuGH) mit Urteil Sea Chefs Cruise Services vom 2. Mai 2019 – C–133/18 (EU:C:2019:354) entschieden, dass Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9/EG dahin auszulegen ist, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Frist von einem Monat keine Ausschlussfrist ist. Der EuGH sttzt dies auf das Fehlen der Przisierung der Frist mit dem Adverb "sptestens", das in anderen Regelungen (z.B. der des Art. 7 der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten ber die Umsatzsteuern —Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansssige Steuerpflichtige— zur Kennzeichnung einer Ausschlussfrist verwandt wird. Dies kann auf Art. 26 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9/EG bertragen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf 135 Abs. 2 FGO .

Vorinstanz: FG Köln, vom 07.12.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 2 K 2863/14
Fundstellen
BB 2019, 2454
BB 2019, 2597
BFH/NV 2019, 1469
BStBl II 2020, 177
DB 2019, 2391
DStRE 2019, 1410
DStZ 2019, 815