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BGH - Entscheidung vom 12.07.2018

V ZB 48/18

Normen:
FamFG § 62
FamFG § 70 Abs. 1
FamFG § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-2

BGH, Beschluss vom 12.07.2018 - Aktenzeichen V ZB 48/18

DRsp Nr. 2018/10808

Rechtsverletzung eines Betroffenen durch Anordnung der Haft zur Sicherung seiner Abschiebung i.R.d. Zulassung der Rechtsbeschwerde

Die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist eine gebundene Willensbetätigung des Beschwerdegerichts, der eine Prüfung der Zulassungsgründe vorauszugehen hat. Es genügt, wenn sich die Zulassung mit hinreichender Deutlichkeit aus den Gründen der Beschwerdeentscheidung ergibt, etwa, indem sich das Beschwerdegericht in den Gründen seiner Entscheidung zu den Zulassungsgründen des § 70 Abs. 2 FamFG verhält und einen oder mehrere annimmt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 21. Februar 2018 wird als unzulässig verworfen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in der Rechtsbeschwerdeinstanz werden dem Landkreis Stade auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

FamFG § 62 ; FamFG § 70 Abs. 1 ; FamFG § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 -2;

Gründe

I.

Die beteiligte Behörde hat bei dem Amtsgericht am 30. November 2017 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung seiner Abschiebung bis zum 17. Januar 2018 erwirkt. Auf die Beschwerde des Betroffenen, die dieser nach seiner Abschiebung am 22. Dezember 2017 mit einem Antrag nach § 62 FamFG fortgesetzt hat, hat das Landgericht festgestellt, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts rechtswidrig war und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat. Dagegen wendet sich die beteiligte Behörde mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Nach Auffassung des Beschwerdegerichts war die gegen den Betroffenen angeordnete Haft zwar in der Sache gerechtfertigt, aber deswegen rechtswidrig, weil es an einem zulässigen Haftantrag gefehlt habe. Die Angaben der beteiligten Behörde zur erforderlichen Dauer der beantragten Haft hätten den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt und seien auch im Beschwerdeverfahren nicht präzisiert worden.

III.

Die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde ist unzulässig. Sie ist nur statthaft, wenn sie entweder gemäß § 70 Abs. 1 und 2 FamFG von dem Beschwerdegericht zugelassen worden ist oder nach § 70 Abs. 3 Satz 3 FamFG keiner Zulassung bedarf. Weder der eine noch der andere Fall liegt hier vor.

1. Das Beschwerdegericht hat die Zulassung der Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde weder in der Formel noch in den Gründen seines Beschlusses ausgesprochen. Die Zulassung ergibt sich entgegen der Ansicht der beteiligten Behörde auch nicht aus dem Umstand, dass der Beschluss mit einer Rechtsmittelbelehrung endet.

a) Die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist eine gebundene Willensbetätigung des Beschwerdegerichts, der eine Prüfung der Zulassungsgründe vorauszugehen hat. Sie sollte zwar im Interesse der Rechtsmittelklarheit (vgl. BVerfGE 87, 48 , 65) in die Formel des Beschlusses aufgenommen werden. Es genügt aber, wenn sich die Zulassung mit hinreichender Deutlichkeit aus den Gründen der Beschwerdeentscheidung ergibt, etwa, indem sich das Beschwerdegericht in den Gründen seiner Entscheidung zu den Zulassungsgründen des § 70 Abs. 2 FamFG verhält und einen oder mehrere annimmt. Eine Rechtsbehelfsbelehrung vermag diesen Anforderungen indessen grundsätzlich selbst dann nicht zu genügen, wenn ihr - wie hier - die Unterschriften der entscheidenden Richter nachfolgen. In diesem Fall wird sie zwar formal ein Bestandteil der Entscheidung. Als Belehrung über das nach (fehlerhafter) Ansicht des Beschwerdegerichts gegebene Rechtsmittel stellt sie jedoch regelmäßig nur eine Wissenserklärung dar und bringt als solche keinen Zulassungswillen zum Ausdruck. Nur ausnahmsweise kann deshalb allein aus der Rechtsbehelfsbelehrung auf eine Zulassung des darin genannten Rechtsmittels geschlossen werden (zum Ganzen: BGH, Beschluss vom 13. März 2014 - IX ZB 48/13, NJW-RR 2014, 639 Rn. 7 zu § 574 ZPO ).

b) So liegt es hier aber nicht. Das Beschwerdegericht hat sich in seiner Entscheidung nicht mit dem Vorliegen eines der in § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG bestimmten Gründe für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde, also damit befasst, ob und aus welchen Gründen der vorliegende Fall grundsätzliche Bedeutung hat (§ 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG ) oder die Fortbildung des Rechtsoder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FamFG ). Es hat weder in der Beschlussformel noch in den Beschlussgründen zum Ausdruck gebracht, dass es die Rechtsbeschwerde aus einem dieser Gründe zulassen will. Nach dem Eingangssatz der Rechtsmittelbelehrung ist es im Gegenteil - vermutlich infolge eines Versehens, jedenfalls unzutreffenderweise - davon ausgegangen, dass die angesichts der Entscheidung zugunsten des Betroffenen nur in Betracht kommende Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde kraft Gesetzes und ohne die Notwendigkeit einer Entscheidung über ihre Zulassung statthaft ist. Das ist keine Zulassung der Rechtsbeschwerde.

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht kraft Gesetzes statthaft.

a) Kraft Gesetzes und ohne die Notwendigkeit einer vorherigen Zulassung durch das Beschwerdegereicht statthaft ist die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde nach § 70 Abs. 3 Satz 3 FamFG nur, wenn sie sich gegen einen Beschluss richtet, durch den eine freiheitsentziehende Maßnahme abgelehnt oder zurückgewiesen worden ist. Dazu gehören Entscheidungen nicht, in denen das Beschwerdegericht nach Erledigung der Hauptsache schon im Beschwerdeverfahren gemäß § 62 FamFG auf Antrag des Betroffenen feststellt, dass die gegen ihn angeordnete Haft rechtswidrig war und ihn in seinen Rechten verletzt hat (Senat, Beschluss vom 29. Juni 2017 - V ZB 64/17, Asylmagazin 2018, 101 [Ls.] = juris Rn. 4). Der Gesetzgeber hat die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde nur für den Fall für kraft Gesetzes statthaft erklärt, dass sich diese gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss wendet (BT-Drucks. 18/5420 S. 30). Damit sind nur die Fallgestaltungen angesprochen, in denen die beteiligte Behörde die von ihr beantragte Anordnung von Sicherungshaft entweder von vornherein infolge einer Ablehnung schon durch das Amtsgericht oder im Ergebnis nicht erreicht, weil das Beschwerdegericht eine Haftanordnung des Amtsgerichts wieder aufhebt. Dieses Ziel kann die beteiligte Behörde aber nicht mehr erreichen, wenn infolge der Erledigung der Hauptsache schon im Beschwerdeverfahren entweder durch Vollzug der Abschiebung der Sicherungszweck fortgefallen oder aber nach Auslaufen einer angeordneten Haft ein neuer Haftantrag erforderlich ist.

b) So liegt es hier. Die beteiligte Behörde hat die Abschiebung des Betroffenen aufgrund der Haftanordnung des Amtsgerichts vollstrecken können, noch bevor das Beschwerdegericht über den Fortbestand der Haftanordnung entschieden hat. Damit ist Erledigung der Hauptsache eingetreten. Eine Überprüfung der daraufhin ergangenen Entscheidung über die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung gemäß § 62 FamFG durch das Rechtsbeschwerdegericht kommt nur aufgrund einer Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht gemäß § 70 Abs. 1 FamFG in Betracht, an der es hier ebenso wie an einem der in § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG bestimmten Zulassungsgründe fehlt.

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

Vorinstanz: AG Nordhorn, vom 30.11.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 11 XVII 5180 B
Vorinstanz: LG Osnabrück, vom 21.02.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 11 T 26/18