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BGH - Entscheidung vom 23.10.2018

VIII ZR 96/16

Normen:
ZPO § 91a Abs. 1
EEG 2012 § 37 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 23.10.2018 - Aktenzeichen VIII ZR 96/16

DRsp Nr. 2018/17045

Heranziehung eines Unternehmens zur Zahlung der sog. EEG -Umlage hinsichtlich Lieferung von "Nutzenergie"; Kostentragung des Rechtsstreits nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sachstandes und Streitstandes bei übereinstimmender Erledigungserklärung

Bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen ist über die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Die Kosten sind der Partei aufzuerlegen, die nach der gebotenen summarischen Prüfung im Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre.

Tenor

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gegenstandswert des Revisionsverfahrens: 948.485,85 €

Normenkette:

ZPO § 91a Abs. 1 ; EEG 2012 § 37 Abs. 2 ;

Gründe

I.

Die Beklagte war ein rechtlich selbständiges Unternehmen der sogenannten mk-Unternehmensgruppe, das unter der Marke "C. -E. " verschiedene, unter anderem von ihr als "Versorgung mit Nutzenergie (Licht, Kraft, Wärme und Kälte)" bezeichnete Leistungen im Energiebereich anbot.

Die Klägerin, eine von vier in Deutschland tätigen Übertragungsnetzbetreiberinnen, hat die Beklagte auf Abschlagszahlungen hinsichtlich der sogenannten EEG -Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz für die Monate Juni 2011 bis Oktober 2013 sowie auf Vorlage einer geprüften Endabrechnung über die von der Beklagten an Letztverbraucher in den Jahren 2011 und 2012 gelieferten Energiemengen in Anspruch genommen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass sie nicht zur Zahlung der EEG -Umlage herangezogen werden könne, weil sie an ihre Kunden keinen Strom, sondern lediglich "Nutzenergie" liefere. Die "U. U. GmbH & Co. KG", welche Strom bis zum Anschlusspunkt und Zähler liefere, stelle der "mk- (im Folgenden: mk- ) - beides Unternehmen der mk-Unternehmensgruppe - Primärenergie in Form von Strom zur Verfügung. Diese wandele den Strom in Nutzenergie um, welche die Beklagte dann weiterliefere.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist - mit Ausnahme eines geringen Teils der Zinsforderung - ohne Erfolg geblieben.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag zunächst weiterverfolgt, während sich die Klägerin mit ihrer Anschlussrevision gegen die teilweise Abweisung der Zinsforderung gewandt hat. Nachdem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten durch Beschluss des AG Chemnitz vom 26. September 2017 ( 10 IN 97/17) mangels Masse abgelehnt worden war, haben die Parteien auf entsprechenden Hinweis des Senats zur - unter Beachtung der Besonderheiten des vorliegenden Falles - entfallenen Parteifähigkeit der Beklagten den Rechtsstreit in der Hauptsache, unter Stellung wechselseitiger Kostenanträge, übereinstimmend für erledigt erklärt.

II.

Gemäß § 91a Abs. 1 ZPO war über die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Danach waren die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, die nach der gebotenen summarischen Prüfung im Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre.

1. Die Erledigungserklärungen sind wirksam. Eine Erledigung der Hauptsache kann noch im Revisionsverfahren erklärt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2011 - IX ZR 244/09, NJW-RR 2012, 688 Rn. 6) und ihr kann vorliegend auch seitens der nicht mehr parteifähigen Beklagten zugestimmt werden (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 1981 - VI ZR 21/80, NJW 1982, 238 unter A II 2).

2. Die Revision der Beklagten wäre voraussichtlich erfolglos gewesen. Die angegriffene Entscheidung beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 545 Abs. 1 , § 546 ZPO ).

a) Der Klägerin stand nach der vorliegend anzustellenden summarischen Prüfung (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Oktober 2004 - VIII ZR 327/03, WuM 2004, 725 unter II; vom 28. Oktober 2008 - VIII ZB 28/08, NJW-RR 2009, 422 Rn. 5; vom 20. Juni 2012 - XII ZR 131/10, juris Rn. 1) ein Anspruch auf Zahlung der EEG -Umlage nach § 37 Abs. 1 und 2 , § 39 EEG 2009 beziehungsweise § 37 Abs. 2 EEG 2012 sowie auf Vorlage einer geprüften Endabrechnung zu.

Die auf einer sorgfältigen Würdigung aller vorgetragenen Umstände beruhende Beurteilung des Berufungsgerichts, auf die der Senat Bezug nimmt, dass es sich bei den von der Beklagten mit ihren Kunden abgeschlossenen Verträgen nicht um Energiedienstleistungsverträge (etwa im Sinne eines Contracting) handele, sondern um die Lieferung von Strom an Letztverbraucher, für die eine EEG -Umlage anfalle, lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Insbesondere hat das Berufungsgericht bei dieser Beurteilung zu Recht nicht allein auf den Wortlaut der vertraglichen Bestimmungen zwischen der Beklagten und ihren Kunden abgestellt, sondern zutreffend das Gesamtbild der übernommenen Leistungen berücksichtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 2016 - EnVZ 30/15, juris Rn. 29). Insoweit hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise (unter anderem) darauf abgestellt, dass weder eine Erfassung noch eine Abrechnung des Umwandlungsprodukts "Nutzenergie" stattgefunden habe und nicht ersichtlich sei, welche "Umwandlungsleistung" die mk- vorgenommen und durch welche Tätigkeit sie den ihr gelieferten Strom in "Nutzenergie" umgewandelt habe. Die hierauf gestützte Würdigung des Berufungsgerichts, dass die von der Beklagten herangezogenen und nicht zu den tatsächlichen Umständen passenden Vereinbarungen eine in Wahrheit nicht stattfindende Umwandlung in Nutzenergie lediglich vortäuschen sollten, ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern. Soweit sich die Beklagte darauf berufen hat, es habe sich um nicht der Umlagepflicht unterliegenden "Auslandsstrom" gehandelt, hat das Berufungsgericht diesen erstmals zweitinstanzlich gehaltenen Vortrag zutreffend bereits nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 , § 531 Abs. 2 ZPO als ausgeschlossen angesehen.

b) Da eine Entscheidung über die Hauptsache angesichts der übereinstimmenden Erledigungserklärungen nicht mehr zu treffen ist, kommt eine Vorlage weder an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV (vgl. EuGH, Urteile vom 12. März 1998 - C-314/96, juris - Leitsatz; vom 15. Juni 1995 - C-422/93, juris Rn. 30), noch - mit Blick auf die Verfassungsmäßigkeit des § 37 Abs. 2 EEG 2009/2012 - eine solche nach Art. 100 Abs. 1 GG an das Bundesverfassungsgericht (vgl. BeckOK Grundgesetz/Morgenthaler, Stand: 15. August 2018, Art. 100 Rn. 21; für die Verfassungsbeschwerde vgl. BVerfG, WM 2016, 51 unter III 2 a) in Betracht. Die im Rahmen des § 91a Abs. 1 ZPO vorzunehmende Prüfung der Erfolgsaussichten führt zu dem Ergebnis, dass auch die in diesem Zusammenhang von der Beklagten vorgetragenen Gesichtspunkte aus den vom Berufungsgericht im Einzelnen dargelegten Gründen der Forderung der Klägerin voraussichtlich nicht entgegengestanden hätten.

c) Auf die Erfolgsaussichten der Anschlussrevision, mit der die Klägerin lediglich eine geringfügige Zinsforderung geltend gemacht hat, kommt es nicht an, da ein etwaiges Unterliegen der Klägerin in diesem Punkt im Hinblick auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ohnehin keinen Einfluss auf die Kostenentscheidung hätte haben können.

Vorinstanz: LG Hamburg, vom 12.06.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 409 HKO 119/13
Vorinstanz: OLG Hamburg, vom 08.04.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 9 U 101/14