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BGH - Entscheidung vom 20.12.2018

III ZR 133/18

Normen:
BauGB § 93 Abs. 2 Nr. 1-3

BGH, Beschluss vom 20.12.2018 - Aktenzeichen III ZR 133/18

DRsp Nr. 2019/582

Festsetzung des Streitwerts i.R.d. Zahlung einer Entschädigung wegen Enteignung einer Teilfläche des Grundeigentums

Der Wert des Beschwerdegegenstandes richtet sich nach dem Streitgegenstand. Bei einem baulandgerichtlichen Verfahren, das gegen eine Enteignung betrieben wird, ist der die Enteignung anordnende Verwaltungsakt beziehungsweise dessen Rechtmäßigkeit Streitgegenstand.

Tenor

Die Gegenvorstellung der Beteiligten zu 1 gegen die Streitwertfestsetzung im Senatsbeschluss vom 27. September 2018 wird zurückgewiesen.

Normenkette:

BauGB § 93 Abs. 2 Nr. 1 -3;

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1 ist Eigentümerin eines Villengrundstücks im Innenstadtbereich der Beteiligten zu 2. In dem Vorgarten dieses Grundstücks befinden sich zwei Stellplätze und ein in das Erdreich eingelassener Öltank. Mit Beschluss vom 22. Mai 2012 enteignete die Beteiligte zu 3 (Enteignungsbehörde) zugunsten der Beteiligten zu 2 eine dem Vorgarten zugehörige Teilfläche des Grundstücks zum Zwecke der Schaffung eines Gehweges und setzte hierfür eine Entschädigung in Höhe von 65.570 € fest. Dagegen hat sich die Beteiligte zu 1 mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewandt, auf den das Landgericht den Enteignungsbeschluss insgesamt aufgehoben hat. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beteiligten zu 2 hatte überwiegend Erfolg. Zwar sei die Enteignung entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1 nach § 87 Abs. 1 BauGB zulässig. Auch habe die Enteignungsbehörde zutreffend die betroffene Grundstücksfläche mit 4.000 € und den Verlust eines der Stellplätze mit 7.500 € bewertet. Die Kosten für die Verlegung des Öltanks und die Wiederherstellung des Vorgartens seien aber zu niedrig angesetzt worden, weshalb der Enteignungsbeschluss insoweit abzuändern sei, dass der Beteiligten zu 1 für den Entzug ihres Grundeigentums eine Entschädigung in Höhe von 77.038 € zu zahlen sei.

Ihre gegen die mit diesem Urteil ausgesprochene Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde hat die Beteiligte zu 1 zurückgenommen. Mit Beschluss vom 27. September 2018 hat der Senat den Streitwert für die Nichtzulassungsbeschwerde auf bis 80.000 € festgesetzt. Die Beteiligte zu 1 hat mit Schreiben vom 7. November 2018 um Überprüfung der Streitwertfestsetzung gebeten mit dem Hinweis, der Verkehrswert der enteigneten Teilfläche betrage nach der Feststellung des Berufungsgerichts lediglich 4.000 €.

II.

Die als Gegenvorstellung aufzufassende Eingabe der Beteiligten zu 1 vom 7. November 2018 bietet keinen Anlass zu einer Abänderung des mit Senatsbeschluss vom 27. September 2018 auf bis 80.000 € festgesetzten Streitwerts.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes richtet sich nach dem Streitgegenstand, den die Beteiligte zu 1 mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung bei dem Landgericht anhängig gemacht und mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde weiterzuverfolgen beabsichtigt hat. Bei einem baulandgerichtlichen Verfahren, das gegen eine Enteignung betrieben wird, ist der die Enteignung anordnende Verwaltungsakt - hier: der Enteignungsbeschluss der Beteiligten zu 3 - beziehungsweise dessen Rechtmäßigkeit Streitgegenstand (s. Senatsbeschluss vom 30. September 1999 - III ZB 48/99, NJW 2000, 80 ).

Bei der Bemessung des Streitwerts ist zwar - wie die Beteiligte zu 1 im Ausgangspunkt zu Recht vorbringt - grundsätzlich von dem (Verkehrs-)Wert der enteigneten (Teil-)Fläche auszugehen (Senat, Urteil vom 1. Juli 1968 - III ZR 88/67, BGHZ 50, 291 , 293 und Beschlüsse vom 5. November 1962 - III ZR 35/62, NJW 1962, 2295 ; vom 16. September 1963 - III ZR 109/62, NJW 1963, 2173 sowie vom 30. September 1999 aaO). Ein den reinen Grundstückswert übersteigender Streitwert besteht im Falle einer uneingeschränkten Anfechtung des Enteignungsbeschlusses jedoch dann, wenn der Betroffene infolge der Enteignung nicht nur für den Verlust der in Anspruch genommenen Teilfläche selbst zu entschädigen ist (s. § 93 Abs. 2 Nr. 1 BauGB ), sondern die Enteignungsentschädigung darüber hinaus auch weitere durch die Enteignung eintretende Vermögensnachteile auszugleichen hat (s. § 93 Abs. 2 Nr. 2 , Abs. 3 BauGB ).

Letzteres ist hier der Fall, da die Beteiligte zu 1 (auch aus Sicht der Enteignungsbehörde) nicht nur für den Entzug des Grundeigentums selbst, sondern auch für den daraus resultierenden Wegfall eines PKW-Stellplatzes und die zu erwartenden Folgekosten (Verlegung des Öltanks, Schaffung eines behindertengerechten Zugangs und Wiederherstellung des Vorgartens) zu entschädigen war. Auch hat sich die Beteiligte zu 1 mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung, an dem sie weiterhin festhält, gegen die Rechtmäßigkeit des Enteignungsbeschlusses als Ganzes gewandt und dabei unter anderem geltend gemacht, die festgesetzte Entschädigung sei zu niedrig bemessen.

Folgerichtig haben auch die Vorinstanzen bei der Festsetzung des Streitwerts unbeanstandet nicht isoliert auf den Wert der zu enteignenden Teilfläche selbst abgestellt, sondern die Gesamthöhe der jeweils in Streit stehenden Entschädigung zugrunde gelegt. Da das Berufungsgericht eine Enteignungsentschädigung in Höhe von insgesamt 77.038 € für angemessen erachtet hat, war dieser Betrag auch für die Bemessung des Streitwerts der Nichtzulassungsbeschwerde maßgeblich.

Vorinstanz: LG Kiel, vom 15.08.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 28 O 1/12
Vorinstanz: SchlHOLG, vom 17.05.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 52 U 5/16