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BGH - Entscheidung vom 07.11.2018

IV ZR 238/17

Normen:
RVG § 23 Abs. 1 S. 1
RVG § 33 Abs. 1
GKG § 48 Abs. 1 S. 1
ZPO § 3

BGH, Beschluss vom 07.11.2018 - Aktenzeichen IV ZR 238/17

DRsp Nr. 2018/17725

Begründetheit einer Gegenvorstellung über die Herabsetzung des Gegenstandswerts anwaltlicher Tätigkeit gegenüber der Wertfestsetzung durch das Gericht

Tenor

Die Gegenvorstellung der Beklagten vom 24. Mai 2018 gegen den Beschluss des Senats vom 2. Mai 2018 wird zurückgewiesen.

Normenkette:

RVG § 23 Abs. 1 S. 1; RVG § 33 Abs. 1 ; GKG § 48 Abs. 1 S. 1; ZPO § 3 ;

Gründe

I. Die auf Herabsetzung des Gegenstandswerts anwaltlicher Tätigkeit gerichtete Gegenvorstellung der Beklagten gegen die Wertfestsetzung durch den Senat ist statthaft (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2018 - I ZB 12/17, BeckRS 2018, 7526 Rn. 3 m.w.N.; BPatG, Beschluss vom 16. März 2016 - 26 W (pat) 59/13, BeckRS 2016, 07081). Sie ist auch fristgerecht innerhalb der zweiwöchigen Frist entsprechend § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG erhoben worden.

II. Die Gegenvorstellung hat jedoch keinen Erfolg.

Die Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG , § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG , § 3 ZPO richtet sich nach dem Wert, der die Grundlage für den Auftrag zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde bildet (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2017 - IX ZR 243/16, NJW-RR 2018, 700 Rn. 29). Diesen hat der Senat auf insgesamt 4.701.484,80 € festgesetzt.

1. Hinsichtlich des Klageantrags auf Auskunft war das Interesse der Beklagten ausschlaggebend, dem Kläger die beantragte Auskunft nicht erteilen zu müssen. Für die Bemessung kommt es dabei grundsätzlich auf den Aufwand an Zeit und Kosten an, den die Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Juni 2014 - IV ZB 2/14, NJW-RR 2014, 1102 Rn. 8 m.w.N.). Die Beklagte ist der Schätzung der Kosten in Höhe von 600 € nicht entgegengetreten.

2. Der Senat hat den Widerklageantrag zu 1 mit 3.174.000 € bewertet.

a) Für die Bemessung hat der Senat lediglich 20 % der Geschäftsanteile an der G. GmbH herangezogen. Die Beklagte hat diesen für sie günstigen Ausgangspunkt nicht gerügt.

b) Ein Feststellungsabschlag von 20 % war nicht zu berücksichtigen, da ein solcher bei einer negativen Feststellungsklage nicht vorzunehmen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 21. November 2006 - IV ZR 143/05, FamRZ 2007, 464 [juris Rn. 4]; Noethen in Schneider/Herget, Streitwertkommentar 14. Aufl. Rn. 2279, 2300, 2303 m.w.N.). Maßgeblich war insoweit das Begehren der Beklagten, festzustellen, der Kläger sei rechtlich nicht verpflichtet oder berechtigt, in seiner Eigenschaft als Nachlassverwalter in Ausübung von Rechten des Gesellschafters der F. Holding GmbH über Geschäftsanteile der G. GmbH zu verfügen, insbesondere soweit Geschäftsanteile an den Vermächtnisnehmer abgetreten werden sollen, einer solchen Verfügung durch den Geschäftsführer der F. Holding GmbH zuzustimmen, diesem eine Anweisung zu erteilen, über Geschäftsanteile dergestalt zu verfügen oder eine solche Verfügung nicht durch entsprechende Weisungen zu verhindern. Im Erfolgsfalle schließt diese negative Feststellung das Recht des Klägers, über die Geschäftsanteile der G. GmbH verfügen zu dürfen oder an einer solchen Verfügung mitzuwirken, nahezu vollständig aus.

c) Ebenso wenig war der Verkehrswert der Geschäftsanteile der G. GmbH um mindestens 50 % zu reduzieren. Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. März 2005 ( 6 B 7/04, BeckRS 2005, 25839) ist entgegen der Ansicht der Beklagten auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Denn während dort für die Bewertung des Streitwerts die Feststellung der Unter-Treuhand-Stellung der Geschäftsanteile der Kläger maßgeblich war, die nur die treuhänderische Verwaltung der Geschäftsanteile, nicht aber deren en dgültigen Verlust bewirkte, verfolgt die Beklagte nach dem oben Gesagten die nahezu vollständige Einschränkung der Verfügungsbefugnis des Klägers über die im Nachlass vorhandenen Geschäftsanteile der F. Holding GmbH an der G. GmbH. Daher ist es sachgerecht, für den Wert des Interesses des Klägers, nicht in seiner Verfügungsmacht begrenzt zu werden, auf den vollen Verkehrswert der seiner Verfügungsbefugnis unterliegenden Geschäftsanteile abzustellen (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 4. November 2014 - II ZB 15/14, ZIP 2015, 424 Rn. 7; vom 24. Juni 2014 - II ZR 29/13, juris Rn. 2; Zöller/Herget, ZPO 32. Aufl. § 3 Rn. 16 Stichwort "Gesellschaft"; Kurpat in Schneider/Herget, Streitwert kommentar 14. Aufl. Rn. 2588 m.w.N.).

d) Entgegen dem Vorbringen der Beklagten hat der Senat genügend Anhaltspunkte für die Bemessung des Verkehrswerts der Geschäftsanteile der G. GmbH, so dass für eine Wertberechnung nach § 54 GNotKG - unabhängig von der Frage, ob diese Norm im Streitfall überhaupt Anwendung findet -, kein Raum besteht (vgl. Korintenberg/Tiedtke, GNotKG 20. Aufl. § 54 Rn. 4a; BeckOK-Kostenrecht/Neie, § 54 Rn. 5 [Stand: 15. Februar 2018]; Diehn in Bormann/ders./Sommerfeldt, GNotKG 2. Aufl. § 54 Rn. 1, 12).

Ausweislich des vom Kläger vorgelegten Wertgutachtens vom 18. November 2013 sowie den hierauf beruhenden Festsetzungen der Erbschaftsteuer vom 10. November 2015 und 23. Dezember 2016/3. Januar 2017 (Anlage B 31, Anhang zum Schreiben vom 23. Dezember 2016) belief sich der Verkehrswert der G. GmbH zum Todestag des Erblassers am 24. Mai 2013 auf 15.870.000 € (100 % der Anteile). Zwar kommt es für die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit nicht auf diesen Stichtag, sondern auf den Zeitpunkt des Tätigwerdens des Prozessbevollmächtigten III. Instanz an (vgl. Hartmann, Kostengesetze 48. Aufl. § 2 RVG Rn. 4), im Streitfall also auf den Verkehrswert der Geschäftsanteile im September 2017. Da sich die Parteien im Berufungsverfahren trotz des länger zurückliegenden Bewertungsstichtags und der unvollständigen Vorlage des Gutachtens dessen Ergebnis gleichwohl zu Eigen gemacht haben - der Kläger mit Schriftsatz vom 17. Juli 2017 für die Berechnung des Gegenstandswerts des Widerklageantrags zu 1, die Beklagte mit Schriftsatz vom 8. Mai 2017 für die Berechnung des Werts der Übertragung von 20 % der Geschäftsanteile der G. GmbH -, bestand für den Senat keine Veranlassung, das Wertgutachten und die Steuerfestsetzungen nicht als geeignete Bemessungsgrundlagen heranzuziehen. Diese vermag die von der Beklagten für das Jahr 2016 vorgelegte Bilanz der G. GmbH nicht zu erschüttern; sie ist für die Ermittlung des Verkehrswerts der Geschäftsanteile nicht hinreichend aussagekräftig. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Verkehrswert der Anteile zwischen Mai 2013 und September 2017 vermindert hat, liegen nicht vor.

3. Den Widerklageanträgen zu 2 und 3 hat der Senat den Verkehrswert der zwischen den Parteien streitigen 80 % der Anteile an der F. Holding GmbH zugrunde gelegt. Dieser entspricht 1.526.884,80 €.

a) Ein Feststellungsabschlag von 20 % kommt mit Blick auf die von der Beklagten gestellten und vom Berufungsgericht zutreffend ausgelegten Leistungsanträge ebenso wenig in Betracht wie eine weitere Reduzierung um 50 %.

b) Auch hinsichtlich der Anteile der F. Holding GmbH liegen genügend Anhaltspunkte für eine Schätzung des Verkehrswertes vor. In der Festsetzung der Erbschaftsteuer wurde der Wert der Gesellschaft mit 1.908.606 € (100 % der Anteile) angegeben, ebenso im Nachlassverzeichnis vom 27. Juli 2015. Der hierauf beruhenden Berechnung des Gegenstandswerts der Widerklageanträge zu 2 und 3 durch den Kläger, ist die Beklagte im Berufungsverfahren nicht entgegen getreten.

Soweit sie nunmehr vorträgt, dieser Verkehrswert gründe auf der Annahme, die F. Holding GmbH halte 50 % der Geschäftsanteile an der G. GmbH, lässt sich dies dem Akteninhalt nicht entnehmen, worauf ihr Prozessbevollmächtigter III. Instanz zutreffend hingewiesen hat. Die Festsetzung der Erbschaftsteuer vom 23. Dezember 2016/3. Januar 2017 verhält sich hierzu entgegen der Behauptung der Beklagten nicht. Unabhängig davon folgt aus einer Reduzierung des Umfangs der an der G. GmbH gehaltenen Anteile nicht zwangsläufig eine Verminderung des Verkehrswerts der F. Holding GmbH, da diese ausweislich ihrer Bilanz vom 31. Dezember 2016 nicht nur in ein einzelnes Unternehmen, sondern in erheblichem Umfang in weitere Sachanlagen und sonstige Vermögensgegenstände investiert ist. Zudem unterliegt die Ermittlung des Werts eines Unternehmens je nach angewandter Methode einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren, so dass sich der von der Beklagten gezogene, rein mathematische Rückschluss verbietet.

III. Dieses Verfahren ist entsprechend § 33 Abs. 9 RVG gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Vorinstanz: LG Stade, vom 27.01.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 5 O 76/16
Vorinstanz: OLG Celle, vom 07.09.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 6 U 26/17