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BVerwG - Entscheidung vom 12.09.2017

6 A 1.15

Normen:
BArchG § 5 Abs. 8
BArchG § 6 Abs. 1 S. 2
BArchG § 11 Abs. 6
BArchG § 13 Abs. 1 S. 1

BVerwG, Beschluss vom 12.09.2017 - Aktenzeichen 6 A 1.15

DRsp Nr. 2017/15762

Verpflichtung des Bundesarchivs zur ungeschwärzten Vorlage von Unterlagen; Umfang des Nutzungsanspruchs bei nachrichtendienstlich relevanten Unterlagen

1. Der Wirkbereich des Nutzungsanspruchs aus § 11 Abs. 6 BArchG ist im Vergleich mit demjenigen aus § 5 Abs. 8 BArchG a.F. dadurch eingeschränkt, dass Unterlagen der Nachrichtendienste, soweit und solange sie dem Bundesarchiv nach § 6 Abs. 1 S. 2 BArchG nicht anzubieten sind, nicht zu Archivgut des Bundes im Sinne des § 1 Nr. 2 BArchG sowie zum Gegenstand eines Nutzungsanspruchs aus § 10 Abs. 1 BArchG werden können und infolgedessen auch einer Nutzung auf der Grundlage von § 11 Abs. 6 BArchG entzogen sind. Die Möglichkeit einer Nutzung der Unterlagen in teilweise geschwärzter Form besteht in diesem Zusammenhang nicht, da auch dem Bundesarchiv als dem Gedächtnis des Staates keine teilweise geschwärzten Unterlagen angeboten werden können. In einem Rechtsstreit über einen geltend gemachten Nutzungsanspruch aus § 11 Abs. 6 BArchG, in dem sich ein Nachrichtendienst für einzelne Unterlagen auf die in § 6 Abs. 1 S. 2 BArchG geregelte Ausnahme von der Anbietungspflicht nach § 5 und § 6 BArchG beruft, sind die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands inzident zu prüfen.2. Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet beim Informantenschutz unter dem Aspekt der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden nicht schematisch zwischen lebenden und verstorbenen Quellen, sondern geht davon aus, dass in der Regel das Staatswohl gefährdet wird, wenn die Identität verdeckt handelnder Personen bei der Erteilung der begehrten Auskünfte offenbart würde oder ihre Identifizierung möglich erscheint. Ausnahmen hiervon setzen stets eine Prüfung im Einzelfall voraus, ob aufgrund besonderer Umstände eine Gefährdung grundrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint und eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht ernsthaft zu befürchten ist. Sind diese Grundsätze im Verhältnis zu dem durch Art. 38 Abs. 1 S. 2 und Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG gewährleisteten parlamentarischen Informationsinteresse maßgeblich, kann in Bezug auf den Nutzungsanspruch nach dem Bundesarchivgesetz nicht von einem niedrigeren Niveau des Informantenschutzes ausgegangen werden.

Tenor

Der Tenor des Beschlusses vom 17. November 2016 wird geändert und wie folgt neu gefasst:

"Der Beklagten wird aufgegeben, dem Senat die nachfolgend aufgeführten, bei dem Bundesnachrichtendienst den Aufbewahrungseinheiten mit den angegebenen Signaturen zugeordneten Unterlagen ungeschwärzt vorzulegen:

Signatur 1107: Seiten 116 bis 119,

Signatur 1598: Seiten 34 und 35,

Signatur 2768: vollständig,

Signatur 22631: Seiten 9, 18, 20 bis 26, 38 bis 39, 41 bis 45, 52 bis 56, 73 bis 77, 79, 81 bis 83, 85 bis 92, 105 bis 112, 146 bis 159, 162, 164 bis 165, 169 bis 171, 181 bis 186, 199 bis 201, 203 bis 208, 213 bis 216, 219 bis 220, 222a, 223 bis 232, 254, 259 bis 261, 266 und 295,

Signatur 23476: Seiten 1, 3 bis 5, 6 bis 17, 19 bis 44, 48 bis 50, 51 bis 58, 60 bis 61, 66 bis 68, 70 bis 72, 74 bis 80, 82 bis 120, 126 bis 180, 182 bis 185, 187 bis 281, 283 bis 291, 293 bis 322, 324 bis 345, 347 bis 361, 363 bis 487, 491 bis 512, 518 bis 571,

Signatur 23477: Seiten 1 bis 27, 28 bis 53, 55, 59 bis 98, 99 bis 119, 124 bis 131, 139 bis 145, 150 bis 177, 179 bis 182, 187 bis 189, 192 bis 206, 208 bis 214, 216 bis 229, 231, 235 bis 237, 241, 245 bis 247, 249 bis 264, 269 bis 286, 287 bis 320, 323, 325 bis 326, 328 bis 353, 355 bis 375, 376, 377, 379 bis 387, 388 bis 389, 390 bis 405, 410, 412 bis 415, 420 bis 421, 423 bis 425, 426 bis 428, 431 bis 432, 434, 436, 439, 442 bis 443, 444, 446, 449 bis 450, 452, 455 bis 456, 460 bis 480, 481 bis 487, 488 bis 495, 500 bis 502, 504 bis 507, 512 bis 516, 519, 523, 527 bis 537, 539 bis 541, 542 bis 546, 547 bis 602 und 609 bis 613,

Signatur 100156: vollständig,

Signatur 150090: Seite 10."

Normenkette:

BArchG § 5 Abs. 8; BArchG § 6 Abs. 1 S. 2; BArchG § 11 Abs. 6; BArchG § 13 Abs. 1 S. 1;

Gründe

Der Beschluss des Senats vom 17. November 2016 ist wie aus dem Tenor ersichtlich zu ändern. Zwar ist die Pflicht zur Vorlage der Unterlagen nicht aus Anlass des Inkrafttretens des Gesetzes zur Neuregelung des Bundesarchivrechts vom 10. März 2017 (BGBl. I S. 410 ) in Frage zu stellen (1.). Jedoch bedarf es auf Grund der prozessualen Entwicklung, die das anhängige Verfahren seit dem Erlass des Beschlusses genommen hat, anderer als der in dem Tenor genannten Unterlagen nicht mehr (2.).

1. Das Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Bundesarchivrechts hat keine Auswirkungen auf den Inhalt des Beschlusses vom 17. November 2016. Zwar unterfallen diejenigen Unterlagen, die die Ausschlussgründe des § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG erfüllen, nicht dem Nutzungsanspruch aus § 11 Abs. 6 BArchG, der an die Stelle von § 5 Abs. 8 BArchG a.F. getreten ist (a). Indes findet die aus Gründen des intertemporalen Rechts prinzipiell maßgebliche Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG unter den besonderen Umständen des zur Entscheidung stehenden Falles keine Anwendung, so dass ungeachtet ihres Regelungsgehalts geprüft werden muss, ob ein Anspruch auf Nutzung der Unterlagen aus § 11 Abs. 6 BArchG nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BArchG, der Nachfolgeregelungen zu den in dem Beschluss vom 17. November 2016 als relevant erachteten Bestimmung des § 5 Abs. 6 BArchG a.F. enthält, ausgeschlossen oder eingeschränkt ist (b).

a) Von den Normen des neugefassten Bundesarchivgesetzes entsprechen der Sache nach § 11 Abs. 6 BArchG der Regelung des § 5 Abs. 8 BArchG a.F. und § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BArchG den Bestimmungen des § 5 Abs. 6 Nr. 1, 2 und 5 BArchG a.F. (BT-Drs. 18/9633 S. 71, 73 f.). Der Wirkbereich des Nutzungsanspruchs aus § 11 Abs. 6 BArchG ist jedoch im Vergleich mit demjenigen aus § 5 Abs. 8 BArchG a.F. dadurch eingeschränkt, dass Unterlagen der Nachrichtendienste, soweit und solange sie dem Bundesarchiv nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG nicht anzubieten sind, nicht zu Archivgut des Bundes im Sinne des § 1 Nr. 2 BArchG sowie zum Gegenstand eines Nutzungsanspruchs aus § 10 Abs. 1 BArchG werden können und infolgedessen auch einer Nutzung auf der Grundlage von § 11 Abs. 6 BArchG entzogen sind. Die Möglichkeit einer Nutzung der Unterlagen in teilweise geschwärzter Form besteht in diesem Zusammenhang nicht, da auch dem Bundesarchiv als dem Gedächtnis des Staates keine teilweise geschwärzten Unterlagen angeboten werden können. In einem Rechtsstreit über einen geltend gemachten Nutzungsanspruch aus § 11 Abs. 6 BArchG, in dem sich ein Nachrichtendienst für einzelne Unterlagen auf die in § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG geregelte Ausnahme von der Anbietungspflicht nach § 5 und § 6 BArchG beruft, sind die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands inzident zu prüfen.

Die Verbindung zwischen der Anbietungspflicht der öffentlichen Stellen des Bundes gegenüber dem Bundesarchiv nach § 5 und § 6 BArchG und dem gegen die öffentlichen Stellen des Bundes gerichteten Nutzungsanspruch wird bereits im Wortlaut des § 11 Abs. 6 BArchG erkennbar. Der Nutzungsanspruch bezieht sich nur auf Unterlagen, die älter als 30 Jahre sind und sich "noch" in der Verfügungsgewalt der öffentlichen Stelle des Bundes befinden. Darüber hinaus ist auf den besagten Anspruch unter anderem die Vorschrift des § 10 Abs. 1 BArchG, die den - gegen das Bundesarchiv gerichteten - grundlegenden Anspruch auf Nutzung von Archivgut des Bundes regelt, "entsprechend" anwendbar.

Schon der letztgenannte Gesichtspunkt weist darauf hin, dass der Konnex zwischen der Anbietungspflicht der öffentlichen Stellen des Bundes und dem ihnen gegenüber bestehenden Nutzungsanspruch auch nach der Gesetzessystematik zu bejahen ist. Hierfür spricht überdies, dass nach der alten Fassung des Bundesarchivgesetzes der Anspruch nach § 5 Abs. 8 BArchG a.F. in einem engen Sinnzusammenhang mit dem Umstand stand, dass die Pflicht zur Anbietung nicht mehr benötigter Unterlagen nach § 2 BArchG a.F. nicht sanktionsbewehrt war und insbesondere auch keiner gesetzlichen Frist unterlag. Die Bereitschaft der anbietungspflichtigen Stellen zur Erfüllung der Anbietungspflicht wurde durch den gegen diese Stellen gerichteten Nutzungsanspruch aus § 5 Abs. 8 BArchG a.F. gefördert (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2013 - 6 A 5.13 - Buchholz 402.71 BNDG Nr. 3 Rn. 18; Becker/Oldenhage, BArchG, 1. Aufl. 2007, § 5 Rn. 116). In der neuen Fassung des Bundesarchivgesetzes ist zwar durch die Sollvorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 2 BArchG für die Erfüllung der in § 5 und § 6 BArchG geregelten Anbietungspflicht eine Frist von 30 Jahren eingeführt worden. Weil es jedoch an einer strikten Sanktionierung dieser Pflicht nach wie vor fehlt, hat der Nutzungsanspruch gegen die anbietungspflichtigen Stellen seine Anreizfunktion behalten.

Das beschriebene Normverständnis kann sich auch auf die Gesetzesmaterialien stützen. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung soll § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG die Anbietung von Unterlagen in Anlehnung an die Regelung in § 6 Abs. 2 PKGrG ausschließen. Die Unterlagen, die die in § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG genannten Voraussetzungen nicht erfüllen, sollen "geheim gehalten werden", "längerfristig unter Verschluss bleiben" und "auch bei den Dienst- und Fachaufsichtsbehörden längerfristig öffentlichem Zugriff entzogen bleiben" (BT-Drs. 18/9633 S. 59). Dies spricht deutlich dafür, dass der Anspruch aus § 11 Abs. 6 BArchG die gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG nicht anbietungspflichtigen Unterlagen nicht erfassen soll. Noch deutlicher in diese Richtung weisen die Ausführungen in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien vom 11. Januar 2017 (BT-Drs. 18/10813 S. 10), in denen es mit Bezug auf die von dem Ausschuss vorgeschlagene, zum Gesetz gewordene Fassung des § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG heißt, dass die "in § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG genannten Zurückbehaltungsgründe ... für die Nutzung des Archivguts nach §§ 10 ff. entsprechend (gelten)".

Schließlich kann sich die hier vertretene Auslegung auf den Sinn und Zweck des § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG stützen. Von dem Ziel einer Verbesserung des Informationszugangs, das der Gesetzgeber in anderer Hinsicht verfolgt haben mag (vgl. BT-Drs. 18/9633 S. 2 f.), hat er sich in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang nicht leiten lassen. Vielmehr soll § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG ersichtlich das Schutzniveau steigern, das für die durch die Vorschrift erfassten Belange sonst nur im Wege der in § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BArchG geregelten Beschränkungen der Urkundennutzung erreicht werden kann. Es geht darum sicherzustellen, dass als hochgradig (geheim-)schutzbedürftig zu qualifizierende Unterlagen überhaupt nicht mehr, also auch nicht - wie es bei einer Anwendung des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BArchG häufig der Fall wäre - in eingeschränkter Form zur Nutzung herausgegeben werden müssen.

b) Nach den besonderen Umständen des vorliegenden Falles würde allerdings eine Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG von vornherein ins Leere gehen. Die Beklagte hat die von dem Senat angeforderten Unterlagen auf der Grundlage des noch unter der Geltung der alten Fassung des Bundesarchivgesetzes ergangenen Beweisbeschlusses entsprechend der von dem Bundeskanzleramt abgegebenen Sperrerklärung in teilweise geschwärzter Form vorgelegt. Die Klägerin hat in diese Unterlagen Einsicht genommen. Das von § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG bezweckte, im Vergleich mit § 13 Abs. 1 Satz 1 - insbesondere Nr. 1 - BArchG erhöhte Geheimschutzniveau kann deshalb nicht mehr erreicht werden. Es kann mithin nur noch darum gehen, ob die von dem Senat angeforderten Unterlagen des Schutzes aus § 13 Abs. 1 Satz 1 BArchG bedürfen. Da diese Vorschrift entsprechende Regelungen wie die in dem Beschluss vom 17. November 2016 herangezogenen Bestimmungen des § 5 Abs. 6 BArchG a.F. enthält, hat sich eine beachtliche Änderung nicht ergeben.

2. Der Beweisbeschluss des Senats vom 17. November 2016 ist allerdings nach Prüfung der Anfragegegenständlichkeit anhand der geschwärzt vorgelegten Unterlagen und aufgrund der Angaben in der Sperrklärung des Bundeskanzleramtes vom 16. Mai 2017 sowie des Schreibens des Bundesnachrichtendienstes vom 1. Juni 2017 zu ändern und - wie aus dem Tenor ersichtlich - neu zu fassen. In der Sperrerklärung werden in Bezug auf einen Teil der angeforderten Unterlagen erstmals nähere Angaben zu deren Inhalt und zu den Gründen geltend gemacht, die eine Benutzungseinschränkung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BArchG (§ 5 Abs. 6 BArchG a.F.) rechtfertigen können. Der Senat hat deshalb die Entscheidungserheblichkeit der betreffenden Unterlagen aufgrund der Angaben in der Sperrerklärung des Bundeskanzleramtes nochmals überprüft (vgl. zu diesem Erfordernis: BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2016 - 20 F 2.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:210116B20F2.15.0] - NVwZ 2016, 467 Rn. 6) und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass es der Vorlage der ungeschwärzten Unterlagen lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang weiterhin bedarf, damit der Senat über das Informationszugangsbegehren entscheiden kann, das die Klägerin mit der anhängig gemachten Klage verfolgt.

a) Aus der Aufbewahrungseinheit mit der Signatur 1107 ist lediglich noch die Unterlage auf den Seiten 116 bis 119 vollständig und ungeschwärzt vorzulegen. Der Senat hat die in dem Beschluss vom 17. November 2016 (Rn. 16) als klärungsbedürftig bezeichnete Frage der Anfragegegenständlichkeit anhand der vorgelegten Unterlagen dieser Signatur geprüft und hierbei trotz der vereinzelten Schwärzungen feststellen können, dass außer dem genannten Dokument nur die Unterlage auf den Seiten 348 bis 350 anfragegegenständlich ist, welche die Beklagte bereits ungeschwärzt vorgelegt hat. Die übrigen der Signatur 1107 zugeordneten Unterlagen weisen offensichtlich keinen Bezug zu der Thematik der konspirativen Linien vor, während und nach der Spiegel-Affäre auf. Durch die Angabe in der Sperrerklärung vom 16. Mai 2017, dass es sich um eine Sachakte aus dem Zeitraum 1948 bis 1953 handelt, ist ferner zwar geklärt, dass die 30-Jahresfrist des § 11 Abs. 6 BArchG (§ 5 Abs. 8 BArchG a.F.) abgelaufen ist. Hinsichtlich der Unterlage auf den Seiten 116 bis 119 ist die Einsichtnahme jedoch nunmehr deshalb erforderlich, um klären zu können, ob die in der Sperrerklärung in Verbindung mit der diese Signatur betreffenden Anlage erstmals geltend gemachte Beeinträchtigung der künftigen Aufgabenerfüllung des Bundesnachrichtendienstes im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit ausländischen Stellen einen Ausschluss der Aktennutzung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BArchG (§ 5 Abs. 6 Nr. 1 BArchG a.F.) rechtfertigen kann. Insoweit hat der Senat in dem Beschluss vom 17. November 2016 (Rn. 28) ausgeführt, dass jedenfalls bei - wie hier - lange zurückliegenden Vorgängen nicht ohne weiteres angenommen werden kann, dass ein hinreichender Bezug zu einer aktuell noch bestehenden Kooperation mit anderen Nachrichtendiensten besteht. Zudem muss erkennbar sein, dass und warum auf ausländischer Seite ein noch fortdauerndes Geheimhaltungsinteresse besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. April 2010 - 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 14). Ob das Bekanntwerden der Identität einzelner Mitarbeiter eines anderen Nachrichtendienstes trotz des Zeitablaufs die vertrauensvolle Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes mit anderen Nachrichtendiensten beeinträchtigen könnte, erschließt sich weder aus den Angaben in der Sperrerklärung noch aus den ungeschwärzten Teilen der vorgelegten Unterlage und kann daher nur durch Einsichtnahme in die vollständige und ungeschwärzte Unterlage geklärt werden.

b) Aus der Aufbewahrungseinheit mit der Signatur 1598 sind nur die Seiten 34 und 35 vorzulegen, nachdem in der Sperrerklärung vom 16. Mai 2017 klargestellt worden ist, dass nur diese beiden Seiten anfragegegenständlich sind. Der ungeschwärzten Vorlage dieses (zweiseitigen) Dokuments bedarf es jedoch nunmehr zur Klärung, ob der in der Sperrerklärung erstmals geltend gemachte Quellenschutz oder schutzwürdige Belange Dritter eine Einschränkung der Nutzung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BArchG (§ 5 Abs. 6 Nr. 1 und 2 BArchG a.F.) rechtfertigen können. Insoweit hat der Senat in dem Beschluss vom 17. November 2016 (Rn. 24) in Bezug auf diejenigen Signaturen, deren Anfragegegenständlichkeit bereits zu diesem Zeitpunkt feststand, ausgeführt, dass anhand der Unterlagen geklärt werden muss, ob und in welchem Umfang die nachrichtendienstlichen Verbindungen, deren Schutz geltend gemacht wird, für den Bundesnachrichtendienst tätig geworden sind. Handelt es sich bei den Verbindungen um bereits verstorbene Informanten, die bei lange zurückliegenden, abgeschlossenen Vorgängen - wie hier der sog. Spiegel-Affäre - eingesetzt worden sind, muss ferner eine Prognose getroffen werden, ob die Offenlegung zu einer aktuellen Beeinträchtigung der Aufgabenerfüllung der Beklagten führt. Denn ob die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe durch die Preisgabe der Identität des Dritten ernstlich gefährdet oder erheblich erschwert würde, lässt sich bei lange zurückliegenden Vorgängen nicht losgelöst von den Umständen des Einzelfalles beantworten. Vielmehr bedarf es hierzu der Feststellung, dass auch in Ansehung der verstrichenen Zeit nach Abschluss des operativen Vorgangs eine Nennung des Informanten die öffentliche Aufgabe noch ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Auch dies lässt sich nur durch Einsichtnahme in die fraglichen Unterlagen klären.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann der Senat dem Klagebegehren nicht teilweise - ggf. im Wege eines Teilurteils gemäß § 110 VwGO - ohne Einsichtnahme in die ungeschwärzten Unterlagen auf der Grundlage der abstrakten Umschreibung in der Sperrerklärung stattgeben. Soweit sich das Bundeskanzleramt in der Sperrerklärung unter dem Gesichtspunkt des Schutzes nachrichtendienstlicher Verbindungen des BND lediglich darauf beruft, es sei den Betroffenen nicht nur lebenslange, sondern unbefristete Vertraulichkeit zugesagt worden, steht dies in dieser Allgemeinheit zwar - wie die Klägerin zutreffend ausführt - nicht in Einklang mit der Rechtsauffassung, die den Beweisbeschlüssen des Senats vom 17. November 2016 zugrunde liegt. Danach setzt der in Anspruch genommene Weigerungsgrund bei solchen Unterlagen, die sich auf weit zurückliegende Vorgänge beziehen, in der Regel voraus, dass der geschützte Informant noch am Leben ist. Unabhängig von der allgemein gehaltenen Beschreibung des Nutzungsausschlussgrundes in der Sperrerklärung bedarf es jedoch in den Fällen, in denen sich die Behörde auf den Informantenschutz beruft, stets einer Einzelfallprüfung. Dies folgt nunmehr auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. In dem Beschluss vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 [ECLI:DE:BVerfG:2017:es20170613.2bve000115] - hat das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der Reichweite des Frage- und Informationsrechts des Deutschen Bundestages ausgeführt, dass sich die Bundesregierung angesichts der Bedeutung, die dem Einsatz verdeckter Quellen bei der Informationsbeschaffung der Nachrichtendienste zukommt, zur Auskunftsverweigerung trotz des erheblichen Informationsinteresses des Parlaments in diesem Bereich in der Regel auf eine Gefährdung des Staatswohls und der Grundrechte verdeckt handelnder Personen berufen kann, wenn deren Identität bei der Erteilung der begehrten Auskünfte offenbart würde oder ihre Identifizierung möglich erscheint. Nur in eng begrenzten, besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen kann, wenn die Gefährdung verfassungsrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint, das Informations- gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse überwiegen (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 - [...] Rn. 109).

Zur Begründung weist das Bundesverfassungsgericht darauf hin, die Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste könne auch über den konkreten Einzelfall hinaus für die Zukunft generell beeinträchtigt werden, wenn quellenbezogene Informationen bekannt werden. Zum einen könne es sich um Informationen handeln, die für die Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste von Bedeutung sind, insbesondere wenn sie das Vorgehen der Behörden bei der Anwerbung und Führung von sowie der Kommunikation mit V-Leuten und sonstigen Quellen betreffen. Zum anderen sei der Quellenschutz eine Voraussetzung für die weitere Nutzung aktiver und die Gewinnung neuer Informationsquellen. In diesem Zusammenhang hebt das Bundesverfassungsgericht die besondere Bedeutung der Einhaltung von Vertraulichkeitszusagen hervor. Sie sei unverzichtbare Voraussetzung für die Anwerbung und Führung von V-Personen. Die Effektivität der Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste unter Einsatz von V-Personen sei davon abhängig, dass das Vertrauen in die Einhaltung gegebener Vertraulichkeitszusagen nicht erschüttert wird. Würden Informationen über V-Leute und sonstige verdeckte Quellen herausgegeben, schwäche dies das Vertrauen in die Wirksamkeit von Geheimhaltungszusagen. Das gelte insbesondere für den Fall, dass eine V-Person oder eine sonstige Quelle enttarnt wird. Darüber hinaus könne auch in diesem Zusammenhang bereits der (subjektive) Eindruck ausreichen, die Vertraulichkeit sei nicht gesichert, um aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abzuhalten und die Gewinnung neuer Quellen zu erschweren (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 - [...] Rn. 114). Bei Fragen zum Einsatz konkreter Personen als V-Leute hält das Bundesverfassungsgericht lediglich eng begrenzte Ausnahmefälle für denkbar, in denen das parlamentarische Informationsinteresse überwiege. Dies sei insbesondere der Fall, wenn aufgrund besonderer Umstände eine Gefährdung grundrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen sei oder zumindest fernliegend erscheine und eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht ernsthaft zu befürchten sei. Bei dieser Abwägung sei der Zeitablauf ein bedeutsamer - wenn auch nicht allein ausschlaggebender - Faktor. So könne sich im Einzelfall bei weit zurückliegenden Vorgängen die Geheimhaltungsbedürftigkeit erheblich vermindert oder erledigt haben (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 - [...] Rn. 124).

Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet demnach beim Informantenschutz unter dem Aspekt der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden nicht schematisch zwischen lebenden und verstorbenen Quellen, sondern geht davon aus, dass in der Regel das Staatswohl gefährdet wird, wenn die Identität verdeckt handelnder Personen bei der Erteilung der begehrten Auskünfte offenbart würde oder ihre Identifizierung möglich erscheint. Ausnahmen hiervon setzen stets eine Prüfung im Einzelfall voraus, ob aufgrund besonderer Umstände eine Gefährdung grundrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint und eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht ernsthaft zu befürchten ist. Sind diese Grundsätze im Verhältnis zu dem durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleisteten parlamentarischen Informationsinteresse maßgeblich, kann in Bezug auf den Nutzungsanspruch nach dem Bundesarchivgesetz nicht von einem niedrigeren Niveau des Informantenschutzes ausgegangen werden.

Hiervon ausgehend ist es ausgeschlossen, der Klage ohne Einsichtnahme in die ungeschwärzten Unterlagen stattzugeben, soweit die Beklagte die Verweigerung der Vorlage der vollständigen Akten schematisch auf eine - ausdrückliche oder konkludente - Vertraulichkeitszusage auch über den Tod hinaus stützt. Vielmehr bedarf es auch insoweit jeweils einer Einzelfallprüfung, die letztlich nur der Fachsenat in dem Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO vornehmen kann.

Soweit die Beklagte den Ausschluss der Benutzung der anfragegegenständlichen Unterlagen der Signatur 1598 zusätzlich mit dem Schutz personenbezogener Daten begründet (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BArchG bzw. § 5 Abs. 6 Nr. 2 BArchG a.F.), muss - wie der Senat in dem Beschluss vom 17. November 2016 (Rn. 29) ausgeführt hat - zum einen geklärt werden, ob die fraglichen Personen noch leben; denn der postmortale Persönlichkeitsschutz bereits verstorbener Betroffener kann nicht als Benutzungsausschlussgrund anerkannt werden. Zum anderen kann selbst dann, wenn die Betroffenen noch leben, das Recht dieser Personen auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG ) dem archivrechtlichen Aktennutzungsanspruch nach § 11 Abs. 6 BArchG nur dann mit Erfolg entgegengehalten werden, wenn die fraglichen persönlichen Daten tatsächlich (noch) schutzwürdig sind. Daran fehlt es namentlich dann, wenn es sich um Personen der Zeitgeschichte handelt, die in den Unterlagen nur in ohnehin bereits bekannten Zusammenhängen angeführt werden, oder wenn es sich um persönliche Daten handelt, die in allgemein zugänglichen Quellen erwähnt worden sind, und diese Quellen, etwa Zeitungsberichte oder sonstige Publikationen, in den Unterlagen lediglich wiedergegeben sind, ohne dass dadurch weiterführende Rückschlüsse ermöglicht werden (vgl. Rn. 30 des Beschlusses vom 17. November 2016). Ob dies der Fall ist, lässt sich nicht ohne Einsichtnahme in die ungeschwärzten Unterlagen klären. Dies gilt ebenso bei Personen, in denen der Bundesnachrichtendienst nach den Angaben in der Sperrerklärung kein Sterbedatum ermitteln konnte und deshalb darauf abgestellt hat, ob das Geburtsjahr weniger als 90 Jahre zurückliegt. Auch in diesen Fällen bedarf es der Einsichtnahme in die ungeschwärzten Unterlagen, um die fortdauernde Schutzwürdigkeit der fraglichen persönlichen Daten feststellen zu können.

c) Die Vorlage der vollständigen und ungeschwärzten Unterlagen der Signatur 2768 ist weiterhin erforderlich, um umfassend prüfen zu können, ob auch in Ansehung der verstrichenen Zeit nach Abschluss des operativen Vorgangs eine Nennung des Informanten die öffentliche Aufgabe noch ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Zwar handelt es sich bei der Aufbewahrungseinheit mit der Signatur 2768 nach den Angaben der Beklagten in der Sperrerklärung vom 16. Mai 2017 um eine Akte, die aufgrund ihres Inhalts als personenbezogen gewertet worden ist und nahezu ausschließlich die Dokumentation der ehemaligen Pressestelle des Bundesnachrichtendienstes zu Kontakten mit einer nachrichtendienstlichen Verbindung enthält. Ferner ergibt sich aus den Einzelbegründungen der vorgenommenen Schwärzungen, dass das Todesjahr der nachrichtendienstlichen Verbindung nicht festgestellt werden konnte und noch keine 90 Jahre seit der Geburt der betreffenden Person abgelaufen sind. Diese Angabe reicht jedoch für sich genommen nicht aus, um einen Benutzungsausschluss oder eine Benutzungseinschränkung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BArchG (§ 5 Abs. 6 Nr. 1 BArchG a.F.) ohne Einsichtnahme in die Unterlagen zu rechtfertigen. Der Senat muss zum einen anhand des Klarnamens - etwa mittels einer Melderegisterabfrage - klären, ob die betroffene Person bereits verstorben ist und dem Informantenschutz in Folge dessen geringeres Gewicht zukommt (vgl. Rn. 26 des Beschlusses vom 17. November 2016). Auf die Vermutung, dass der betroffene Informant nicht mehr schutzwürdig ist, wenn seit seiner Geburt mehr als 90 Jahre vergangen sind (vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - 20 F 10.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:201216B20F10.15.0] - [...] Rn. 13), kann erst abgestellt werden, wenn andere Aufklärungsmaßnahmen, die der Senat aufgrund seiner Ermittlungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO treffen muss, nicht zum Erfolg führen. Selbst wenn in Bezug auf die Signatur 2768 der grundsätzlich ohne zeitliche Einschränkungen geltende Quellenschutz bei noch lebenden Informanten in Betracht kommt, ist eine Benutzungseinschränkung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BArchG zum anderen nur dann gerechtfertigt, wenn die betreffende Person tatsächlich zur Aufgabenerledigung im Bereich der Informationsgewinnung eingesetzt worden ist. Anhand der ungeschwärzten Unterlagen muss daher geklärt werden, ob und in welchem Umfang die nachrichtendienstliche Verbindung für den Bundesnachrichtendienst tätig geworden ist (vgl. Rn. 24 des Beschluss vom 17. November 2016).

d) Die bei dem Bundesnachrichtendienst der Signatur 22630 zugeordneten Unterlagen müssen abweichend von dem Beschluss vom 17. November 2016 nicht mehr vorgelegt werden, nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 1. Juni 2017 klargestellt hat, dass diese Unterlagen in Gänze nicht anfragegegenständlich sind.

e) Aus der Aufbewahrungseinheit mit der Signatur 22631 sind nur die Seiten 9, 18, 20 bis 26, 38 bis 39, 41 bis 45, 52 bis 56, 73 bis 77, 79, 81 bis 83, 85 bis 92, 105 bis 112, 146 bis 159, 162, 164 bis 165, 169 bis 171, 181 bis 186, 199 bis 201, 203 bis 208, 213 bis 216, 219 bis 220, 222a, 223 bis 232, 254, 259 bis 261, 266 und 295 ungeschwärzt vorzulegen, nachdem in der Sperrerklärung vom 16. Mai 2017 klargestellt worden ist, dass diese Seiten anfragegegenständlich sind. Durch die Angabe der Beklagten in der Sperrerklärung, dass es sich um eine operative Beiakte aus dem Zeitraum 1953 bis 1954 handelt, ist ferner nunmehr geklärt, dass die 30-Jahresfrist des § 11 Abs. 6 BArchG (§ 5 Abs. 8 BArchG a.F.) abgelaufen ist. Die Vorlage der genannten Unterlagen der Signatur 22631 ist jedoch weiterhin deshalb erforderlich, um klären zu können, ob der in der Sperrerklärung erstmals geltend gemachte Quellenschutz einen Ausschluss oder eine Einschränkung der Aktennutzung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BArchG (§ 5 Abs. 6 Nr. 1 BArchG a.F.) rechtfertigen kann. Insoweit gelten die die Unterlagen der Signaturen 2768, 23476, 23477, 100156 und 150090 betreffenden Erwägungen des Senats in dem Beschluss vom 17. November 2016 entsprechend: Um einen Benutzungsausschluss nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BArchG (§ 5 Abs. 6 Nr. 1 BArchG a.F.) zu rechtfertigen, muss die betreffende Person danach tatsächlich zur Aufgabenerledigung im Bereich der Informationsgewinnung eingesetzt worden sein. Anhand der Unterlagen muss daher geklärt werden, ob und in welchem Umfang die nachrichtendienstlichen Verbindungen, deren Schutz geltend gemacht wird, für den Bundesnachrichtendienst tätig geworden sind. Handelt es sich bei den Verbindungen um bereits verstorbene Informanten, die bei lange zurückliegenden, abgeschlossenen Vorgängen - wie hier der sog. Spiegel-Affäre - eingesetzt worden sind, muss ferner eine Prognose getroffen werden, ob die Offenlegung zu einer aktuellen Beeinträchtigung der Aufgabenerfüllung der Beklagten führt. Denn ob die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe durch die Preisgabe der Identität des Dritten ernstlich gefährdet oder erheblich erschwert würde, lässt sich bei lange zurückliegenden Vorgängen nicht losgelöst von den Umständen des Einzelfalles beantworten. Vielmehr bedarf es hierzu der Feststellung, dass auch in Ansehung der verstrichenen Zeit nach Abschluss des operativen Vorgangs eine Nennung des Informanten die öffentliche Aufgabe noch ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Auch dies lässt sich nur durch Einsichtnahme in die fraglichen Unterlagen klären.

f) Aus der Aufbewahrungseinheit mit der Signatur 23476 sind nur die Seiten 1, 3 bis 5, 6 bis 17, 19 bis 44, 48 bis 50, 51 bis 58, 60 bis 61, 66 bis 68, 70 bis 72, 74 bis 80, 82 bis 120, 126 bis 180, 182 bis 185, 187 bis 281, 283 bis 291, 293 bis 322, 324 bis 345, 347 bis 361, 363 bis 487, 491 bis 512, 518 bis 571 ungeschwärzt vorzulegen, nachdem in der Sperrerklärung vom 16. Mai 2017 klargestellt worden ist, dass diese Seiten anfragegegenständlich sind. Durch die Angabe der Beklagten in der Sperrerklärung vom 16. Mai 2017, dass es sich um eine Akte aus dem Zeitraum 1950 bis 2001 handelt und dass die - ebenfalls anfragegegenständlichen - Seiten 62 und 63 nicht älter als 30 Jahre sind, ist ferner nunmehr geklärt, dass die 30-Jahresfrist des § 11 Abs. 6 BArchG (§ 5 Abs. 8 BArchG a.F.) hinsichtlich der anderen anfragegegenständlichen Unterlagen abgelaufen ist. Die Vorlage dieser Unterlagen, die nach den Angaben in der Sperrerklärung eine personenbezogene Akte zu einer weiterhin schützenswerten nachrichtendienstlichen Verbindung bilden, ist jedoch weiterhin erforderlich, um umfassend prüfen zu können, ob auch in Ansehung der verstrichenen Zeit nach Abschluss des operativen Vorgangs eine Nennung des - bereits verstorbenen - Informanten die öffentliche Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes noch ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Eine teilweise Klagestattgabe ohne Einsichtnahme in die ungeschwärzten Unterlagen ist entgegen der Auffassung der Klägerin insoweit ausgeschlossen. Zwar hat sich das Bundeskanzleramt in der Sperrerklärung auch in Bezug auf die Unterlagen der Signatur 23476 im Wesentlichen nur darauf berufen, es sei den Betroffenen nicht nur lebenslange, sondern unbefristete Vertraulichkeit zugesagt worden. Wie bereits ausgeführt, bedarf es jedoch in den Fällen, in denen sich die Behörde auf den Informantenschutz beruft, stets einer Einzelfallprüfung.

g) Von den der Signatur 23477 zugeordneten Unterlagen sind nur die Seiten 1 bis 27, 28 bis 53, 55, 59 bis 98, 99 bis 119, 124 bis 131, 139 bis 145, 150 bis 177, 179 bis 182, 187 bis 189, 192 bis 206, 208 bis 214, 216 bis 229, 231, 235 bis 237, 241, 245 bis 247, 249 bis 264, 269 bis 286, 287 bis 320, 323, 325 bis 326, 328 bis 353, 355 bis 375, 376, 377, 379 bis 387, 388 bis 389, 390 bis 405, 410, 412 bis 415, 420 bis 421, 423 bis 425, 426 bis 428, 431 bis 432, 434, 436, 439, 442 bis 443, 444, 446, 449 bis 450, 452, 455 bis 456, 460 bis 480, 481 bis 487, 488 bis 495, 500 bis 502, 504 bis 507, 512 bis 516, 519, 523, 527 bis 537, 539 bis 541, 542 bis 546, 547 bis 602 und 609 bis 613 ungeschwärzt vorzulegen, denn in der Sperrerklärung wird klargestellt, dass diese Seiten anfragegegenständlich sind. Durch die Angabe, dass es sich um eine Akte aus dem Zeitraum 1956 bis 1976 handelt, ist ferner nunmehr geklärt, dass die 30-Jahresfrist des § 11 Abs. 6 BArchG (§ 5 Abs. 8 BArchG a.F.) hinsichtlich der genannten Unterlagen abgelaufen ist. Die Vorlage dieser Unterlagen, die der Sperrerklärung zufolge eine personenbezogene Akte zu einer weiterhin schützenswerten nachrichtendienstlichen Verbindung bilden, ist jedoch weiterhin erforderlich, um umfassend prüfen zu können, ob auch in Ansehung der verstrichenen Zeit nach Abschluss des operativen Vorgangs eine Nennung des - bereits verstorben - Informanten die öffentliche Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes noch ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Insoweit kann auf die Ausführungen oben zu f) verwiesen werden.

h) Die Vorlage der vollständigen und ungeschwärzten Unterlagen der Signatur 100156 ist weiterhin erforderlich, um umfassend prüfen zu können, ob auch in Ansehung der verstrichenen Zeit nach Abschluss des operativen Vorgangs eine Nennung des Informanten die öffentliche Aufgabe noch ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Zwar handelt es sich bei der Aufbewahrungseinheit mit der Signatur 100156 nach den Angaben der Beklagten in der Sperrerklärung vom 16. Mai 2017 um eine personenbezogene operative Sachakte zu einer nachrichtendienstlichen Verbindung. Ferner ergibt sich aus der Einzelbegründung der vorgenommenen Schwärzungen, dass das Todesjahr der nachrichtendienstlichen Verbindung nicht festgestellt werden konnte und noch keine 90 Jahre seit der Geburt abgelaufen sind. Wie oben (unter 2. c) bereits ausgeführt, kann der Senat auf die Vermutung, dass der betroffene Informant nicht mehr schutzwürdig ist, wenn seit seiner Geburt mehr als 90 Jahre vergangen sind, jedoch erst abstellen, wenn die nach § 86 Abs. 1 VwGO anhand des Klarnamens vorzunehmende Ermittlung, ob die betroffene Person noch lebt, nicht zum Erfolg führt. Zudem muss anhand der ungeschwärzten Unterlagen geklärt werden, ob und in welchem Umfang die nachrichtendienstliche Verbindung für den Bundesnachrichtendienst tätig geworden ist; denn ein Ausschluss oder eine Einschränkung der Aktennutzung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BArchG (§ 5 Abs. 6 Nr. 1 BArchG a.F.) kommt in jedem Fall nur in Bezug auf Personen in Betracht, die tatsächlich zur Aufgabenerledigung im Bereich der Informationsgewinnung eingesetzt worden sind.

i) Hinsichtlich der Unterlagen der Signatur 150059 ist der Beweisbeschluss vom 17. November 2016 erfüllt. Durch die Angaben in der Sperrerklärung vom 16. Mai 2017 ist geklärt, dass insoweit die Seiten 259 bis 336, 350 bis 361 und 380 bis 391 anfragegegenständlich sind. Diese Seiten hat die Beklagte ungeschwärzt vorgelegt.

j) Aus der Aufbewahrungseinheit mit der Signatur 150090 ist nur die Seite 10 vorzulegen, nachdem in der Sperrerklärung vom 16. Mai 2017 klargestellt worden ist, dass die Seiten 1 bis 8 noch nicht älter als 30 Jahre sind und im Übrigen nur die Seite 10 anfragegegenständlich ist. Die Vorlage dieser Unterlage ist zwar entgegen den Ausführungen im Beschluss vom 17. November 2016 nicht mehr erforderlich, um anhand des Klarnamens zu klären, ob die betroffene Person bereits verstorben ist; denn dies hat die Beklagte in der diese Signatur betreffenden Anlage zu der Sperrerklärung vom 16. Mai 2017 klargestellt. Der grundsätzlich ohne zeitliche Einschränkungen geltende Quellenschutz bei noch lebenden Informanten kommt deshalb insoweit nicht in Betracht. Die Vorlage ist jedoch weiterhin deshalb erforderlich, um klären zu können, ob in Ansehung der verstrichenen Zeit nach Abschluss des operativen Vorgangs eine Nennung des Informanten die öffentliche Aufgabe noch ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde.

k) Einer ungeschwärzten Vorlage der die bei dem Bundesnachrichtendienst der Signatur 151200 zugeordneten Unterlagen bedarf es abweichend von dem Beschluss vom 17. November 2016 in diesem Verfahren nicht. Denn die Beklagte hat in der Sperrerklärung vom 16. Mai 2017 mitgeteilt, dass es sich bei der Aufbewahrungseinheit mit der Signatur 151200 um eine Sachakte aus dem Zeitraum 1993 bis 1999 handelt. Die 30-Jahresfrist des § 11 Abs. 6 BArchG (§ 5 Abs. 8 BArchG a.F.) ist demnach auch insoweit noch nicht abgelaufen.

l) Die beim Bundesnachrichtendienst der Signatur 151888 zugeordneten Unterlagen müssen abweichend von dem Beschluss vom 17. November 2016 in diesem Verfahren nicht vorgelegt werden, nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 1. Juni 2017 klargestellt hat, dass diese Unterlagen noch nicht älter als 30 Jahre alt sind.