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BGH - Entscheidung vom 15.03.2017

4 StR 22/17

Normen:
StGB § 176 Abs. 1
StGB § 176 Abs. 2
StGB § 176a Abs. 2 Nr. 2
StGB § 184b Abs. 3

Fundstellen:
NStZ-RR 2017, 142
NStZ-RR 2017, 362
NStZ-RR 2017, 366

BGH, Beschluss vom 15.03.2017 - Aktenzeichen 4 StR 22/17

DRsp Nr. 2017/5007

Verursachung sexueller Handlungen von oder an einem Dritten durch Einwirken auf das kindliche Opfer; Besitzverschaffung kinderpornographischer Schriften; Zuerkennung von Schmerzensgeld i.R.d. Adhäsionsverfahrens

Es reicht nicht aus, in einem Schriftsatz bezüglich unbezifferter Schmerzensgeldansprüche als Adhäsionsantrag zum Grund der Ansprüche und zur Höhe der verlangten Schmerzensgelder lediglich auf das zu erwartende Ergebnis der Hauptverhandlung zu verweisen, ohne eine weitere Konkretisierung in Form einer Bezugnahme auf die in der Anklageschrift erhobenen Tatvorwürfe vorzunehmen. Geht es um zahlreiche Tatvorwürfe gegen zwei Angeklagte wegen Besitzverschaffung kinderpornographischer Schriften, bedarf es näherer Darlegungen der Nebenklägerinnen, auf welche der Taten zu ihrem Nachteil sie ihre Adhäsionsanträge stützen wollen.

Tenor

1.

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 27. September 2016, soweit es sie betrifft,

a)

im Schuldspruch klarstellend dahin neu gefasst, dass die Angeklagte im Fall II. 22 der Urteilsgründe nicht wegen Herstellung kinderpornographischer Schriften, sondern wegen Besitzverschaffung kinderpornographischer Schriften verurteilt ist,

b)

im Adhäsionsausspruch aufgehoben; von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag der Nebenklägerinnen wird abgesehen.

2.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die sonstigen durch dieses Verfahren entstandenen Auslagen trägt jeder Beteiligte selbst.

Normenkette:

StGB § 176 Abs. 1 ; StGB § 176 Abs. 2 ; StGB § 176a Abs. 2 Nr. 2 ; StGB § 184b Abs. 3 ;

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 19 Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, sowie wegen Herstellung kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Es hat ferner eine Adhäsionsentscheidung zu Gunsten der Nebenklägerinnen getroffen. Die Revision der Angeklagten, mit der sie ohne nähere Begründung die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

I.

Die Verfahrensrüge ist nicht näher ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ).

II.

1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat in den Fällen II. 1 bis 19 der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

Die Annahme der Strafkammer, die Angeklagte habe sich in diesen Fällen (jeweils tateinheitlich) wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes im Sinne von § 176a Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 176 Abs. 2 StGB strafbar gemacht, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Da § 176 Abs. 2 StGB die Verursachung sexueller Handlungen von oder an einem Dritten durch Einwirken auf das kindliche Opfer strafrechtlich erfasst, liegt die für eine gemeinschaftliche Tatbegehung erforderliche gleiche Zielrichtung des täterschaftlichen Handelns hier darin, dass der Täter nach § 176 Abs. 2 StGB durch seinen Bestimmungsakt gerade diejenige sexuelle Handlung ermöglicht, die der andere im Sinne des § 176 Abs. 1 StGB vornimmt (Senatsurteil vom 10. Oktober 2013 - 4 StR 248/13, BGHSt 59, 28 , 33; zum Begriff der sexuellen Handlung beim Eindringen in den Körper mit Gegenständen vgl. jüngst Senatsurteil vom 8. Dezember 2016 - 4 StR 389/16). Auch diese Art des Zusammenwirkens gegenüber dem Tatopfer weist den im Vergleich zu den Grundtatbeständen gesteigerten Unrechtsgehalt auf, der für die Qualifikation kennzeichnend ist (Senatsurteil vom 10. Oktober 2013 aaO). So verhält es sich nach den Feststellungen im vorliegenden Fall. Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang auf "§ 176a Abs. 1 Nr. 4 StGB " Bezug nimmt, handelt es sich ersichtlich um ein Schreibversehen.

2. Im Fall II. 22 der Urteilsgründe, in dem die Angeklagte nach den Feststellungen Bilddateien ihrer Töchter in teilweise unbekleidetem Zustand unter sexuell aufreizender Wiedergabe des nackten Gesäßes angefertigt hat, ist zwar, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, der Tatbestand des § 184b Abs. 3 StGB erfüllt. Nach dieser Vorschrift ist zum einen strafbar, wer es unternimmt, sich den Besitz derartiger Schriften zu verschaffen, wodurch auch die Herstellung zum Eigengebrauch erfasst wird (MünchKommStGB/Hörnle, 3. Aufl., § 184b Rn. 35), zum anderen, wer eine solche Schrift besitzt, wobei diese Tatmodalität ersichtlich als Auffangtatbestand ausgestaltet ist (Hörnle aaO, Rn. 40 mwN). Aus Gründen der Klarstellung fasst der Senat die Beschlussformel mit der Maßgabe neu, dass die Angeklagte insoweit wegen Verschaffung des Besitzes kinderpornographischer Schriften verurteilt ist.

3. Der Adhäsionsausspruch über die Zuerkennung von Schmerzensgeld für die vier Nebenklägerinnen kann keinen Bestand haben.

a) Der von den Nebenklägerinnen gestellte Adhäsionsantrag entsprach nicht den inhaltlichen Anforderungen des § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO . Nach dieser Vorschrift muss der Antrag unter anderem den Gegenstand und den Grund des geltend gemachten Anspruchs bestimmt bezeichnen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 13. August 2013 - 4 StR 281/13, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 7; LR-StPO/Hilger, 26. Aufl., § 404 Rn. 1). Das ist im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts nicht geschehen.

b) Zwar hat die Bevollmächtigte der Nebenklägerinnen durch einen in der Hauptverhandlung rechtzeitig (§ 404 Abs. 1 Satz 1 StPO ) übergebenen Schriftsatz für diese jeweils einen unbezifferten Schmerzensgeldanspruch als Adhäsionsantrag geltend gemacht (PB 17). In dem Schriftsatz wird zum Grund der Ansprüche und zur Höhe der verlangten Schmerzensgelder aber lediglich auf das zu erwartende Ergebnis der Hauptverhandlung verwiesen ("hinsichtlich des Tathergangs und der psychischen und physischen Verletzungshandlungen"). Eine weitere Konkretisierung ist - soweit ersichtlich - nicht erfolgt, auch nicht in Form einer Bezugnahme auf die in der Anklageschrift erhobenen Tatvorwürfe, was bei einfach gelagerten Sachverhalten ausreichen kann (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2013 - 4 StR 368/13, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Satz 2 Wirksamkeit 1). Schon mit Blick darauf, dass der Adhäsionsantrag dieselben Wirkungen wie die Erhebung einer zivilrechtlichen Klage hat (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 - 1 StR 412/03, StraFo 2004, 144 ), hätte es im vorliegenden Fall, in dem es um zahlreiche Tatvorwürfe gegen zwei Angeklagte ging, näherer Darlegungen der Nebenklägerinnen bedurft, auf welche der Taten zu ihrem Nachteil sie ihre Adhäsionsanträge stützen wollten.

4. Eine Zurückverweisung der Sache allein zur prozessordnungsgemäßen Nachholung des Adhäsionsverfahrens kommt nicht in Betracht, da wirksame Anträge nicht mehr gestellt werden könnten. Der Senat spricht deshalb aus, dass insoweit gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 und 6 StPO von einer Entscheidung abgesehen wird (vgl. Senatsbeschluss vom 13. August 2013 aaO).

Vorinstanz: LG Halle, vom 27.09.2016
Fundstellen
NStZ-RR 2017, 142
NStZ-RR 2017, 362
NStZ-RR 2017, 366