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BGH - Entscheidung vom 09.02.2017

IX ZA 26/16

Normen:
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
ZPO § 115 Abs. 4
ZPO § 522 Abs. 1 S. 4
ZPO § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

BGH, Beschluss vom 09.02.2017 - Aktenzeichen IX ZA 26/16

DRsp Nr. 2017/3484

Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes; Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Einheitlichkeitssicherung; Beantragung von Prozesskostenhilfe innerhalb der Rechtsmittelfrist oder Rechtsmittelbegründungsfrist

Ein Rechtsmittelführer, der innerhalb der Rechtsmittelfrist oder Rechtsmittelbegründungsfrist Prozesskostenhilfe beantragt hat, ist bis zur Entscheidung über seinen Antrag als unverschuldet verhindert anzusehen, das Rechtsmittel wirksam einzulegen oder rechtzeitig zu begründen, wenn er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen musste. Das gilt auch dann, wenn er neben dem Prozesskostenhilfegesuch ein unzulässiges Rechtsmittel eingelegt hat, weil er wegen seiner Bedürftigkeit gehindert ist, einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung zu beauftragen.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Konstanz vom 7. Oktober 2016 wird abgelehnt.

Normenkette:

ZPO § 114 Abs. 1 S. 1; ZPO § 115 Abs. 4 ; ZPO § 522 Abs. 1 S. 4; ZPO § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ;

Gründe

I.

Mit Urteil vom 16. August 2016, dem Kläger am 27. August 2016 zugestellt, hat das Amtsgericht seine auf Zahlung von 1.500 €, auf Feststellung des Nichterlöschens einer Forderung von 25.000 € durch Aufrechnung und auf Löschung des Bestreitens der Forderungen in der Insolvenztabelle gerichtete Klage abgewiesen. Der Kläger hat das Urteil mit einem am 22. September 2016 beim Landgericht eingegangenen, selbst verfassten und begründeten Schriftsatz angegriffen, in dem es unter dem Betreff "Berufung" unter anderem heißt: "Hiermit wird Berufung eingelegt ... Zugleich ist damit verbunden der Antrag auf Prozesskostenhilfe". Mit Verfügung vom 23. September 2016 hat das Landgericht auf die Unzulässigkeit der Berufung unter Hinweis auf den Anwaltszwang hingewiesen. Der Kläger hat hierauf geantwortet, dass für einen Prozesskostenhilfeantrag kein Anwaltszwang bestehe. Das Landgericht hat mit Beschlüssen vom 7. Oktober 2016 die Berufung mangels Einlegung durch einen Rechtsanwalt als unzulässig verworfen und unter Verweis hierauf zugleich den Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Der Kläger begehrt nunmehr Prozesskostenhilfe für ein Rechtsbeschwerdeverfahren.

II.

Prozesskostenhilfe ist zu versagen, weil die wirtschaftlichen Voraussetzungen für ihre Bewilligung gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1, § 115 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen.

1. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat zwar hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Eine Rechtsbeschwerde gegen den die Berufung verwerfenden Beschluss des Landgerichts wäre gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 , § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs wäre jedenfalls zur Einheitlichkeitssicherung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO geboten, weil dem Kläger durch den Beschluss des Landgerichts der Zugang zum Berufungsrechtszug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise erschwert und hierdurch sein Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verletzt wurde. Ein Rechtsmittelführer, der innerhalb der Rechtsmittelfrist oder Rechtsmittelbegründungsfrist Prozesskostenhilfe beantragt hat, ist bis zur Entscheidung über seinen Antrag als unverschuldet verhindert anzusehen, das Rechtsmittel wirksam einzulegen oder rechtzeitig zu begründen, wenn er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen musste. Das gilt auch dann, wenn er neben dem Prozesskostenhilfegesuch ein unzulässiges Rechtsmittel eingelegt hat, weil er wegen seiner Bedürftigkeit gehindert ist, einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung zu beauftragen (BGH, Beschluss vom 4. November 2015 - XII ZB 289/15, FamRZ 2016, 209 Rn. 6 mwN).

Die Frist zur Einlegung der Berufung lief bis zum 27. September 2016. Rechtzeitig vor Fristablauf hat der Kläger Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren beantragt und diesen mit der zugleich eingelegten Berufung begründet. Die Unterlagen zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen waren beigefügt. Deshalb musste das Landgericht zunächst über den Prozesskostenhilfeantrag entscheiden und dem Kläger so Gelegenheit geben, das Berufungsverfahren auf eigene Kosten durch Einlegung der Berufung durch einen Rechtsanwalt fortzuführen und einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 2011 - XII ZB 51/11, [...] Rn. 12).

2. - insoweit ohne Gründe gemäß § 127 Abs. 1 Satz 3 ZPO

Vorinstanz: AG Konstanz, vom 16.08.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 11 C 440/15
Vorinstanz: LG Konstanz, vom 07.10.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 11 S 96/16