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BGH - Entscheidung vom 06.02.2017

IV ZR 211/16

Normen:
ZPO § 552a S. 1
VVG a.F. § 5a

BGH, Beschluss vom 06.02.2017 - Aktenzeichen IV ZR 211/16

DRsp Nr. 2017/4738

Treuwidrige Ausübung des Widerrufrechts durch den Versicherungsnehmer; Ordnungsgemäße Belehrung über das Widerrufsrecht

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 15. Juli 2016 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Normenkette:

ZPO § 552a S. 1; VVG a.F. § 5a;

Gründe

I. Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung.

Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Oktober 2004 nach dem sogenannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) mit dem Versicherer abgeschlossen. In der Folge zahlte d. VN die Versicherungsprämien. Mit Schreiben vom Februar 2014 erklärte d. VN den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. und später hilfsweise die Kündigung des Versicherungsvertrages. Der Versicherer akzeptierte die Kündigung und zahlte den Rückkaufswert aus.

Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts.

Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil die Widerspruchsbelehrung im Policenbegleitschreiben nicht ordnungsgemäß erteilt worden und § 5a VVG a.F. mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfert igter Bereicherung verneint. D. VN sei ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. belehrt worden. D. VN hätte daher das Widerspruchsrecht innerhalb von 14 Tagen nach Zugang der Unterlagen ausüben müssen. Ob § 5a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. gegen europäisches Recht verstoße, bedürfe keiner Entscheidung, denn die Ausübung des Widerspruchsrechts sei hier treuwidrig, weil d. VN die ihm bekannt gemachte Widerspruchsfrist beim Vertragsschluss im Jahr 2004 ungenutzt habe verstreichen lassen und jahrelang die Prämien gezahlt habe.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.

II. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO ).

1. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil es - bei identischer Widerspruchsbelehrung und gleichem Text ("Beilagen") im jeweiligen Versicherungsschein - von der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (12 U 41/15), das die Belehrung für unzureichend gehalten hat, abweiche. Diese Frage ist jedoch geklärt, weil der Senat mit Beschlüssen vom 30. Juni 2015 ( IV ZR 16/14, [...]) und vom 29. Juni 2016 ( IV ZR 28/16, [...]) die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bereits gebilligt hat.

2. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Prüfung auch stand.

Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen des Versicherungs vertrages sind hier erfüllt. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen sowie eine Verbraucherinformation und wurde ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt (vgl. Senatsurteil vom 13. Juli 2016 - IV ZR 541/15 aaO Rn. 11 und bereits Senatsurteil vom 14. Oktober 2015 - IV ZR 359/13, r+s 2015, 596 Rn. 11). Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 14-tägigen Widerspruchsfrist erklärte d. VN den Widerspruch nicht.

Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG VersR 2015, 693 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Die Treuwidrigkeit liegt darin, dass d. VN nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang unter regelmäßiger Prämienzahlung durchführte und erst dann von dem Versicherer, der auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; BVerfG aaO Rn. 42 ff.).

D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss 2004 ungenutzt verstreichen. D. VN zahlte über Jahre die Versicherungsprämien, erklärte dann im Jahr 2014 hilfsweise die Kündigung des Versicherungsvertrages und den Widerspruch. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits 2004 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN haben bei dem Versicherer ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.

Die Frage einer möglichen Vorlage an den Gerichtshof der Euro päischen Union in einem Fall, in dem kein widersprüchliches Verhalten des Versicherungsnehmers festgestellt werden kann, stellt sich im Streitfall nicht.

Vorinstanz: LG Köln, vom 09.03.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 26 O 409/15
Vorinstanz: OLG Köln, vom 15.07.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 20 U 64/16