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BGH - Entscheidung vom 10.05.2017

VIII ZR 79/16

Normen:
BGB § 556a Abs. 1 S. 2
BGB § 556a Abs. 1 S. 2
BGB § 556a Abs. 1 S. 2
BGB § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt.

Fundstellen:
MDR 2017, 1117
MietRB 2017, 215
NJW 2017, 8
NZM 2017, 520
ZMR 2017, 877

BGH, Urteil vom 10.05.2017 - Aktenzeichen VIII ZR 79/16

DRsp Nr. 2017/7675

Betriebskostenabrechnung für ein teils gewerblich und teils zu Wohnzwecken genutztes Grundstück; Umlage der Grundsteuer in einem gemischt genutzten Gebäude; Bereicherungsrechtliches Herausgabebegehren eines Betriebskostenguthabens in Höhe eines anteiligen Grundsteuerbetrags

Bei der Betriebskostenabrechnung für ein teils gewerblich und teils zu Wohnzwecken genutztes Grundstück bedarf es bezüglich der Umlage der Grundsteuer keines Vorwegabzugs für die gewerblich genutzten Einheiten.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil der Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin vom 15. März 2016 wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Normenkette:

BGB § 556a Abs. 1 S. 2; BGB § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt.;

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Umlage der Grundsteuer in einem gemischt genutzten Gebäude der Beklagten in Berlin. Die Wohn- und Nutzfläche dieses Gebäudes beträgt rund 1.100 qm, wobei auf die gewerbliche Nutzung rund 56 % der Flächen und der Rest auf die Wohnnutzung entfallen. Die Kläger sind dort seit 2004 Mieter einer 136 qm großen Wohnung, die sie noch von der Rechtsvorgängerin der Beklagten angemietet haben.

In § 3 Nr. 4 des Formular-Mietvertrags ist folgendes vereinbart:

"Als Umlegungsmaßstab für die Nebenkosten oder Nebenkostenerhöhung gilt als vereinbart

a) das Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen des Hauses."

Für das Jahr 2013 belief sich die für das Objekt erhobene Grundsteuer nach dem (einheitlichen) Grundsteuerbescheid der Gemeinde auf 4.580,36 €. Bei der Abrechnung der Betriebskosten für dieses Jahr legte die Beklagte den genannten Betrag einheitlich nach dem Flächenmaßstab um, ohne zwischen gewerblicher Nutzung und Wohnnutzung zu unterscheiden oder für die gewerbliche Nutzung einen Vorwegabzug vorzunehmen. Der sich daraus für die Kläger ergebende Anteil an der Grundsteuer beträgt 540,99 €.

Die Voreigentümerin hingegen hatte bei ihren Abrechnungen jeweils einen Betrag in Höhe von 70 % der für das gesamte Objekt erhobenen Grundsteuer vorweg auf die gewerblichen Einheiten verteilt und lediglich den Restbetrag auf die Wohneinheiten umgelegt. Den genannten Vorwegabzug hatte sie dabei mittels der Anlage ("Berechnungsbogen") zum Einheitswertbescheid vom 15. August 1997 ermittelt, der vom Finanzamt Pankow-Weißensee noch gegenüber ihrer eigenen Rechtsvorgängerin auf den 1. Januar 1996 ergangen war.

In diesem Berechnungsbogen waren die nach den Wertverhältnissen von 1935 ermittelten Jahresrohmieten für die gewerbliche Nutzung mit 15.636 DM (auf der Basis von Mieten in Höhe von 2 und 3 DM je qm) und für die Wohnnutzung mit 6.502 DM (auf der Basis von Mieten in Höhe von 0,90 und 1 DM je qm) angegeben. Nach dieser Berechnung entfielen rund 70 % des Mietertrages auf die gewerbliche Nutzung, weshalb die Voreigentümerin bei der Abrechnung der Betriebskosten bei der Grundsteuer jeweils einen Vorwegabzug in dieser Höhe vorgenommen hatte.

Die Kläger sind der Auffassung, dass diese Abrechnungsweise beizubehalten sei und haben auf dieser Basis einen Differenzbetrag von 209,31 € errechnet, der ihnen von der Beklagten für das Abrechnungsjahr 2013 zu Unrecht berechnet worden sei. In dieser Höhe ergebe sich somit ein Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung.

Die auf Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht (LG Berlin, GE 2016, 530 ) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Den Klägern stehe ein Anspruch auf Rückzahlung von Betriebskosten für das Jahr 2013 nicht zu. Ein Vorwegabzug für die gewerblich genutzten Einheiten sei hinsichtlich der Grundsteuer nicht erforderlich gewesen.

Denn die Grundsteuer werde nicht durch die Gewerbemieter eines Hauses im Sinne des § 556a Abs. 1 Satz 2 BGB "verursacht". Die Beklagte erhalte für das streitgegenständliche Haus einen einheitlichen Grundsteuerbescheid. Dabei seien für die Ermittlung des Einheitswertes die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Hauptfeststellung zum 1. Januar 1964 beziehungsweise in Ostdeutschland zum 1. Januar 1935 maßgeblich und spätere Veränderungen in aller Regel unbeachtlich. Es komme mithin nicht auf die Nutzung der Gewerbeflächen im Abrechnungszeitraum an, also etwa darauf, ob zwischenzeitlich aus einem bescheidenen Laden mit geringer Miete ein hochpreisiges Geschäft mit hohem Mietniveau hergerichtet worden sei. Ebenso sei es unbeachtlich, ob etwa wegen einer Veränderung des Umfeldes die früher hohen Mieten für die gewerbliche Nutzung nicht mehr zu erzielen seien oder ob sich diese nach aufwendiger Modernisierung der Wohnungen von den dort erreichten Mieten kaum noch unterschieden.

Bei einem Eigentümerwechsel erhalte der neue Eigentümer zudem nur einen Zurechnungsbescheid, mit dem ihm das Grundstück steuerlich zugerechnet werde (§§ 10 , 11 GrStG ). Der Einheitswertbescheid sowie der diesem zugrunde liegende Berechnungsbogen werde ihm nicht erneut zugestellt und liege ihm daher oft nicht vor. Bereits diese der Grundsteuer zugrunde liegende Berechnungsmethode spreche dagegen, dass es sich um durch das Gewerbe verursachte Kosten im Sinne des § 556a Abs. 1 Satz 2 BGB handele.

Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber den Flächenmaßstab als "grundsätzlich gerecht" angesehen habe, sei zu schließen, dass es ihm nicht darauf angekommen sei, den Vermieter zu einem erheblichen Aufwand bei der Erstellung der Betriebskostenabrechnung zu verpflichten, nur um im Ergebnis eine "absolute Gerechtigkeit" herzustellen. Eine Grenze sei lediglich dort zu ziehen, wo die Abrechnung zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit offensichtlich unvereinbaren Ergebnissen führe und gemäß § 242 BGB für einen der Beteiligten ein unzumutbar unbilliges Ergebnis zur Folge hätte. Diese Grenze sei bezüglich der Grundsteuer aufgrund ihrer zuvor ausgeführten Ermittlungsgrundsätze und der Höhe der Position insgesamt nicht überschritten.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Kläger gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Auszahlung eines Betriebskostenguthabens in Höhe eines anteiligen Grundsteuerbetrags von 209,31 € verneint. Die von der Beklagten vorgenommene Umlage der Grundsteuer in der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2013 ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden; insbesondere bedurfte es keines Vorwegabzugs für die gewerblich genutzten Einheiten.

1. Entgegen der Auffassung der Revision enthält der Mietvertrag keine Vereinbarung über eine getrennte Abrechnung der auf die gewerblichen Einheiten entfallenden Betriebskosten (sogenannter Vorwegabzug). Mit der Umlage der Betriebskosten "nach dem Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen des Hauses" (§ 3 Nr. 4 des Formular-Mietvertrags) wird lediglich geregelt, dass die Betriebskosten - insgesamt - nach dem Flächenmaßstab zu verteilen sind. Die Frage eines Vorwegabzugs wird in der Klausel nicht einmal erwähnt.

Ohne Erfolg macht die Revision in diesem Zusammenhang geltend, die Mietvertragsparteien hätten - wie die Abrechnungspraxis der ursprünglichen Vermieterin zeige - die genannte Klausel übereinstimmend dahin verstanden, dass der Vermieter einen Vorwegabzug für die gewerblich genutzten Einheiten vornehmen müsse. Unabhängig davon, ob es sich dabei um neuen, in der Revisionsinstanz unbeachtlichen Tatsachenvortrag handelt, lässt die bloße Abrechnungsweise der Rechtsvorgängerin einen derartigen Schluss nicht zu.

2. Auch aus § 556a Abs. 1 Satz 2 BGB lässt sich, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, nichts für eine Notwendigkeit des von den Klägern geforderten Vorwegabzugs bei der Grundsteuer herleiten. Nach dieser Vorschrift sind Betriebskosten, die von einem erfassten Verbrauch oder von einer erfassten Verursachung durch die Mieter abhängen, nach einem Maßstab umzulegen, der dem unterschiedlichen Verbrauch oder der unterschiedlichen Verursachung Rechnung trägt. Eine erfasste unterschiedliche Verursachung im Sinne dieser Vorschrift scheidet jedoch von vornherein aus, weil die Grundsteuer auf einer einheitlichen Festsetzung durch die Gemeinde beruht und nicht von einem Verhalten der Mieter abhängt. Zudem ergibt sich aus dieser Vorschrift - wie der Senat schon entschieden hat - keine Verpflichtung zu einem Vorwegabzug der auf die gewerblichen Mieter entfallenden Betriebskosten (Senatsurteile vom 8. März 2006 - VIII ZR 78/05, NJW 2006, 1419 Rn. 30; vom 25. Oktober 2006 - VIII ZR 251/05, NJW 2007, 211 Rn. 16).

3. Auch aus Billigkeitsgründen ist der Vermieter nicht zu einem Vorwegabzug für die Gewerbeeinheiten bei der Grundsteuer verpflichtet.

a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist ein Vorwegabzug aus Billigkeitsgründen gemäß §§ 315 , 316 BGB (hierzu Senatsurteile vom 8. März 2006 - VIII ZR 78/05, aaO Rn. 16; vom 25. Oktober 2006 - VIII ZR 251/05, aaO) (nur) dann erforderlich, wenn - wofür der Mieter die Darlegungs- und Beweislast trägt - durch die gewerbliche Nutzung erhebliche Mehrkosten (pro Quadratmeter) entstehen (Senatsurteile vom 11. August 2010 - VIII ZR 45/10, NJW 2010, 3363 Rn. 22; vom 13. Oktober 2010 - VIII ZR 46/10, NZM 2011, 118 Rn. 21 f.; vom 8. März 2006 - VIII ZR 78/05, aaO Rn. 31 und Ls 1; vom 25. Oktober 2006 - VIII ZR 251/05, aaO Rn. 15 f.).

b) Gemessen an diesem Maßstab hat das Berufungsgericht die Notwendigkeit eines Vorwegabzugs bei der Grundsteuer rechtsfehlerfrei verneint.

Wie bereits das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei der Grundsteuer um eine ertragsunabhängige Objektsteuer, das heißt, die in einem Abrechnungsjahr erhobene Steuer hängt grundsätzlich nicht von den in diesem Jahr erzielten Erträgen und ihrer Verteilung auf die Nutzung zu gewerblichen Zwecken einerseits und zu Wohnzwecken andererseits ab. Vielmehr wird die Grundsteuer auf der Basis der vom örtlichen Finanzamt erlassenen Bescheide über den Einheitswert (hier: 110.600 DM bzw. 56.548 €) und den Grundsteuermessbetrag (hier: 565,48 €, errechnet im Wege der Multiplikation des Einheitswertes mit der Steuermesszahl 10 vom Tausend) sowie des von der Gemeinde durch Satzungsbeschluss festgelegten Hebesatzes (in Berlin Multiplikator 8,1 [810 %]) ermittelt.

Zwar findet bei der Festsetzung des Einheitswertes für ein - wie hier - Grundstück mit einem gemischt genutzten Gebäude das Ertragswertverfahren Anwendung (vgl. §§ 36 ff. BewG ). Wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, wird dabei ein in der Vergangenheit festgesetzter Einheitswert (wie hier der Bescheid vom 1. Januar 1996) anlässlich eines Eigentümerwechsels in der Regel nicht aktualisiert, sondern wirkt auch gegenüber dem Rechtsnachfolger (vgl. § 182 Abs. 2 AO ). Zudem erfolgt die Festsetzung des Einheitswertes regelmäßig bezogen auf die Wertverhältnisse zu einem weit zurückliegenden Zeitpunkt - hier auf den 1. Januar 1935. Auch die Revision stellt nicht in Abrede, dass es bei der derzeitigen gesetzlichen Regelung und behördlichen Praxis der Grundsteuererhebung keinen direkten Zusammenhang zwischen der im Abrechnungsjahr anfallenden Grundsteuer und der konkreten Nutzungsaufteilung sowie der konkreten Ertragssituation in diesem Zeitraum gibt. Damit fehlt es aber an der maßgeblichen Voraussetzung eines Vorwegabzugs, dass die gewerbliche Nutzung erhebliche Mehrkosten verursacht, die es unbillig erscheinen lassen, die Kosten (ohne Vorwegabzug) einheitlich nach dem Flächenmaßstab zu verteilen.

Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (Staudinger/ Weitemeyer, Neub. 2014, § 556a BGB Rn. 34 ff. [Rn. 34a: die Aufteilung der Grundsteuer müsse "aus dem Grundsteuermessbescheid herausgerechnet" werden]; Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 12. Aufl., § 556a BGB Rn. 84 bis 89; Langenberg/Zehelein, Betriebskosten und Heizkostenrecht, 8. Aufl., F V Rn. 173, F VI Rn. 202 f.; Wall, Betriebskostenrecht, 4. Aufl., Rn. 3106) ist daher bei der Grundsteuer kein Vorwegabzug "aus Gerechtigkeitsgründen" vorzunehmen. Die Vertreter dieser Auffassung berücksichtigen zum einen den Ausnahmecharakter, der einem Vorwegabzug nach der Rechtsprechung des Senats zukommt, nicht in der gebotenen Weise. Zum anderen wird meist nicht ausreichend erfasst, dass bei dem gegenwärtigen System der Grundsteuererhebung - wie oben ausgeführt - gerade nicht festgestellt werden kann, dass die gewerbliche Nutzung im jeweiligen Abrechnungsjahr deutlich höhere Kosten je Quadratmeter verursacht. Soweit überhaupt erkannt wird, dass es bei der Festsetzung der Grundsteuer für das jeweilige aktuelle Abrechnungsjahr nicht darauf ankommt, ob die Nutzung der Gewerbeflächen und das Verhältnis der Erträge im Abrechnungszeitraum den im Einheitswertbescheid zugrunde gelegten Verhältnissen entspricht (vgl. Langenberg/Zehelein, aaO), wird daraus nicht die nach der Senatsrechtsprechung zum Vorwegabzug notwendige Rechtsfolge gezogen.

Wenn die Revision fordert, der Vermieter müsse für jedes Abrechnungsjahr ermitteln, welche Erträge auf die gewerbliche und auf die Wohnnutzung entfielen, und sodann einen Vorwegabzug in Höhe des Anteils der gewerblichen Nutzung am Gesamtertrag im Abrechnungsjahr vornehmen, verkennt sie, dass dies schon deshalb nicht zu einer von den Klägern eingeforderten "gerechteren" Kostenverteilung führen kann, weil die Höhe der im Abrechnungsjahr jeweils umzulegenden Grundsteuer von diesen Umständen gerade nicht abhängt.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 10. Mai 2017

Vorinstanz: AG Berlin-Pankow-Weißensee, vom 09.07.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 102 C 77/15
Vorinstanz: LG Berlin, vom 15.03.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 63 S 219/15
Fundstellen
MDR 2017, 1117
MietRB 2017, 215
NJW 2017, 8
NZM 2017, 520
ZMR 2017, 877