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BGH - Entscheidung vom 07.06.2017

2 StR 30/16

Normen:
StGB § 46 Abs. 2
StGB § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4

BGH, Urteil vom 07.06.2017 - Aktenzeichen 2 StR 30/16

DRsp Nr. 2017/12814

Berücksichtigung der Tatmotivation im Sinne einer "aus der Tat sprechenden Gesinnung"; Entfallen der Bezeichnung der Tat als "gemeinschaftlich"

Stellt die Strafkammer zum Nachteil in die Strafzumessung ein, dass der Auslöser der Auseinandersetzung "nichtig" gewesen sei, es objektiv keine Veranlassung für eine "Abreibung" und damit für die Tatbegehung keinen nachvollziehbaren Grund gegeben habe, hat sie dem Angeklagten damit nicht das Fehlen verständlicher Motive strafschärfend zur Last gelegt.

Tenor

1.

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 24. März 2015 wird, soweit es ihn betrifft, mit der Maßgabe verworfen, dass die Bezeichnung der Tat als "gemeinschaftlich" entfällt und ein Monat der gegen den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe als vollstreckt gilt.

2.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Normenkette:

StGB § 46 Abs. 2 ; StGB § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision bleibt im Wesentlichen erfolglos.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts bewohnte der Zeuge L. seit ca. April 2014 die Wohnung des W. in L. . Diese hatte ihm der Angeklagte N. , der das Geld an W. , seinen Bruder, weiterleiten musste, gegen ein Entgelt von monatlich 100 € zur Verfügung gestellt. Der Zeuge L. , der keine Einkünfte, aber unregelmäßig die Möglichkeit hatte, über den Angeklagten N. kleinere Gelegenheitsarbeiten entgeltlich auszuführen, hatte grundsätzlich Anspruch auf Sozialleistungen, erhielt aber tatsächlich keine Auszahlungen. Zum Tatzeitpunkt standen jedenfalls zwei Mietzahlungen in Höhe von insgesamt 200 € aus.

Am Abend des 16. Juni 2014 schauten sich der Angeklagte N. und der Mitangeklagte E. gemeinsam ein Fußballspiel im Fernsehen an, tranken dabei Alkohol und konsumierten Drogen. Im Laufe des Abends sprachen sie auch über den Nebenkläger L. . Dabei zeigte sich der Angeklagte N. verärgert darüber, dass dieser ihm noch Mietzahlungen schuldete und zudem mit Dritten über illegale Geldgeschäfte des Angeklagten gesprochen hatte, die über das Konto des L. abgewickelt worden waren. Der Angeklagte N. entschloss sich, dem Zeugen L. eine "Abreibung" zu verpassen; E. erklärte sich bereit, ihn zu begleiten.

In Ausführung des Tatplans lockte der Angeklagte N. L. gegen 2.00 Uhr am 17. Juni 2014 in ein Waldgebiet. Ein zunächst verbal geführter Streit eskalierte. Der Angeklagte N. schlug dem Zeugen mit den Händen, an denen er Quarzhandschuhe trug, ins Gesicht. Dieser fiel zu Boden, stand aber sofort wieder auf. N. schlug und trat weiter auf den Zeugen L. ein. Nunmehr griff der Mitangeklagte E. in den Kampf ein. Dabei setzte er - was weder abgesprochen war noch von dem Angeklagten N. gebilligt wurde - ein von ihm mitgeführtes Messer ein und stach mindestens vier Mal auf den Zeugen ein. In diesem Moment ließ der Angeklagte N. von dem Zeugen ab. Nach den Messerstichen stand der Nebenkläger auf, stürzte beim Weglaufen einen kleinen Hang hinunter und fiel in einen Bach. Daraufhin schoss der Mitangeklagte E. aus einer von ihm ohne Kenntnis des N. mitgeführten Schusswaffe zwei Mal in Richtung des Zeugen L. und traf ihn - dessen Tod billigend in Kauf nehmend - im Bereich der linken Hüfte. N. forderte E. auf, nicht weiter auf den Zeugen einzuwirken, der deshalb den Tatort ungehindert über die Böschung an der anderen Seite des Bachs verlassen konnte. Er konnte in einem Wohngebiet Hilfe erlangen und wurde anschließend in einem Krankenhaus notoperiert. Einer der Stiche hatte lebensbedrohlich seine Milz verletzt, die später entfernt werden musste.

Das Landgericht hat den Angeklagten N. wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 StGB verurteilt und ihm die Handlungen des Mitangeklagten E. nicht zugerechnet.

II.

Die Revision des Angeklagten bleibt im Wesentlichen ohne Erfolg.

1. Der Schuldspruch ist frei von Rechtsfehlern, der Senat hat lediglich den Urteilstenor berichtigt, da die mittäterschaftliche Begehungsweise nicht in den Tenor aufzunehmen ist.

2. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Soweit die Strafkammer zum Nachteil in die Strafzumessung eingestellt hat, dass der Auslöser der Auseinandersetzung "nichtig" gewesen sei, es objektiv keine Veranlassung für eine "Abreibung" und damit für die Tatbegehung keinen nachvollziehbaren Grund gegeben habe, hat sie ihm damit nicht das Fehlen verständlicher Motive strafschärfend zur Last gelegt (vgl. Senat, Urteil vom 24. August 2016 - 2 StR 504/15, NStZ 2017, 84 ; Beschluss vom 23. März 2011 - 2 StR 35/11; Beschluss vom 17. April 2012 - 2 StR 73/12, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 37; Urteil vom 9. Oktober 2013 - 2 StR 119/13, NStZ 2014, 512 ; Beschluss vom 15. September 2015 - 2 StR 21/15, NStZ-RR 2016, 40 ). Mit ihren Formulierungen stellte die Strafkammer ersichtlich auf das der Tat zugrunde liegende Motiv ab und sah insoweit - rechtlich unangreifbar - ein auffälliges Missverhältnis zwischen Anlass und Tat. Gegen diese Berücksichtigung der Tatmotivation im Sinne einer "aus der Tat sprechenden Gesinnung" gemäß § 46 Abs. 2 StGB ist rechtlich nichts zu erinnern (Senat, Urteil vom 24. August 2016 - 2 StR 504/15, NStZ 2017, 84 ).

b) Mit der weiteren Erwägung der Strafkammer, der Angeklagte habe auf die Zahlungen der Miete warten können (anstatt dem Nebenkläger eine Abreibung zu verpassen), bringt das Landgericht der Sache nach (erneut) zum Ausdruck, dass das der Tat zugrunde liegende Motiv auf eine dem Angeklagten vorwerfbare und im Rahmen der Strafzumessung zu seinen Lasten zu berücksichtigende "Gesinnung" hindeutet. Ihm wird damit nicht angelastet, dass er die Tat überhaupt begangen und nicht von einer Tatbegehung Abstand genommen habe (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2016 - 1 StR 669/15, StV 2017, 34 ; s. auch Senat, Urteil vom 9. Oktober 2013 - 2 StR 119/13, NStZ 2014, 512 ).

3. Zur Kompensation der langen Dauer des Revisionsverfahrens war anzuordnen, dass ein Monat der verhängten Freiheitsstrafe als vollstreckt gilt. Das Revisionsverfahren hat aus Gründen, die der Angeklagte mit Blick auf Erkrankungen und urlaubsbedingte Abwesenheit beteiligter Richter nicht zu vertreten hat, fünfzehn Monate und damit zu lange gedauert.

Von Rechts wegen

Vorinstanz: LG Köln, vom 24.03.2015