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BGH - Entscheidung vom 19.07.2017

XII ZB 66/17

Normen:
ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 1-2

BGH, Beschluss vom 19.07.2017 - Aktenzeichen XII ZB 66/17

DRsp Nr. 2017/11032

Bemessung des Werts der Beschwer eines Rechtsmittels gegen die Verpflichtung zur Auskunftserteilung; Heranziehung des Aufwands an Zeit und Kosten zur sorgfältigen Erteilung der geschuldeten Auskunft; Eingeschränkte Überprüfung des dem Beschwerdegericht bei der Bemessung der Beschwer eingeräumten Ermessensspielraums im Rechtsbeschwerdeverfahren; Berücksichtigung der Kosten der Zuziehung einer sachkundigen Hilfsperson bei der Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes

1. Der Wert der Beschwer eines Rechtsmittels gegen die Verpflichtung zur Auskunftserteilung bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelführers, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Grundsätzlich ist dafür auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert.2. Zur Bewertung des vom Auskunftspflichtigen aufzuwendenden Zeitaufwands ist grundsätzlich auf die Stundensätze zurückzugreifen, die der Auskunftspflichtige als Zeuge in einem Zivilprozess erhalten würde, wenn er mit der Erteilung der Auskunft weder eine berufstypische Leistung erbringt noch einen Verdienstausfall erleidet. Dabei ist regelmäßig davon auszugehen, dass die zur Auskunftserteilung erforderlichen Tätigkeiten in der Freizeit erbracht werden können. Es ist daher rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Zeitaufwand entsprechend den Bestimmungen des JVEG über die Entschädigung von Zeugen bewertet und dabei auf den in § 20 JVEG festgelegten Stundensatz von 3,50 € zurückgegriffen wird.3. Die Kosten der Zuziehung einer sachkundigen Hilfsperson können bei der Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes nur berücksichtigt werden, wenn und soweit sie zwangsläufig entstehen, weil der Auskunftspflichtige zu einer sachgerechten Auskunftserteilung nicht in der Lage ist.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Januar 2017 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.

Wert: bis 500 €

Normenkette:

ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 1 -2;

Gründe

I.

Die 18jährige, in Ausbildung befindliche und im Haushalt ihrer Mutter lebende Antragstellerin nimmt den Antragsgegner, ihren Vater, auf näher spezifizierte Auskunft über sein Einkommen und Vorlage entsprechender Belege in Anspruch, um die Abänderbarkeit eines am 20. Juni 2011 geschlossenen Unterhaltsvergleichs zu überprüfen. Das Amtsgericht hat den Anträgen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Antragsgegners verworfen; hiergegen richtet sich seine Rechtsbeschwerde.

II.

Die gemäß §§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG , 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 , 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern, § 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO .

1. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Beschwerde des Antragstellers sei unzulässig, da die Mindestbeschwer von mehr als 600 € nicht erreicht sei. Abzustellen sei auf den Aufwand an Zeit und Kosten, den die Erteilung der Auskunft und die Erfüllung der Belegpflicht erforderte. Zur Bewertung des Zeitaufwands sei auf die Stundensätze zurückzugreifen, die der Auskunftspflichtige als Zeuge in einem Zivilprozess erhalten würde. Gemäß § 20 JVEG sei hier ein Stundensatz von 3,50 € anzusetzen. Dass für das Heraussuchen und Kopieren der Belege und gegebenenfalls Übertragen der Daten aus vorhandenen Belegen in ein zu erstellendes Verzeichnis ein Aufwand von mindestens 172 Stunden erforderlich sei, bei dem erst der Mindestbeschwerdewert erreicht würde, sei weder ersichtlich noch dargetan. Im Gegenteil habe der Antragsgegner angegeben, er benötige für eine güterrechtliche Auskunft 20 Stunden. Dass der Zeitaufwand für eine Auskunft über die Einkommensverhältnisse derart viel höher wäre, sei nicht zu erkennen.

Bei der Bewertung sei auch nicht auf die Kosten eines Steuerberaters abzustellen, da die Verpflichtung des Antragsgegners gegenüber seiner Tochter persönlicher Natur sei. Das gelte sowohl in Bezug auf Unterlagen, die bereits erstellt seien, als auch für noch zu erstellende Unterlagen. Die Kosten für die Hinzuziehung einer sachkundigen Person könnten nur berücksichtigt werden, wenn der Auskunftspflichtige zu einer sachgerechten Auskunftserteilung nicht in der Lage sei. Diese Voraussetzung sei nicht nachvollziehbar dargetan, zumal sich die Auskunftsverpflichtung, auch wenn daneben noch eine Belegvorlage geschuldet sei, im Wesentlichen im Zusammenstellen und Vorlegen von Belegen erschöpfe und im Einzelfall durch das Übertragen von Daten aus Belegen in ein Verzeichnis zu erfüllen sei.

Es bestehe auch kein werterhöhendes Geheimhaltungsinteresse des Antragsgegners in Bezug darauf, dass er in einem anderen Verfahren von der Mutter der Antragstellerin auf Zugewinnausgleich in Anspruch genommen werde. Denn ihr gegenüber sei der Antragsgegner güterrechtlich zur Auskunftserteilung über seine Vermögensverhältnisse verpflichtet. Die im vorliegenden Verfahren verlangten Auskünfte könnten entweder von der Kindesmutter ohnehin beansprucht werden oder seien für das Zugewinnausgleichsverfahren irrelevant.

2. Diese Ausführungen stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats.

a) Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass sich der Wert der Beschwer eines Rechtsmittels gegen die Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht nach dem - mit dem Auskunftsanspruch vorbereiteten beabsichtigten Leistungsanspruch bemisst, sondern nach dem Interesse des Rechtsmittelführers, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Grundsätzlich ist dafür auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (vgl. BGHZ-GSZ 128, 85, 87 f.; Senatsbeschlüsse vom 27. Juli 2016 - XII ZB 53/16 - FamRZ 2016, 1681 Rn. 6; vom 22. Januar 2014 - XII ZB 278/13 - FamRZ 2014, 644 Rn. 6 mwN und vom 14. Februar 2007 - XII ZB 150/05 - FamRZ 2007, 711 Rn. 6 mwN).

Dabei kann der dem Beschwerdegericht bei der Bemessung der Beschwer eingeräumte Ermessensspielraum im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob das Beschwerdegericht die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (Senatsbeschluss vom 27. Juli 2016 - XII ZB 53/16 - FamRZ 2016, 1681 Rn. 7 mwN).

b) Derartige Fehler liegen hier nicht vor.

aa) Zur Bewertung des vom Auskunftspflichtigen aufzuwendenden Zeitaufwands ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich auf die Stundensätze zurückzugreifen, die der Auskunftspflichtige als Zeuge in einem Zivilprozess erhalten würde, wenn er mit der Erteilung der Auskunft weder eine berufstypische Leistung erbringt noch einen Verdienstausfall erleidet. Dabei ist regelmäßig davon auszugehen, dass die zur Auskunftserteilung erforderlichen Tätigkeiten in der Freizeit erbracht werden können. Es ist daher rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht den Zeitaufwand des Antragstellers entsprechend den Bestimmungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes ( JVEG ) über die Entschädigung von Zeugen bewertet und dabei auf den in § 20 JVEG festgelegten Stundensatz von 3,50 € zurückgegriffen hat. Ebenso ist nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht hinsichtlich des aufzuwendenden Zeitumfangs auf die eigenen Angaben des Antragsgegners zurückgegriffen hat, wonach er "für eine güterrechtliche Auskunft" 20 Stunden benötige. Dies durfte so verstanden werden, dass der Antragsgegner einen darüber hinausgehenden Aufwand auch für die hier zu erteilende unterhaltsrechtliche Auskunft nicht behaupten wollte. Daraus ergibt sich ein Eigenaufwand in der Größenordnung von (20 x 3,50 € =) 70 €.

bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist ein den Mindestbeschwerdewert übersteigender Aufwand auch nicht durch die Hinzuziehung eines Steuerberaters veranlasst. Die Kosten der Zuziehung einer sachkundigen Hilfsperson können bei der Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes nämlich nur berücksichtigt werden, wenn und soweit sie zwangsläufig entstehen, weil der Auskunftspflichtige zu einer sachgerechten Auskunftserteilung nicht in der Lage ist (Senatsbeschlüsse vom 16. März 2016 - XII ZB 503/15 - FamRZ 2016, 1348 Rn. 10 und vom 28. Oktober 2015 - XII ZB 524/14 - FamRZ 2016, 116 Rn. 13).

Das wäre vorliegend nur dann der Fall, wenn der angefochtene Beschluss den Antragsgegner dazu verpflichten würde, als Beleg detaillierte Verzeichnisse über das betriebliche Anlagevermögen und dessen steuerliche Abschreibung vorzulegen, welche erst noch erstellt werden müssten. Selbst wenn der Antragsgegner ein solches Verzeichnis nicht ohne Zuhilfenahme seines Steuerberaters erstellen könnte, beliefen sich die dafür erforderlichen Kosten nach dem vom Antragsgegner vorgelegten Angebot seines Steuerberaters auf lediglich 250 € zuzüglich Umsatzsteuer, insgesamt somit 297,50 €. Zusammengerechnet mit dem eigenen Stundenaufwand des Antragsgegners ergibt sich insoweit eine Beschwer von 367,50 €.

Soweit der angefochtene Beschluss den Antragsgegner weiter verpflichtet, eine Eigenkapitalgliederung der Gesellschaft als Beleg vorzulegen, fehlt es an hinreichender Darlegung, dass es dazu einer weiteren Befassung des Steuerberaters bedarf. Gemäß § 266 Abs. 3 Buchstabe A HGB ist die Gliederung des Eigenkapitals in Kapitalrücklage, Gewinnrücklagen, Gewinn- und Verlustvortrag sowie Jahresüberschuss bzw. -fehlbetrag bereits Gegenstand der aufzustellenden Jahresbilanz, wobei § 272 HGB bestimmt, wie sich die einzelnen Posten des Eigenkapitals zusammensetzen. Da der Jahresabschluss nach Darstellung des Antragsgegners bereits vorliegt, genügt die darin aufgeführte Eigenkapitalgliederung als Erfüllung dieser Belegpflicht.

Der Hinzuziehung eines Steuerberaters bedarf es auch nicht für den dem Antragsgegner weiter aufgegebenen Beleg über die von ihm aus nichtselbständiger Arbeit in der Zeit von August 2015 bis Juli 2016 erhaltenen Spesen und die anderen Sonderleistungen. Ebenso wie ein Arbeitnehmer ist auch der Antragsgegner in der Lage, seine Spesenabrechnungen und die ihm gewährten Sonderleistungen anhand der ihm vorliegenden oder dem Steuerberater übergebenen und von ihm zurückzufordernden Unterlagen selbst zusammenzustellen.

cc) Schließlich hat der Antragsgegner auch ein den Beschwerdewert erhöhendes besonderes Geheimhaltungsinteresse nicht dargelegt. Im Übrigen wird auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG ).

Vorinstanz: AG Viersen, vom 10.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 27 F 169/16
Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 26.01.2017 - Vorinstanzaktenzeichen II-5 UF 231/16