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BGH - Entscheidung vom 12.04.2017

XII ZB 254/16

Normen:
BGB §§ 1360 a Abs. 4 S. 1, 1361 Abs. 4 S. 4
BGB § 1360a Abs. 4 S. 1
BGB § 1361 Abs. 4 S. 4
FamFG § 70 Abs. 1
BGB § 1360a Abs. 4 S. 1
BGB § 1361 Abs. 4 S. 4
BGB § 1578

Fundstellen:
FamRB 2017, 291
FamRZ 2017, 1052
MDR 2017, 720
NJW 2017, 1960
NJW 2017, 8

BGH, Beschluss vom 12.04.2017 - Aktenzeichen XII ZB 254/16

DRsp Nr. 2017/5998

Anspruchsbegehren des geschiedenen Ehegatten auf Verfahrenskostenvorschuss nach Rechtskraft der Scheidung; Beschränkung des Verfahrenskostenvorschusses auf den Trennungsunterhalt

Nach Rechtskraft der Scheidung kann zwischen den geschiedenen Ehegatten kein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss mehr entstehen (im Anschluss an die Senatsbeschlüsse vom 25. November 2009 - XII ZB 46/09 - FamRZ 2010, 189 und vom 23. März 2005 - XII ZB 13/05 - FamRZ 2005, 883 sowie Senatsurteil BGHZ 89, 33 = FamRZ 1984, 148 ).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 12. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts München vom 27. April 2016 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Normenkette:

FamFG § 70 Abs. 1 ; BGB § 1360a Abs. 4 S. 1; BGB § 1361 Abs. 4 S. 4; BGB § 1578 ;

Gründe

I.

Die geschiedene Antragstellerin macht einen Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss geltend.

Die Beteiligten, die am 9. Oktober 1987 geheiratet hatten, trennten sich im Februar 2003. Der Scheidungsantrag wurde der Antragstellerin am 4. Juni 2004 zugestellt. Zum Verbund machte sie unter anderem die Folgesache Zugewinnausgleich anhängig. Am 3. Juni 2011 gab das Amtsgericht einem Antrag des Antragsgegners auf vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft statt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Antragstellerin blieb ohne Erfolg. Die Folgesache Zugewinnausgleich wurde daraufhin mit Beschluss des Amtsgerichts vom 2. Mai 2012 abgetrennt und als selbständiges Zugewinnausgleichsverfahren weitergeführt. Seit 30. Juli 2012 sind die Beteiligten rechtskräftig geschieden. Durch Beweisbeschluss vom 9. Dezember 2015 legte das Amtsgericht im Zugewinnausgleichsverfahren der Antragstellerin einen Sachverständigenvorschuss in Höhe von 10.000 € auf.

Im Wege einer einstweiligen Anordnung vom 12. Februar 2009 hatte das Amtsgericht den Antragsgegner im Scheidungsverbund verpflichtet, einen Prozesskostenvorschuss in Höhe von 59.363,15 € zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 30. August 2011 beantragte die Antragstellerin, den Antragsgegner durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, sämtliche zur Fortführung und Beendigung des güterrechtlichen Verfahrens anfallenden Sachverständigengebühren und die Kosten des Anordnungsverfahrens im Wege des Verfahrenskostenvorschusses zu zahlen. Hilfsweise begehrte sie die Feststellung, dass der Antragsgegner hinsichtlich der noch anfallenden Gerichts- und Sachverständigenkosten gegenüber der Antragstellerin verfahrenskostenvorschusspflichtig ist. Diese Anträge wies das Amtsgericht zurück.

Mit Schriftsatz vom 18. Juli 2012, dem Antragsgegner zugestellt am 24. Juli 2012, hat die Antragstellerin hinsichtlich der zukünftigen Gerichts- und Sachverständigenkosten im Zugewinnausgleichsverfahren in der Hauptsache einen Feststellungsantrag erhoben. Insoweit begehrt sie zuletzt neben der Feststellung der Verfahrenskostenvorschusspflicht des Antragsgegners für alle im güterrechtlichen Verfahren noch anfallenden Gerichts- und Sachverständigenkosten die Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses in Höhe von 10.000 € für die Sachverständigenkosten aus dem Beweisbeschluss vom 9. Dezember 2015.

Das Amtsgericht hat festgestellt, dass der Antragsgegner hinsichtlich der im güterrechtlichen Verfahren noch anfallenden Gerichts- und Sachverständigenkosten bis zu einem Betrag von 47.943,45 € verfahrenskostenvorschusspflichtig ist. Auf die hiergegen gerichteten Beschwerden beider Beteiligter hat das Oberlandesgericht unter Zurückweisung der Beschwerde der Antragstellerin den Antrag der Antragstellerin insgesamt abgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihren Antrag vollumfänglich weiterverfolgt.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil sie das Beschwerdegericht in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat (§ 70 Abs. 1 FamFG ). Der Senat ist an die Zulassung gebunden.

In der Sache ist die Rechtsbeschwerde indessen nicht begründet.

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Antragstellerin könne weder im Wege des Leistungsantrags den geforderten Verfahrenskostenvorschuss verlangen, noch habe sie Anspruch auf die Feststellung, der Antragsgegner schulde ihr einen Verfahrenskostenvorschuss in unbegrenzter Höhe oder bis zu einer Höhe von 47.943,45 €. Soweit sie einen Leistungsantrag erhebe, gebe es keine gesetzliche Grundlage für einen Verfahrenskostenvorschuss, weil die Ehe der Beteiligten bereits rechtskräftig geschieden worden sei. Der Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss sei unterhaltsrechtlicher Natur. Ein solcher Anspruch werde in § 1360 a Abs. 4 BGB allein für den Familienunterhalt postuliert. Die Anordnung einer entsprechenden Anwendung in § 1361 Abs. 4 BGB beziehe sich nur auf den Trennungsunterhalt. Für den nachehelichen Unterhalt, der als Nachwirkung früherer ehelicher Verantwortung nur unter den Voraussetzungen der §§ 1570 ff. BGB geschuldet sei, habe der Gesetzgeber bewusst keine Regelung für einen Verfahrenskostenvorschuss getroffen.

Eine Säumnis des Antragsgegners dahingehend, dass er etwa den vor Rechtskraft der Scheidung zuerkannten Vorschuss bis zur Rechtskraft nicht gezahlt oder sich hinsichtlich des Vorschusses in Verzug befunden hätte, liege hier nicht vor. Auch sei vorliegend nicht ein Antrag auf Vorschuss rechtshängig geworden, über den bis zur rechtskräftigen Entscheidung noch nicht entschieden worden sei. Das Amtsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass sich der Antragsgegner zumindest in Höhe eines Betrages von 47.943,45 € hinsichtlich des Verfahrenskostenvorschusses in Verzug befunden habe. Wenn die Antragstellerin auch in dem Verfahren, das zu der einstweiligen Anordnung vom 12. Februar 2009 über 59.363,15 € führte, insgesamt 107.306,60 € an Verfahrenskostenvorschuss verlangt habe, sei der weitergehende Antrag nicht rechtshängig geblieben. Auch der auf Feststellung gerichtete Antrag vom 30. August 2011 sei vom Amtsgericht zurückgewiesen worden. Und der Feststellungsantrag vom 18. Juli 2012 habe wegen des anderen Verfahrensgegenstands keine Rechtshängigkeit hinsichtlich des Leistungsantrags über 10.000 € begründen können.

Durch den Feststellungsantrag habe auch kein Leistungsanspruch begründet werden können, da § 256 ZPO keinen sachlich-rechtlichen Anspruch gewähre, sondern nur für bestehende sachlich-rechtliche Ansprüche unter bestimmten Voraussetzungen eine besondere Rechtsschutzform gewähre. Dass der Antragsgegner nach der Gesetzesänderung im Jahr 2009 von der Möglichkeit der vorzeitigen Aufhebung des Güterstands Gebrauch gemacht habe, lasse keine Arglist oder Säumnis des Antragsgegners erkennen. Im Übrigen setze ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss einen konkreten Bedarf wegen einer entstandenen Verpflichtung zur Zahlung von Verfahrens- oder Rechtsanwaltskosten voraus. Eine solche Verpflichtung habe aber unstreitig für die Antragstellerin vor Rechtskraft der Scheidung über die ihr bereits zugesprochenen - und vom Antragsgegner gezahlten - 59.363,15 € hinaus nicht bestanden. Ein Feststellungsinteresse hinsichtlich eines Verfahrenskostenvorschusses in unbegrenzter Höhe oder bis zu einer Höhe von 47.943,45 € bestehe daher nicht. Schließlich wäre der Feststellungsantrag der Antragstellerin auch unbegründet, da die im Rahmen des § 1360 a Abs. 4 BGB erforderliche Billigkeitsabwägung derzeit mangels konkreter Anhaltspunkte nicht vorgenommen werden könnte.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats schuldet ein geschiedener Ehegatte seinem früheren Ehegatten keinen Verfahrenskostenvorschuss. Zwar umfasst das Maß des Anspruchs auf nachehelichen Ehegattenunterhalt nach § 1578 BGB - ebenso wie im Fall des Familienunterhalts nach § 1360 a Abs. 1 BGB - grundsätzlich den gesamten Lebensbedarf. Gleichwohl ist dem Ehegatten in § 1360 a Abs. 4 BGB ausdrücklich ein über diesen allgemeinen Lebensbedarf hinausgehender Anspruch auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses zugebilligt worden. Diese Regelung ist indessen nach ihrem Wortlaut auf den Familienunterhalt - und durch die Bezugnahme in § 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB auf den Trennungsunterhalt - beschränkt. Für den nachehelichen Unterhalt ist § 1360 a Abs. 4 BGB auch nicht entsprechend anwendbar, weil diese unterhaltsrechtliche Beziehung nicht in gleichem Umfang Ausdruck einer besonderen Verantwortung des Verpflichteten für den Berechtigten ist, die derjenigen von Ehegatten vergleichbar ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. November 2009 - XII ZB 46/09 - FamRZ 2010, 189 Rn. 8 und vom 23. März 2005 - XII ZB 13/05 - FamRZ 2005, 883 , 885 sowie Senatsurteil BGHZ 89, 33 , 39 f. = FamRZ 1984, 148 f. aA [für abgetrennte Folgesachen]: [...]. Großkommentar/Preisner [Stand: 1. April 2017] § 1360 a Rn. 212; Palandt/ Brudermüller BGB 76. Aufl. § 1360 a Rn. 10).

b) Ob eine Vorschusspflicht für eine im Verbund anhängig gemachte Folgesache auch nach deren Abtrennung und nach Rechtskraft der Scheidung fortbestehen kann, wenn zuvor rechtzeitig ein entsprechender Antrag gestellt wurde und der Berechtigte damit alles zur Verwirklichung seines Anspruchs getan hat (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 431 zur Weiterverfolgung des Vorschussanspruchs im Unterhaltsrechtstreit des Kindes gegen den Vater nach Beendigung der Instanz; OLG Frankfurt FamRZ 1993, 1465 ) oder wenn der Verpflichtete sich hinsichtlich des Vorschusses in Verzug befand (vgl. dazu OLG Frankfurt MDR 2005, 590 f. mwN), bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein weiterer Verfahrenskostenvorschussanspruch der Antragstellerin vor Rechtskraft der Scheidung nicht entstanden ist. Ein Vorschuss nach §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360 a Abs. 4 Satz 1 BGB kann nur verlangt werden, wenn und solange (vgl. dazu Senatsbeschluss BGHZ 94, 316 , 321 = FamRZ 1985, 802 , 803) der bedürftige Ehegatte selbst dem Gericht (oder seinem Rechtsanwalt) gegenüber vorschusspflichtig ist. Die Vorauszahlungspflicht der Antragstellerin für die Sachverständigenkosten ist aber nicht bereits dadurch eingetreten, dass sie die güterrechtliche Folgesache zum Verbund anhängig gemacht hat, sondern nach §§ 112 Nr. 2 , 113 Abs. 1 FamFG , 402 , 379 ZPO , 16 FamGKG erst durch die Anordnung der Vorschusszahlung im Beweisbeschluss vom 9. Dezember 2015 (vgl. Meyer GKG/FamGKG 15. Aufl. § 16 FamGKG Rn. 1, § 17 GKG Rn. 24). Zu diesem Zeitpunkt waren die Beteiligten bereits über zwei Jahre rechtskräftig geschieden und jegliche Vorschusspflicht des Antragsgegners damit erloschen. Auch ein Verzug des Antragsgegners hinsichtlich der Vorschusszahlung scheidet danach aus.

c) Schließlich konnte die Antragstellerin einen Verfahrenskostenvorschuss auch nicht dadurch erlangen, dass sie sechs Tage vor Rechtskraft der Scheidung einen entsprechenden Feststellungsantrag erhoben hat. Das Beschwerdegericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass dieser Antrag mangels Feststellungsinteresses bei einer erst nach der Rechtskraft der Scheidung angeordneten Vorauszahlungspflicht unzulässig ist. Denn ein Feststellungsantrag nach § 256 ZPO setzt ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis voraus.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 12. April 2017

Vorinstanz: AG München, vom 19.10.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 568 F 7777/12
Vorinstanz: OLG München, vom 27.04.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 12 UF 98/13
Fundstellen
FamRB 2017, 291
FamRZ 2017, 1052
MDR 2017, 720
NJW 2017, 1960
NJW 2017, 8