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BGH - Entscheidung vom 24.01.2017

IV ZR 107/16

Normen:
ZPO § 552a

BGH, Beschluss vom 24.01.2017 - Aktenzeichen IV ZR 107/16

DRsp Nr. 2017/1932

Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens im Rahmen der Europarechtswidrigkeit des Policenmodells

Auf eine mögliche Europarechtswidrigkeit des Policenmodells kommt es nicht an, wenn sich der Versicherungsnehmer selbst widersprüchlich verhalten hat. Da es einem Versicherungsnehmer bei Belehrung über seine Widerspruchsrechte möglich ist, dem Vertragsabschluss zu widersprechen, ist es ihm verwehrt, sich auf eine Unwirksamkeit des Vertrages zu berufen, wenn er diesen jahrelang durchgeführt hat.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 11. März 2016 wird gemäß § 552a Satz 1 ZPO auf Kosten der Klägerseite zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 15.120,65 € festgesetzt.

Normenkette:

ZPO § 552a;

Gründe

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) war gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat hat die Parteien mit Beschluss vom 12. Dezember 2016 auf die beabsichtigte Zurückweisung hingewiesen. Auf die dortigen Gründe wird ergänzend Bezug genommen.

Der Schriftsatz des Klägervertreters vom 22. Dezember 2016 gibt keine Veranlassung, von der Zurückweisung der Revision abzusehen.

Soweit dort darauf hingewiesen wird, die Revision sei auf die Europarechtswidrigkeit des Policenmodells insgesamt gestützt, begründet dies im Streitfall keine Pflicht zu einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union, da es auf diese Frage hier nicht entscheidungserheblich ankommt. Wie der Senat in seinem Hinweisbeschluss näher ausgeführt hat, wäre es dem Kläger, der trotz Belehrung darüber, dass er den Vertrag nicht zustande kommen lassen musste, diesen bis zum Widerspruch über viele Jahre durchgeführt hat, wegen widersprüchlichen Verhaltens verwehrt, sich bei unterstellter Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells auf eine Unwirksamkeit des Vertrages zu berufen. Die Frage einer möglichen Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union in einem Fall, in dem kein widersprüchliches Verhalten des Versicherungsnehmers festgestellt werden kann, stellt sich im Streitfall nicht.

Entgegen der Ansicht der Revision sind die Maßstäbe für die Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben auch in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt (siehe im Einzelnen Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 41 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 4. März 2015 - 1 BvR 3280/14, [...] Rn. 31 ff. m.w.N.) und die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens steht in Fällen wie dem vorliegenden in Einklang mit dieser Rechtsprechung (vgl. Senatsurteil aaO; vgl. auch BVerfG aaO).

Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben beeinträchtigt auch angesichts der besonderen Umstände des Streitfalles die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts nicht. Die Erwägungen der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung der Versicherungsnehmer über ihr Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen, werden auch hier nicht berührt, denn entscheidend ist im Streitfall, dass d. VN, der dem geltenden nationalen Recht entsprechend ordnungsgemäß über die Möglichkeit belehrt worden ist, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen gleichwohl in Vollzug gesetzt und ihn über viele Jahre durchgeführt hat (vgl. ergänzend Senatsurteil vom 10. Juni 2015 - IV ZR 105/13, VersR 2015, 876 Rn. 13 f.).

Vorinstanz: LG Köln, vom 02.11.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 26 O 83/15
Vorinstanz: OLG Köln, vom 11.03.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 20 U 213/15