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BGH - Entscheidung vom 25.04.2017

VIII ZR 208/16

Normen:
ZPO § 543 Abs. 2 S. 1
ZPO § 552a

BGH, Beschluss vom 25.04.2017 - Aktenzeichen VIII ZR 208/16

DRsp Nr. 2017/7290

"Angriff einer bewussten aber vom erstinstanzlichen Gericht zu Unrecht angenommenen Teilrücknahme" im Wege der Berufung; Rechtfertigung der Zulassung der Revision

Die bewusste Entscheidung eines Gerichts, über einen seiner Auffassung nach nicht oder nicht mehr anhängigen Anspruch nicht zu entscheiden, kann nur mit einem Rechtsmittel angefochten werden, während das Urteilsergänzungsverfahren lediglich auf die Schließung einer - auch nur vermeintlichen - Entscheidungslücke gerichtet und deshalb unzulässig ist, wenn es nur die Korrektur einer inhaltlich falschen Entscheidung zum Ziel hat.

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten durch einstimmigen Beschluss gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.

Normenkette:

ZPO § 543 Abs. 2 S. 1; ZPO § 552a;

Gründe

1. Es besteht kein Grund für die Zulassung der Revision. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch liegt einer der anderen in § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO genannten Gründe für die Zulassung der Revision vor.

Das Berufungsgericht hat die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, "ob eine bewusste, aber [vom erstinstanzlichen Gericht] zu Unrecht angenommene Teilrücknahme" im Wege der Berufung angegriffen werden kann. Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil in der höchstrichterlichen Rechtsprechung - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - bereits geklärt ist, dass die bewusste Entscheidung eines Gerichts, über einen seiner Auffassung nach nicht oder nicht mehr anhängigen Anspruch nicht zu entscheiden, (nur) mit einem Rechtsmittel angefochten werden kann, während das Urteilsergänzungsverfahren nach § 321 ZPO lediglich auf die Schließung einer - auch nur vermeintlichen - Entscheidungslücke gerichtet und deshalb unzulässig ist, wenn es nur die Korrektur einer inhaltlich falschen Entscheidung zum Ziel hat. Dies ergibt sich (unter anderem) aus dem auch vom Berufungsgericht zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. August 2009 ( VII ZR 205/07, BGHZ 182, 158 Rn. 70, vgl. auch BGH, Urteile vom 16. Dezember 2005 - V ZR 230/04, NJW 2006, 1351 Rn. 13 sowie vom 27. November 1979 - VI ZR 40/78, NJW 1980, 840 , unter II 2 b [durch unrichtige Auslegung des Klageantrags verursachte Nichtbescheidung]).

2. Die Revision der Beklagten hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Sie wendet gegen die auf die Berufung der Kläger erfolgte Verurteilung der Beklagten zur Räumung ihrer Mietwohnung vergeblich ein, das Berufungsgericht habe zu Unrecht die Zulässigkeit der Berufung bejaht.

Das Amtsgericht hat angenommen, dass der Räumungsantrag nicht mehr anhängig war, weil die Kläger ihn im Termin vom 23. Juni 2014 konkludent zurückgenommen und die Beklagten der teilweisen Klagrücknahme stillschweigend zugestimmt hätten. Damit hat es eine Entscheidung über den Räumungsantrag bewusst nicht getroffen, weil es den Antrag für nicht mehr anhängig gehalten hat. Diese fehlerhafte Entscheidung haben die Kläger, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, zulässigerweise mit ihrer Berufung angegriffen.

Entgegen der Auffassung der Revision liegt nicht deshalb ein bloß versehentliches Übergehen des Räumungsantrags vor, weil die irrige Annahme des Amtsgerichts, die Kläger hätten den Räumungsantrag in der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2014 nicht gestellt (und deshalb "konkludent zurückgenommen"), letztlich auf einer oberflächlichen Lektüre der in der Verhandlung vom 23. Juni 2014 gestellten Anträge beruhte. Denn dies ändert nichts daran, dass das Amtsgericht eine bewusste Entscheidung über die Nichtbescheidung des - seiner Auffassung nicht mehr anhängigen - Räumungsantrages getroffen hat. Eine solche bewusste (aber fehlerhafte) Entscheidung kann jedoch - bei Vorliegen der weiteren hier nicht zweifelhaften Berufungsvoraussetzungen - nur mit der Berufung angegriffen werden.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts in der Sache selbst dürfte der revisionsrechtlichen Überprüfung im Hinblick auf eine wirksame Beschränkung der Revisionszulassung auf die Zulässigkeit der Berufung entzogen sein. Davon abgesehen befanden sich die Beklagten nach den weiteren und von der Revision auch nicht angegriffenen Feststellungen mit zwei Monatsmieten in Verzug, so dass die hierauf von den Klägern gestützte fristlose Kündigung begründet war und das Mietverhältnis der Parteien beendet hat.

3. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

Vorinstanz: AG Wuppertal, vom 11.02.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 92 C 342/12
Vorinstanz: LG Wuppertal, vom 01.09.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 9 S 49/16 9 S 109/16