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BGH - Entscheidung vom 25.04.2017

VIII ZA 1/17

Normen:
ZPO § 45 Abs. 1
ZPO § 321a
ZPO § 544

BGH, Beschluss vom 25.04.2017 - Aktenzeichen VIII ZA 1/17

DRsp Nr. 2017/6254

Ablehnung der Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit als Rechtsmissbrauch i.R.e. Räumungsklage; Bewilligung von Prozesskostenhilfe

Mit einer Anhörungsrüge gegen einen Beschluss, mit dem Prozesskostenhilfe versagt wird, kann ausschließlich geltend gemacht werden, dass Vorbringen des Antragstellers, das er selbst zur Begründung seines Antrags gehalten hat, gehörsverletzend übergangen worden sei. Da den Beklagten dieses Vorbringen hinlänglich bekannt ist, dient ein in dieser Situation gestellter Befangenheitsantrag offensichtlich nur der Prozessverschleppung. Ein solches rechtsmissbräuchliches Ablehnungsgesuch kann unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als unzulässig verworfen werden.

Tenor

Das Ablehnungsgesuch der Beklagten vom 3. April 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Anhörungsrüge der Beklagten gegen die Beschlüsse des Senats vom 21. Februar 2017 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der erneute Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie der Antrag, die Sache "gemäß § 544 ZPO " dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Entscheidung vorzulegen, werden als unzulässig verworfen.

Normenkette:

ZPO § 45 Abs. 1 ; ZPO § 321a; ZPO § 544 ;

Gründe

I.

Die Beklagten bewohnten eine Wohnung der Klägerin, die diese an die Beklagte zu 1 vermietet hatte.

In der Wohnung war es zu einem Wasserschaden gekommen, dessen Behebung durch die Klägerin die Beklagten nach den Feststellungen des Amtsgerichts im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum verhinderten. Die Beklagte zu 1 entrichtete für die Monate von September 2014 bis Juli 2015 die Miete nicht. Die Klägerin erklärte daraufhin die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses und hat beide Beklagte auf Räumung und die Beklagte zu 1 überdies auf Zahlung rückständiger Miete und Schadensersatz wegen Beschädigung der Wohnung (Abschlagen des Deckenputzes) in Anspruch genommen.

Die Beklagte zu 1 hat gegen die Klägerin und gegen vier am Mietverhältnis nicht beteiligte Dritte, nämlich die Gebäudeversicherung der Klägerin, das von der Gebäudeversicherung mit Trocknungsarbeiten beauftragte Unternehmen, ihre eigene Hausratsversicherung und den Landrat des Landkreises Widerklage erhoben.

Das Amtsgericht hat den Beklagten, die sich in der ersten Instanz selbst vertreten haben, Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht versagt, mit Urteil vom 28. Januar 2016 der Klage bis auf einen kleinen Teil der Zahlungsforderung stattgegeben, die Widerklage als unbegründet und die Drittwiderklagen als unzulässig abgewiesen.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts haben die - nunmehr zunächst anwaltlich vertretenen - Beklagten Berufung eingelegt, hiervon allerdings die Entscheidung bezüglich der Drittwiderbeklagten ausgenommen. Die Berufungsfrist ist antragsgemäß bis 29. April 2016 verlängert worden. Nachdem ihr Prozessbevollmächtigter das Mandat niedergelegt hatte, haben die Beklagten innerhalb offener Berufungsbegründungsfrist persönlich einen als "Pkh-Antrag und Berufungsbegründung" bezeichneten Schriftsatz eingereicht. Mit Beschluss vom 6. Juli 2016 hat das Landgericht die beantragte Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren mangels Erfolgsaussicht abgelehnt.

Hiergegen haben die Beklagten unter dem 27. Juli 2016 Anhörungsrüge erhoben und gleichzeitig die an der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe beteiligten Richter abgelehnt. Das Ablehnungsgesuch ist mit Beschluss vom 4. November 2016 als unbegründet zurückgewiesen worden. Mit Beschluss vom 7. November 2016 ist die Berufung der Beklagten vom Landgericht nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen worden. Mit Schreiben vom 27. November 2016, beim Berufungsgericht am 28. November 2016 eingegangen, haben die Beklagten persönlich Anhörungsrüge gegen den Zurückweisungsbeschluss vom 7. November 2016 erhoben und die Richter unter anderem wegen "Strafvereitelung, Beihilfe zum Prozessbetrug" erneut abgelehnt. Mit Beschluss vom 30. November 2016 hat das Landgericht sowohl den Ablehnungsantrag als auch die Anhörungsrüge als unzulässig verworfen.

Mit Schreiben vom 9. Januar 2017 haben die Beklagten persönlich beim Senat Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts vom 7. November 2016 sowie für eine Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Berufungsgerichts vom 30. November 2016 beantragt. Der Senat hat die nachgesuchte Prozesskostenhilfe mit Beschlüssen vom 21. Februar 2017 mangels Erfolgsaussicht versagt.

Mit Schreiben vom 27. Februar 2017 haben die Beklagten erneut Prozesskostenhilfe beantragt, nunmehr für eine Anhörungsrüge gegen die Senatsbeschlüsse vom 21. Februar 2016, was der Senat mit Beschluss vom 14. März 2017 - wiederum mangels Erfolgsaussicht - abgelehnt hat.

Die Beklagten haben nunmehr mit Schriftsatz vom 19. März 2017 wegen nicht gewährter Akteneinsicht "Gehörsrüge nach § 321a ZPO " erhoben und erneut Prozesskostenhilfe, hilfsweise "Vorlage gemäß § 544 ZPO an den EuGH" begehrt. Mit weiterem Schriftsatz vom 3. April 2017 haben sie Anhörungsrüge gegen den Senatsbeschluss vom 14. März 2014 erhoben und die an jenem Beschluss beteiligten Richter abgelehnt, weil ihnen nicht zunächst Akteneinsicht am Amtsgericht Stralsund gewährt worden sei, um ihren Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine Anhörungsrüge gegen die Senatsbeschlüsse vom 21. Februar 2017 näher zu begründen.

II.

1. Das Ablehnungsgesuch der Beklagten gegen die am Senatsbeschluss vom 14. März 2017 beteiligten Richter ist wegen Rechtsmissbrauchs bereits unzulässig und deshalb unter Mitwirkung dieser Richter zu verwerfen.

a) Grundsätzlich entscheidet über ein Ablehnungsgesuch zwar das Gericht, dem der abgelehnte Richter angehört, ohne dessen Mitwirkung (§ 45 Abs. 1 ZPO ). Aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens ist der abgelehnte Richter in klaren Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs aber zur Vermeidung eines aufwendigen und zeitraubenden Ablehnungsverfahrens an der weiteren Mitwirkung nicht gehindert. Denn bei eindeutig unzulässigen oder rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchen setzt die Prüfung des Ablehnungsgesuchs keine Beurteilung des eigenen Verhaltens des abgelehnten Richters voraus und stellt mithin auch keine echte Entscheidung in eigener Sache dar.

Ein Ablehnungsgesuch, das - rein formal betrachtet - zwar eine Begründung für eine angebliche Befangenheit enthält, dessen Begründung aber aus zwingenden rechtlichen Gründen - ohne nähere sachliche Prüfung und losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls - ein Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens oder das Verhalten des abgelehnten Richters nicht erfordert, ist zur Begründung der Besorgnis einer Befangenheit grundsätzlich ungeeignet und steht einem von vornherein unzulässigen Ablehnungsgesuch ohne Angabe eines Ablehnungsgrundes gleich. Darüber kann deshalb abweichend vom Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO das Gericht unter Mitwirkung des abgelehnten Richters entscheiden (BGH, Beschlüsse vom 25. Januar 2016 - I ZB 15/15, [...] Rn. 4 f.; vom 24. März 2015 - VIII ZB 91/14, [...] Rn. 2; vom 20. Juli 2016 - VIII ZA 32/15, [...] Rn. 2 f.; BVerfG, NJW 2005, 3410 , 3412; jeweils mwN). So liegt der Fall hier.

b) Die von den Beklagten beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde hatte (ebenso wie der diesbezügliche Prozesskostenhilfeantrag) schon aus formalen Gründen von vornherein keine Aussicht auf Erfolg, ohne dass es dazu eines Eingehens auf die Sache selbst bedurft hätte. Denn die Berufung der Beklagten war nicht durch einen am Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt begründet worden und deshalb unzulässig. Die Beklagten wären deshalb - was im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von Amts wegen zu prüfen ist - in der Berufungsinstanz allein schon aus diesem Grund zu Recht unterlegen, so dass eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss des Landgerichts vom 7. November 2016 aussichtslos und Prozesskostenhilfe abzulehnen war. Das Gleiche gilt - wie bereits im Senatsbeschluss vom 21. Februar 2017 ausgeführt - für die beabsichtigte unzulässige Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Berufungsgerichts vom 30. November 2016, mit dem die von den Beklagten wiederum persönlich - und nicht durch einen am Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt - eingelegte Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 7. November 2016 als unzulässig verworfen wurde.

Mit einer Anhörungsrüge gegen einen Beschluss, mit dem Prozesskostenhilfe versagt wird, kann ausschließlich geltend gemacht werden, dass Vorbringen des Antragstellers, das er selbst zur Begründung seines Antrags gehalten hat, gehörsverletzend übergangen worden sei. Da den Beklagten dieses (eigene) Vorbringen hinlänglich bekannt ist, diente der Antrag der vorherigen Akteneinsicht in Stralsund - ebenso wie der nachfolgende Befangenheitsantrag - offensichtlich nur der Prozessverschleppung. Ein solches rechtsmissbräuchliches Ablehnungsgesuch kann - wie ausgeführt - unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als unzulässig verworfen werden.

2. Die Anhörungsrüge der Beklagten gegen die Senatsbeschlüsse vom 21. Februar 2017 ist jedenfalls unbegründet. Der Senat hat kein entscheidungserhebliches Vorbringen der Beklagten übergangen, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung war bereits aus den oben dargelegten formalen Gründen aussichtslos.

3. Der neuerliche Prozesskostenhilfeantrag der Beklagten ist ebenso unzulässig wie der weitere Antrag der Beklagten, die Sache "gemäß § 544 ZPO " dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen.

Vorinstanz: AG Ribnitz-Damgarten, vom 28.01.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 1 C 236/14
Vorinstanz: LG Stralsund, vom 07.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 1 S 31/16