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BFH - Entscheidung vom 09.05.2017

XI B 13/17

Normen:
§ 4 Nr 12 S 2 UStG 2005
§ 19 Abs 1 S 1 UStG 2005
Art 283 Abs 1 Buchst c EGRL 112/2006
Art 10 EUV 282/2011
Art 11 EUV 282/2011
§ 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1 FGO
UStG VZ 2006
UStG VZ 2007
UStG VZ 2010
FGO § 115
UStG § 19 Abs. 1 S. 1

Fundstellen:
BFH/NV 2017, 1198

BFH, Beschluss vom 09.05.2017 - Aktenzeichen XI B 13/17

DRsp Nr. 2017/9319

Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde betreffend die umsatzsteuerliche Behandlung von Erlösen einer Grundstücksgemeinschaft aus der Vermietung der früheren gemeinsamen Ehewohnung der Gesellschafter zur Beherbergung von Fremden, da die vom Finanzamt aufgeworfene Rechtsfrage im Streitfall nicht klärbar ist

NV: Die Rechtsfrage, ob bei einer steuerpflichtigen Vermietung das im Inland belegene Grundstück als feste Niederlassung des Unternehmers anzusehen ist, falls es sich bei den Vermietungsumsätzen um die einzigen inländischen Umsätze des Unternehmers handelt, ist nicht klärbar, wenn das FG aufgrund weiterer Umstände angenommen hat, dass der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers im Inland liegt.

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. November 2016 5 K 5252/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Normenkette:

FGO § 115 ; UStG § 19 Abs. 1 S. 1;

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin), eine Grundstücksgemeinschaft, bestehend aus den Eheleuten A und B, vermietete seit dem Jahr 2001 die frühere gemeinsame Ehewohnung der Gesellschafter der Klägerin, am Y–Platz in Z, kurzfristig zur Beherbergung von Fremden.

Die Klägerin ging davon aus, dass ihre Vermietungsleistungen nach § 4 Nr. 12 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes ( UStG ) umsatzsteuerfrei seien.

Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) war dagegen der Auffassung, dass die Vermietungsleistungen der Klägerin nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG steuerpflichtig seien, und setzte u.a. in den Umsatzsteuerbescheiden für die Jahre 2005 bis 2010, zuletzt vom 27. Januar 2015, Umsatzsteuer fest. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Im Laufe des Klageverfahrens machte die Klägerin bezüglich der Jahre 2006, 2007 und 2010 (Streitjahre) u.a. hilfsweise geltend, die Umsatzsteuer sei aufgrund der sog. Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG nicht zu erheben.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage für die Jahre 2006, 2007 und 2010 statt und wies sie im Übrigen ab. Es vertrat die Auffassung, dass die Klägerin Unternehmerin i.S. des § 2 UStG sei. Die Vermietungsleistung der Klägerin sei nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG steuerpflichtig. Allerdings sei die Umsatzsteuer für die Streitjahre gemäß § 19 UStG nicht zu erheben. Insbesondere sei die Klägerin i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG im Inland ansässig. Es führte dazu aus, maßgebend sei der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit. Bei einer steuerpflichtigen Vermietung sei das im Inland belegene Grundstück als feste Niederlassung anzusehen und begründe somit eine Ansässigkeit im Inland, soweit es um Umsätze geht, die diesem Grundstück zuzurechnen sind. Da es nur um die aus der streitgegenständlichen Wohnung erzielten Umsätze gehe, sei die Klägerin folglich als im Inland ansässige Unternehmerin anzusehen. Dafür spreche im Übrigen auch, dass die Klägerin dauerhaft eine inländische Agentur beauftragt habe, die nicht nur die Verträge vermittele, sondern auch mit Vollmacht der Klägerin abgeschlossen und unterzeichnet habe. Inwieweit die Agentur noch für die Verwaltung des Mietobjekts zuständig gewesen sei, ergebe sich aus den vorliegenden Unterlagen nicht. Soweit aber, wie vorgetragen, die Ehefrau die Verwaltung übernommen habe und dafür jeweils angereist sei, um vor Ort die notwendigen Entscheidungen zu treffen, spreche auch dies für die Annahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit im Inland.

Mit seiner Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht das FA geltend, die Revision sei gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ( FGO ) zur Fortbildung des Rechts sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind teilweise nicht hinreichend dargelegt und liegen im Übrigen nicht vor.

1. Die vom FA aufgeworfene Rechtsfrage ist im Streitfall nicht klärbar.

a) Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, wenn im Streitfall Veranlassung besteht, Grundsätze und Leitlinien für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 24. Juni 2014 XI B 45/13, BFH/NV 2014, 1584 , Rz 35, m.w.N.). Die Rechtsfortbildung muss über den Streitfall hinaus im allgemeinen Interesse liegen und eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage betreffen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 6. Mai 2014 XI B 4/14, BFH/NV 2014, 1406 , Rz 29, m.w.N.; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 154 ff., m.w.N.; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung , 8. Aufl., § 115 Rz 41; Werth in Beermann/Gosch, FGO § 115 Rz 114).

b) Das FA macht dazu geltend, der BFH habe die Rechtsfrage, ob bei einer steuerpflichtigen Vermietung das im Inland belegene Grundstück als feste Niederlassung anzusehen ist und somit eine Ansässigkeit im Inland begründet, wenn es sich bei den diesem Grundstück zuzurechnenden Umsätzen um die einzigen inländischen Umsätze des Unternehmers handelt, noch nicht entschieden.

Diese Rechtsfrage, die vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) im Urteil Schmelz vom 26. Oktober 2010 C–97/09 (EU:C:2010:632, Deutsches Steuerrecht 2010, 2186 , Rz 31) nicht abschließend beantwortet worden ist (s.a. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 17. Juni 2010 in der Rechtssache Schmelz, EU:C:2010:354, Rz 20), ist allerdings im Streitfall nicht klärbar; denn das FG hat außerdem angenommen, dass sich aufgrund weiterer Umstände (auch) der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin (am Y–Platz in Z und damit) im Inland befinde. Diese Würdigung hat das FA mit seiner Beschwerde nicht angegriffen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO ).

Deshalb kann die Rechtsfrage, die sich nur auf das Vorliegen einer festen Niederlassung im Inland bezieht, im Streitfall nicht geklärt werden. Der Umstand, dass das Unionsrecht zwischen den Begriffen "Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit" und "feste Niederlassung, von wo aus die Umsätze bewirkt worden sind", unterscheidet, zeigt im Übrigen, dass der erste dieser Begriffe eine vom zweiten Begriff unabhängige Bedeutung hat (EuGH-Urteil Planzer Luxembourg vom 28. Juni 2007 C–73/06, EU:C:2007:397, Umsatzsteuer-Rundschau 2007, 654 , Rz 58 f.).

c) In Bezug auf die Annahme des FG, (auch) der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin befinde sich im Inland, hat das FA keine abstrakte Rechtsfrage aufgeworfen.

Zwar kann den Ausführungen des FA entnommen werden, dass das FA die Annahme des FG, der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit befinde sich im Inland, für unzutreffend hält, weil es —anders als die Klägerin— davon ausgeht, dass die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung der Klägerin nicht im Inland getroffen worden seien. Damit wird jedoch kein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt, sondern vorgetragen, dass das FG im Streitfall falsch entschieden habe. Dies vermag die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht zu begründen (vgl. BFH-Beschluss vom 27. August 2014 XI B 33/14, BFH/NV 2015, 66 , m.w.N.). Verfahrensrügen hat das FA auch nicht erhoben.

2. Der vom FA außerdem geltend gemachte Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ) in Form der Divergenz ist nicht i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.

Im Streitfall trägt das FA zwar vor, das Urteil des FG weiche "bei vergleichbarem Sachverhalt von der ständigen Rechtsprechung des EuGH bezüglich der Beurteilung der Ansässigkeit ab". Es stellt aber im Rahmen seiner weiteren Ausführungen keine tragenden abstrakten Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits so gegenüber, dass eine Abweichung erkennbar wird (vgl. zu diesem Erfordernis z.B. BFH-Beschlüsse vom 11. Dezember 2014 XI B 49/14, BFH/NV 2015, 363 , Rz 16; vom 14. März 2016 X B 101/14, BFH/NV 2016, 1046 , Rz 29; vom 5. Dezember 2016 VI B 37/16, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2017, 780 , Rz 6).

3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ).

Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg, vom 24.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 5 K 5252/14
Fundstellen
BFH/NV 2017, 1198