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BFH - Entscheidung vom 11.01.2017

X B 104/16

Normen:
§ 76 Abs 1 FGO
§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO
§ 115 Abs 2 Nr 2 FGO
§ 115 Abs 2 Nr 3 FGO
§ 116 Abs 3 S 3 FGO
§ 147 Abs 1 Nr 1 AO
§ 158 AO
§ 162 Abs 2 S 2 AO
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
AO § 147 Abs. 1 Nr. 1
AO § 158
AO § 162 Abs. 2 S. 2

Fundstellen:
BFH/NV 2017, 561

BFH, Beschluss vom 11.01.2017 - Aktenzeichen X B 104/16

DRsp Nr. 2017/3042

Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde betreffend die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen in einem Speiserestaurant mangels grundsätzlicher Bedeutung

1. NV: Besteht grundsätzlich eine Manipulationsmöglichkeit der Registrierkasse und können keine Programmierunterlagen vorgelegt werden, ist es Aufgabe des Steuerpflichtigen, anhand geeigneter (Ersatz-)Unterlagen, ggf. unter Hilfestellung des Kassenherstellers, darzulegen, wie die Kasse programmiert worden ist. 2. NV: Die sog. "30/70-Methode" ist grundsätzlich eine geeignete Schätzungsmethode, die auf betriebsinternen Daten aufbaut.

Die Schätzung der Umsätze eines Speiserestaurants auf der Grundlage einer Getränkekalkulation nach der sogenannten "30/70-Methode" stellt eine geeignete Schätzungsmethode dar, da in einem Speiserestaurant das Verhältnis zwischen verzehrten Speisen und Getränken nur geringen Schwankungen unterliegt und somit aus der Höhe der kalkulierten Getränkeumsätze auf die Höhe der Speiseumsätze geschlossen werden kann, ohne dass diese gesondert anhand des Wareneinkaufs kalkuliert werden müssten.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 10. Mai 2016 8 K 175/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Normenkette:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1 ; AO § 147 Abs. 1 Nr. 1 ; AO § 158 ; AO § 162 Abs. 2 S. 2;

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist verheiratet und betrieb in den Streitjahren 2006 bis 2012 ein Speiserestaurant. Den Gewinn ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 , § 5 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung.

Im Rahmen von steuerlichen Außenprüfungen stellten die Prüfer fest, dass der Kläger für seine Bareinnahmen eine elektronische Registrierkasse verwendet habe. Die hierzu gehörenden Organisationsunterlagen, auch Bedienungsunterlagen, Programmieranleitung sowie die Programmabrufe nach jeder Änderung habe er nicht vorlegen können. Ebenso wenig habe er alle weiteren Anweisungen zur Kassenprogrammierung übergeben können. Die mit der Registrierkasse erstellten Rechnungen habe der Kläger nicht aufbewahrt. Das gleiche gelte für die im Rahmen des Tagesabschlusses aufgerufenen Ausdrucke der Registrierkasse, etwa betriebswirtschaftliche Auswertungen, Ausdrucke der Trainingsspeicher oder Kellnerberichte.

In der Buchführung habe der Kläger lediglich den sog. Tagesbericht verwahrt. Trotz eines Hinweises im Rahmen der Umsatzsteuer-Nachschau habe er alle übrigen Berichte aus dem elektronischen Speicher der Kasse gelöscht.

Die mit dem Bedienerschlüssel Nr. 5 durchgeführten Eingaben hätten, da dieser als sog. Trainingsbediener eingerichtet gewesen sei, den Umsatz der einzelnen Berichte nicht erhöht. Der Bediener Nr. 5 sei wie ein regulärer Kellner verwendet worden. Die Übungsumsätze seien nicht gesondert aufgezeichnet worden. Auch seien die mit diesem Schlüssel gebuchten Bons nicht aufbewahrt worden.

Soweit die Stornoart "Berichtigung" gewählt worden sei, seien diese Eingaben nicht auf dem Journaldruck erschienen. Sie seien auch nicht im elektronischen Journal gespeichert worden. Auf diese Weise seien in fünf Monaten über 40.000 € storniert worden.

Die Einnahmen und Ausgaben seien vom Steuerberater zum Monatsende verbucht worden, allerdings ohne Nutzung eines Kontos "Kasse". Vielmehr seien die Einnahmen und Ausgaben hinsichtlich der Bestandskonten ergebnisunwirksam gebucht und der Saldo über Entnahmen/Einlagen ausgebucht worden. Eine Überprüfung des Veranlagungszeitraums 2012 mittels taggenauer Einnahmen und Ausgaben habe umfangreiche Kassenfehlbeträge ergeben.

Lohnzahlungen an die Angestellten seien nicht vom Bankkonto überwiesen, sondern als Barausgaben nachträglich erfasst worden, so dass sich nicht habe ermitteln lassen, ob die Angestellten den Lohn tatsächlich erhalten hätten.

Bei einer Durchsuchung seien in der Handtasche der Ehefrau des Klägers Bareinzahlungsbelege für verschiedene Konten gefunden worden. Auf Konten der Ehefrau und der Tochter des Klägers seien Bareinzahlungen von insgesamt über 200.000 € getätigt worden. Eine nicht mit dem Betrieb des Klägers in Zusammenhang stehende Herkunft der Mittel habe der Kläger nicht darlegen können.

Die Prüferin des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) zog aus diesen Feststellungen den Schluss, die Buchführung sei im gesamten Prüfungszeitraum nicht ordnungsgemäß gewesen. Für die Jahre 2008 und 2012 führte sie eine Kalkulation nach Anteilen durch und ermittelte auf Grundlage der vom Kläger vorgelegten Unterlagen ein Verhältnis der Speisen zu Getränken von 70 % zu 30 %. Für die Getränke nahm sie eine Ausbeutekalkulation vor. Ausgehend vom Ergebnis für das Streitjahr 2012 ermittelte sie einen Gesamtrohgewinnaufschlag von abgerundet 320 %. Diesen Rohgewinnaufschlag übertrug sie auf alle Streitjahre, da das Verhältnis von Speisen zu Getränken im gesamten Prüfungszeitraum nahezu unverändert blieb.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach erfolglosem Einspruchsverfahren als unbegründet ab. Die Hinzuschätzungen seien weder dem Grunde nach noch der Höhe nach zu beanstanden.

Die Buchführung des Klägers sei aufgrund zahlreicher Mängel nicht nach § 158 der Abgabenordnung ( AO ) der Besteuerung zugrunde zu legen. Schon das Fehlen der Programmierprotokolle sowie weiterer Organisationsunterlagen der Registrierkasse stellten formelle Mängel dar. Insoweit werde auf das Senatsurteil vom 25. März 2015 X R 20/13 (BFHE 249, 390 , BStBl II 2015, 743 ) verwiesen. Zwar sei in einem solchen Fall kein sicherer Schluss auf die Verkürzung von Einnahmen möglich. Gleichwohl sei aber systembedingt keine Gewähr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen gegeben. Elektronische Kassensysteme seien durch Umprogrammierung in nahezu beliebiger Weise manipulierbar. Gleiches gelte in Bezug auf die nicht aufbewahrten Rechnungen.

Weitere Mängel lägen vor, da zahlreiche die Besteuerung betreffende Umstände für den prüfenden Dritten nicht erkennbar seien, so insbesondere auch die Durchführung der Stornierungen.

Einen schweren materiellen Buchführungsfehler stelle auch die fehlende Erfassung und Verbuchung von privaten Barentnahmen dar.

Die Schätzung sei der Höhe nach rechtmäßig.

Die vom FA durchgeführte Kalkulation nach Anteilen sei eine anerkannte Schätzungsmethode. Bedenken hinsichtlich der durchgeführten Kalkulation gebe es aufgrund der vorliegenden Unterlagen nicht. Dies gelte auch für das von der Prüferin ermittelte Verhältnis zwischen Speisen und Getränken. Die Sonderaktionen des Jahres 2012 seien in ausreichendem Maße berücksichtigt worden.

Die Übertragung des ermittelten Rohgewinnaufschlagsatzes auf die Vorjahre sei gerechtfertigt. Zum einen seien 40 der 50 im Jahr 2008 neu angelegten Plätze lediglich Ausweichmöglichkeiten für Raucher gewesen. Zum anderen seien im Vergleich der Jahre 2006 bis September 2008 zu den Jahren 2009 bis 2012 nach den Unterlagen des Klägers keine signifikanten Veränderungen des Wareneinsatzes und des Umsatzes zu erkennen gewesen.

Das FA sei nicht verpflichtet gewesen, die hinzugeschätzten Beträge durch eine Geldverkehrsrechnung zu plausibilisieren. Der Verbleib der hinzugeschätzten Beträge lasse sich zum größten Teil durch die Bareinlagen des Klägers auf betriebsfremden Konten erklären. Im Übrigen spreche die Barlohnzahlung dafür, dass die erzielten Umsätze durch Einbeziehung weiterer Hilfskräfte erzielt worden seien, deren Löhne nicht in der Buchhaltung erfasst worden seien.

Die vom Kläger beantragte Tatbestandsberichtigung nach § 108 der Finanzgerichtsordnung ( FGO ) hat das FG mit Beschluss vom 16. August 2016 abgelehnt.

Der Kläger begehrt mit seiner Beschwerde die Zulassung der Revision und verweist zur Begründung auch auf seinen Antrag auf Tatbestandsberichtigung.

Das FA tritt der Beschwerde entgegen.

II. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

Sofern Zulassungsgründe überhaupt in einer den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Form dargelegt werden, liegen sie jedenfalls nicht vor.

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

a) Macht ein Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO geltend, so hat er zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen. Dafür ist erforderlich, dass er die entscheidungserhebliche Rechtsfrage hinreichend konkretisiert; nicht ausreichend ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Des Weiteren muss die Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darlegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu muss ausgeführt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchem Grunde die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (vgl. nur Senatsbeschluss vom 24. Juni 2014 X B 216/13, BFH/NV 2014, 1888 ). Hierfür genügt weder der Hinweis darauf, dass die Revisionsentscheidung für eine größere Zahl von Fällen von Bedeutung sei, noch darauf, dass eine Rechtsfrage höchstrichterlich nicht geklärt sei; denn daraus ergibt sich nicht, dass die Rechtsfrage klärungsbedürftig ist (vgl. nur Senatsbeschluss vom 8. Juni 2010 X B 126/09, BFH/NV 2010, 1628 ; auch schon Beschluss des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 22. Oktober 1994 V B 40/94, BFH/NV 1995, 610 ).

b) Der Kläger ist der Ansicht, dem Rechtsstreit komme grundsätzliche Bedeutung zu, da bislang nicht höchstrichterlich geklärt sei, ob eine Kalkulation allein für Getränke durchgeführt werden könne, die anschließend im Zeitreihenvergleich auf den Gesamtumsatz anderer Jahre übertragen werde. Dieser Vortrag, soweit er überhaupt eine abstrakte Rechtsfrage enthält, ist nicht geeignet, die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu begründen.

Grundsätzlich ist die im Streitfall vom FA vorgenommene Schätzung auf Grundlage einer Getränkekalkulation auch aus Sicht des Senats eine geeignete Schätzungsmethode, die auf betriebsinternen Daten aufbaut. Diese sog. "30/70-Methode" basiert nämlich auf dem Gedanken, dass in einem Speiserestaurant das Verhältnis zwischen verzehrten Speisen und Getränken nur geringen Schwankungen unterliegt, da die Gäste typischerweise im Durchschnitt zu jeder Speise eine bestimmte Menge an Getränken zu sich nehmen. Dieser Gedanke rechtfertigt es, aus der Höhe der kalkulierten Getränkeumsätze auf die Höhe der Speisenumsätze zu schließen, ohne dass diese gesondert anhand des Wareneinkaufs kalkuliert werden müssten, zumal eine solche Speisenkalkulation in einem Restaurant meist aufgrund des umfangreichen Angebots nur schwer durchführbar ist.

Den Ausführungen des Klägers kann nicht entnommen werden, dass, in welchem Umfang und aus welchen Gründen die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage umstritten ist und worin die Bedeutung einer Entscheidung zu dieser Rechtsfrage durch den BFH für die Fortentwicklung des Rechts zu sehen ist.

2. Die Revision ist auch nicht wegen einer Rechtsprechungsdivergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zuzulassen.

a) Eine Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO setzt voraus, dass das FG in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist. Dies bedingt zum einen, dass in dem angefochtenen FG-Urteil dieselbe Rechtsfrage wie in der angeblichen Divergenzentscheidung entschieden wurde und die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind. Zum anderen muss die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren klärbar und auch für beide Entscheidungen rechtserheblich gewesen sein. Außerdem muss eine Entscheidung des BFH zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich sein (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2015 X B 43/15, BFH/NV 2016, 201 , Rz 12).

b) Wie im Senatsurteil in BFHE 249, 390 , BStBl II 2015, 743 hat das FG die formelle Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung jedenfalls auch deshalb als nicht gegeben angesehen, weil der Kläger, was unstreitig ist, die Programmierunterlagen zur verwendeten Registrierkasse nicht vorlegen konnte. Denn bei einem programmierbaren Kassensystem stellt das Fehlen der aufbewahrungspflichtigen Betriebsanleitung sowie der Protokolle nachträglicher Programmänderungen einen formellen Mangel dar, dessen Bedeutung dem Fehlen von Tagesendsummenbons bei einer Registrierkasse gleichkommt. Es reicht in einem solchen Fall nicht aus, wenn der Steuerpflichtige —wie hier— alle Tagesendsummenbons vorlegen kann. Folglich geht das FG zu Recht davon aus, dass die Beweiskraft der Buchführung des Klägers in allen Streitjahren erschüttert ist und daher grundsätzlich die Berechtigung zu Hinzuschätzungen besteht.

In Relation zum Zeitreihenvergleich hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 249, 390 , BStBl II 2015, 743 den Vorrang der die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen berücksichtigenden Schätzungsmethoden dargelegt, zu denen neben der Vermögenszuwachs– oder Geldverkehrsrechnung auch die Aufschlags– und Ausbeutekalkulation gehört. Vorliegend hat das FG diese Grundsätze beachtet, da es die Ausbeutekalkulation des FA als sachgerecht übernommen hat. Eine darüberhinausgehende Verpflichtung, etwa eine Geldverkehrsrechnung vorzunehmen, besteht auch nach dem Senatsurteil in BFHE 249, 390 , BStBl II 2015, 743 , dort unter II.3.b ausgeführt, ausdrücklich nicht (so auch schon Senatsbeschluss vom 13. September 2016 X B 146/15, BFH/NV 2016, 1747 , unter II.2.a, m.w.N.).

3. Das FG-Urteil ist auch nicht verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Insbesondere liegt keine Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO vor.

a) Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen (Amtsermittlungsgrundsatz). Danach ist es grundsätzlich Aufgabe des Gerichts, die tatsächlichen Grundlagen der zu treffenden Entscheidung zu ermitteln (z.B. Senatsbeschluss vom 7. Juli 2014 X B 134/13, BFH/NV 2014, 1772 ). Diese Verpflichtung des FG zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen bedeutet nicht, dass jeder fernliegenden Erwägung nachzugehen ist. Wohl aber muss das FG die sich im Einzelfall aufdrängenden Überlegungen auch ohne ausdrücklichen Hinweis der Beteiligten anstellen und entsprechende Beweise erheben. Die Sachaufklärungspflicht des FG kann allerdings nicht losgelöst von den Mitwirkungspflichten der Beteiligten (§ 76 Abs. 1 Satz 2 FGO ) gesehen werden (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. nur Senatsbeschluss vom 20. November 2013 X B 164/13, BFH/NV 2014, 374 , m.w.N.). Vielmehr begrenzt die Mitwirkungspflicht der Beteiligten die Amtsermittlungspflicht des Gerichts nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO (Senatsentscheidungen vom 30. Juli 2003 X R 28/99, BFH/NV 2004, 201 , und vom 10. Januar 2007 X B 113/06, BFH/NV 2007, 935 ), wobei dem Gedanken der Beweisnähe besondere Bedeutung zukommt.

b) Unbeschadet einer Mitwirkungspflicht der Beteiligten hat das FG jedoch dem Amtsermittlungsgrundsatz besondere Bedeutung zuzumessen, soweit es sich um Feststellungen handelt, denen unmittelbar entscheidungserhebliche Bedeutung zukommt. In diesen Fällen hat das FG jedenfalls solchen tatsächlichen Zweifeln nachzugehen, die sich ihm nach Lage der Akten und dem Vortrag der Beteiligten aufdrängen müssen (vgl. auch Senatsbeschluss in BFH/NV 2007, 935 ).

c) Die Sachaufklärungsrüge kann jedoch nicht dazu dienen, Beweisanträge oder Fragen zu ersetzen, welche ein fachkundig vertretener Beteiligter selbst in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (BFH-Beschluss vom 5. Dezember 2012 VIII B 4/06, BFH/NV 2007, 490 ). Ebenso wenig kann die Sachaufklärungsrüge dazu dienen, (nachträglich) Ermittlungen vom FG zu verlangen, die sich jedenfalls für einen beratenen Beteiligten in der Weise aufdrängen, dass dieser die fehlenden Angaben aus den ihm vorliegenden oder von ihm beschaffbaren Unterlagen in das Verfahren einbringen muss.

d) Der Senat hat in seinem Urteil in BFHE 249, 390 , BStBl II 2015, 743 , dort unter II.1.a cc, dargelegt, dass er sich der schon lange vor den hier relevanten Streitjahren von der Finanzverwaltung vertretenen Ansicht anschließt, das Fehlen der Programmierprotokolle der Registrierkasse stelle einen formellen Mangel dar, da diese wie auch andere Anweisungen zur Kassenprogrammierung als "sonstige Organisationsunterlagen" i.S. des § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO aufbewahrungspflichtig seien (vgl. schon Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen —BMF— vom 7. November 1995, BStBl I 1995, 738 , Tz. VI.c, sowie Tz. 6 der diesem BMF-Schreiben beigefügten Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme; BMF-Schreiben vom 9. Januar 1996, BStBl I 1996, 34 ).

e) Das Gewicht des Mangels der fehlenden Programmierprotokolle tritt nach dem Senatsurteil in BFHE 249, 390 , BStBl II 2015, 743 , unter II.1.a cc allerdings zurück, wenn der Steuerpflichtige für den konkreten Einzelfall darlegt, dass die von ihm verwendete elektronische Kasse trotz ihrer Programmierbarkeit ausnahmsweise keine Manipulationsmöglichkeiten eröffnet. Besteht dagegen eine solche grundsätzliche Manipulationsmöglichkeit, können aber die entsprechenden Programmierprotokolle nicht (mehr) vorgelegt werden, wird es Sache des Steuerpflichtigen sein, substantiiert darzulegen, warum die von ihm verwendete Registrierkasse nicht manipuliert worden ist. Dabei reicht es nicht aus, dass er wie vorliegend lediglich ein Sachverständigengutachten beantragt. Vielmehr wird er dessen Erheblichkeit anhand geeigneter (Ersatz–)Unterlagen, ggf. unter Hilfestellung durch den Kassenhersteller, darlegen und so insbesondere den Zustand der Programmierung, ausgehend vom Werkszustand, erläutern müssen. Erst wenn das FG aufgrund dieses Vortrags Zweifel an der konkreten Manipulation der Registrierkasse hat, wird es verpflichtet sein, die Kasse (gutachterlich) untersuchen zu lassen. In einem solchen Fall wäre es fehlerhaft, allein aufgrund der fehlenden Organisationsunterlagen von einer formell nicht ordnungsgemäßen Kassenführung auszugehen.

f) Da vorliegend entsprechend substantiierter Vortrag des Klägers nicht gegeben ist, war das FG jedenfalls nicht verpflichtet, von sich aus eine technische Ablaufprüfung der Registrierkasse vornehmen zu lassen. Zu Recht hat es auch das vom Kläger beantragte Sachverständigengutachten nicht eingeholt. Aufgrund der dargestellten Senatsrechtsprechung durfte das FG von einer formell nicht ordnungsgemäßen Kassenbuchführung ausgehen. Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt nicht vor.

4. Sofern der Kläger die Höhe des geschätzten Rohgewinnaufschlagsatzes wie auch die Art und Weise der Plausibilitätsprüfung des FG rügt, richtet sich sein Vorbringen gegen die Richtigkeit der Schätzung. Die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalls durch das FG im Rahmen einer Schätzung ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt insbesondere für Einwendungen gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen (Verstöße gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze sowie materielle Rechtsfehler, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 21. Januar 2009 X B 125/08, BFH/NV 2009, 951 ).

Ein zur Zulassung der Revision berechtigender erheblicher Rechtsfehler aufgrund objektiver Willkür kann allenfalls in Fällen bejaht werden, in denen das Schätzungsergebnis des FG wirtschaftlich unmöglich und damit schlechthin unvertretbar ist. Ein Verstoß gegen Denkgesetze führt bei Schätzungen erst zur Zulassung der Revision wegen willkürlich falscher Rechtsanwendung, wenn sich das Ergebnis als offensichtlich realitätsfremd darstellt (Senatsbeschluss in BFH/NV 2009, 951 ). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da sich das Schätzungsergebnis innerhalb bzw. nur sehr leicht oberhalb der Richtsätze der amtlichen Richtsatzsammlung der jeweiligen Streitjahre für Gast– und Speisewirtschaften (2006: 144 bis 317; 2007 bis 2009: 170 bis 335; 2010 bis 2012: 186 bis 400) bewegt.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO .

6. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

Vorinstanz: FG Niedersachsen, vom 10.05.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 8 K 175/15
Fundstellen
BFH/NV 2017, 561