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BFH - Entscheidung vom 08.03.2017

II R 2/15

Normen:
AO § 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 170 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 2, § 173 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1
FGO § 76 Abs. 1 Satz 1
AO § 169 Abs. 1 S. 1
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1
FGO § 76 Abs. 1 S. 1
AO § 169 Abs. 2
AO § 170 Abs. 1
AO § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
AO § 170 Abs. 5 Nr. 2
AO § 173 Abs. 1 Nr. 1

Fundstellen:
BFHE 257, 345

BFH, Urteil vom 08.03.2017 - Aktenzeichen II R 2/15

DRsp Nr. 2017/6398

Schenkungsteuerliche Behandlung der unentgeltlichen Übertragung eines Kommanditanteils und der nachfolgenden Veräußerung des Anteils durch den Bedachten Beginn der Festsetzungsfrist

1. In der unentgeltlichen Übertragung eines Kommanditanteils durch den Schenker und der nachfolgenden Veräußerung des Anteils durch den Bedachten kann die mittelbare Schenkung des Veräußerungserlöses liegen (mittelbare Geldschenkung). 2. Bei einer mittelbaren Schenkung hat die Finanzbehörde erst dann Kenntnis von der vollzogenen Schenkung, wenn sie alle Umstände kennt, die die mittelbare Schenkung begründen. Dazu gehört auch die Kenntnis von der Veräußerung des vom Schenker übertragenen Gegenstands.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 9. April 2014 4 K 1852/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Normenkette:

AO § 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 , § 170 Abs. 1 , Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 , Abs. 5 Nr. 2 , § 173 Abs. 1 Nr. 1; ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1 ; FGO § 76 Abs. 1 Satz 1;

Gründe

I.

Der Ehemann (E) der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war an der A–KG neben weiteren Kommanditisten zunächst mit einer Kommanditbeteiligung von 250.000 DM beteiligt.

Mit in Deutschland notariell beurkundetem Vertrag vom 22. Dezember 2000 übertrug E einen Kommanditanteil von 125.000 DM unentgeltlich auf die Klägerin. In § 7 des Vertrags behielt sich E das Recht vor, die Rückübertragung des Kommanditanteils auf sich u.a. dann zu verlangen, wenn die Klägerin ohne seine Zustimmung über den Kommanditanteil verfügt, ihn insbesondere veräußert oder belastet. Aufschiebend bedingt durch die Ausübung des Rückübertragungsrechts trat die Klägerin bereits bei Vertragsschluss ihren Kommanditanteil an E ab. In § 8 des Vertrags verpflichtete sich die Klägerin, im Falle einer entgeltlichen Veräußerung des Kommanditanteils durch E an andere Personen als Abkömmlinge ihren Kommanditanteil zu den gleichen Bedingungen an denselben Erwerber zu veräußern.

Mit in der Schweiz notariell beurkundetem Anteilskaufvertrag ebenfalls vom 22. Dezember 2000 verkauften die Klägerin, E und die weiteren Kommanditisten (Verkäufer) sowie die Komplementärin der A–KG ihre Anteile. Der Kaufpreis betrug insgesamt 33.909.697 DM. In Ziff. III dieses Vertrags hatte sich E zur Durchführung folgender Restrukturierungsmaßnahme vor Übergang der Anteile verpflichtet: E überträgt noch im Jahr 2000 die Hälfte seines Kommanditanteils an der A–KG auf die Klägerin, die somit als Kommanditistin mit einem Anteil in Höhe von 125.000 DM in die Gesellschaft eintritt. Gemäß § 4 dieses Vertrags war der Kaufpreis unter bestimmten Voraussetzungen anzupassen.

Mit Änderungsvertrag vom 25. Juni 2001 wurde der Anteilskaufvertrag vom 22. Dezember 2000 u.a. dahingehend geändert, dass der Kaufpreis für die Anteile auf 27.909.697 DM festgelegt wurde. Vom Gesamtkaufpreis, der am 26. Juni 2001 an die Verkäufer überwiesen wurde, entfiel auf die Klägerin nach Abzug der Veräußerungsnebenkosten ein Betrag in Höhe von 6.448.003 DM.

Dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) wurde nur eine Abschrift des Schenkungsvertrags zwischen E und der Klägerin übermittelt. In der Schenkungsteuererklärung der Klägerin vom 6. November 2001 war der Wert des Kommanditanteils mit 218.495 DM angegeben. Das FA übersandte der Klägerin am 20. März 2002 die Mitteilung, dass Schenkungsteuer nicht festzusetzen sei.

Aufgrund einer Kontrollmitteilung der Betriebsprüfungsstelle erhielt das FA am 24. Mai 2007 erstmals Kenntnis vom Abschluss und Inhalt des Anteilskaufvertrags vom 22. Dezember 2000 sowie von dessen Änderung am 25. Juni 2001.

Das FA ging anschließend davon aus, dass Gegenstand der Schenkung des E an die Klägerin nicht der Kommanditanteil, sondern der Veräußerungserlös sei. Mit Bescheid vom 18. September 2008 änderte es den Bescheid vom 20. März 2002 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung ( AO ) und setzte gegen die Klägerin Schenkungsteuer in Höhe von 1.111.120 DM (568.106,64 €) fest. Im Änderungsbescheid vom 26. Oktober 2009 setzte das FA unter Berücksichtigung von Erwerbsnebenkosten und einem steuerpflichtigen Erwerb von 4.208.800 DM die Schenkungsteuer auf 799.672 DM (408.865,80 €) herab. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, der Festsetzung der Schenkungsteuer stehe die vierjährige Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO nicht entgegen. Diese habe mit Ablauf des Jahres 2007 zu laufen begonnen, weil das FA erst mit Übersendung der Kontrollmitteilung am 24. Mai 2007 positive Kenntnis von der vollzogenen Schenkung erlangt habe. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1270 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 170 Abs. 5 Nr. 2 2. Alternative AO und die Verletzung formellen Rechts.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie die Schenkungsteuerbescheide vom 18. September 2008 und vom 26. Oktober 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2011 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat zutreffend erkannt, dass Gegenstand der Schenkung nicht der von E auf die Klägerin übertragene Kommanditanteil, sondern der Erlös aus der Weiterveräußerung dieses Anteils war (mittelbare Geldschenkung), und dass die Festsetzung der Schenkungsteuer innerhalb der Festsetzungsfrist erfolgte.

1. Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes —ErbStG—) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ).

a) Die Besteuerung richtet sich danach, wie sich die Vermögensmehrung im Zeitpunkt der Zuwendung beim Beschenkten darstellt (Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 28. März 2012 II R 39/10, BFHE 238, 208 , BStBl II 2012, 712 , Rz 24, m.w.N.). Dementsprechend bestimmt sich der steuerpflichtige Erwerb gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nach der Bereicherung des Erwerbers und knüpft die Wertermittlung (§ 11 ErbStG ) über § 9 Abs. 1 Nr. 2 und § 12 ErbStG an den Gegenstand an, über den der Beschenkte endgültig verfügen kann (BFH-Urteil in BFHE 238, 208 , BStBl II 2012, 712 , m.w.N.).

Es ist nicht erforderlich, dass der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert wird, sich vorher in derselben Gestalt im Vermögen des Schenkers befunden hat und wesensgleich übergeht. "Entreicherungsgegenstand" und "Bereicherungsgegenstand" brauchen nicht identisch zu sein. Danach muss gegebenenfalls in der Hingabe von Vermögensgegenständen mittelbar die Schenkung eines anderen Vermögensgegenstands gesehen werden. Dies setzt voraus, dass der Beschenkte im Verhältnis zum Schenker nicht über das ihm unmittelbar Zugewendete, sondern (erst) über das Surrogat desselben, z.B. über den Verkaufserlös, verfügen kann; denn in diesem Fall ist der Beschenkte nicht um das unmittelbar Hingegebene, sondern erst um den Verkaufserlös bereichert. Dies gilt nicht nur für die Fälle der mittelbaren Grundstücksschenkung, sondern grundsätzlich bei mittelbarer Schenkung aller als Zuwendungsobjekt in Betracht kommenden Gegenstände oder Rechte (BFH-Urteil in BFHE 238, 208 , BStBl II 2012, 712 , Rz 25, m.w.N.).

b) Unter diesen Voraussetzungen kann in der Hingabe von Gesellschaftsanteilen die mittelbare Schenkung des Erlöses aus einem späteren Weiterverkauf der Gesellschaftsanteile liegen. Dies ist dann der Fall, wenn der Erwerber der Anteile im Verhältnis zum Schenker nur über den Verkaufserlös, nicht aber über die Anteile frei verfügen darf, sondern sich insoweit den Verfügungen des Schenkers unterzuordnen hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 238, 208 , BStBl II 2012, 712 , Rz 26, m.w.N.).

2. Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO sind eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist beträgt für die Schenkungsteuer regelmäßig vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO ). Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist (§ 170 Abs. 1 AO ).

a) Nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO beginnt für die Schenkungsteuer die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 oder 2 AO nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat. Maßgeblich ist dabei die Alternative, die als erste eingetreten ist (BFH-Urteil vom 5. Februar 2003 II R 22/01, BFHE 201, 403 , BStBl II 2003, 502 , unter II.2.). § 170 Abs. 5 Nr. 2 2. Alternative AO enthält einen auf die Schenkungsteuer beschränkten selbständigen Hemmungstatbestand, der den Beginn der Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 170 Abs. 1 und 2 AO ) auf den Ablauf des Jahres der Kenntniserlangung des FA von der vollzogenen Schenkung festlegt (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juni 2007 II R 54/05, BFHE 217, 393 , BStBl II 2007, 954 , unter II.3.a aa, m.w.N.). § 170 Abs. 5 Nr. 2 2. Alternative AO verlangt positive Kenntnis des FA von der vollzogenen Schenkung.

b) Positive Kenntnis i.S. des § 170 Abs. 5 Nr. 2 2. Alternative AO ist gegeben, wenn das für die Verwaltung der Schenkungsteuer zuständige Finanzamt nicht durch Anzeige gemäß § 30 ErbStG , sondern anderweitig in dem erforderlichen Umfang (Name und Anschrift des Schenkers und des Bedachten, Rechtsgrund des Erwerbs) Kenntnis erlangt hat (BFH-Urteil in BFHE 217, 393 , BStBl II 2007, 954 , unter II.3.b aa, m.w.N.). Die Kenntnis von Umständen, die nur zur Prüfung Anlass geben, ob ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang vorliegt, genügt nicht (BFH-Urteil vom 28. Mai 1998 II R 54/95, BFHE 186, 128 , BStBl II 1998, 647 , unter 1.). Bei einer mittelbaren Schenkung, bei der der Bedachte nicht durch den zugewendeten Gegenstand (etwa Gesellschaftsanteile), sondern durch den Verkaufserlös bei späterer Veräußerung dieses Gegenstands bereichert ist, hat die Finanzbehörde erst dann Kenntnis von der vollzogenen Schenkung, wenn sie alle Umstände kennt, die die mittelbare Schenkung begründen. Dazu gehört auch die Kenntnis von der Veräußerung des vom Schenker übertragenen Gegenstands (vgl. Frotscher in Schwarz, AO , § 170 Rz 73a; Paetsch in Beermann/Gosch, AO § 170 Rz 58.1).

aa) Der Wortlaut des § 170 Abs. 5 Nr. 2 2. Alternative AO verlangt die Kenntnis der Finanzbehörde "von der vollzogenen Schenkung". Für den Vollzug einer Schenkung ist auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG abzustellen (vgl. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG , § 9 Rz 3). Nach dieser Vorschrift entsteht die Steuer bei Schenkungen unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Im Falle einer mittelbaren Schenkung ist diese erst dann i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ausgeführt bzw. vollzogen, wenn die Vermögensverschiebung endgültig ist, also der Beschenkte gegenüber dem Schenker die freie Verfügung über den Gegenstand der freigebigen Zuwendung erhält und insoweit die endgültige Vermögensmehrung des Beschenkten auf Kosten des Schenkers eintritt.

Bei einer mittelbaren Geldschenkung entsteht die Schenkungsteuer demnach nicht bereits mit der Übertragung des Vermögensgegenstands (etwa den Gesellschaftsanteilen), sondern erst in dem Zeitpunkt, zu dem der Bedachte über den ihm zugewendeten Verkaufserlös im Verhältnis zum Zuwendenden frei verfügen kann (vgl. BFH-Urteil in BFHE 238, 208 , BStBl II 2012, 712 , Rz 27 und 34). Erst dann ist die mittelbare Geldschenkung vollzogen (vgl. Frotscher in Schwarz, AO , § 170 Rz 73a). Auf eine rein zivilrechtliche Betrachtung des Schenkungsvertrags kommt es im Rahmen einer mittelbaren Geldschenkung nicht an.

bb) Diese am Wortlaut der Norm ausgerichtete Auslegung entspricht dem Sinn und Zweck des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO . Die Vorschrift dient der Sicherung des Steueranspruchs und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Finanzbehörde von Schenkungen regelmäßig erst spät —meist anlässlich des Todes des Schenkers— Kenntnis erlangt (vgl. Baum in Koch/Scholtz, AO , 5. Aufl., § 170 Rz 16; Koenig/Cöster, Abgabenordnung , 3. Aufl., § 170 Rz 51; Bartone in: Kühn/v. Wedelstädt, 21. Aufl., AO , § 170 Rz 19; Forchhammer in Leopold/Madle/ Rader, AO , § 170 , Rz 19; Frotscher in Schwarz, AO , § 170 Rz 70; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung , Finanzgerichtsordnung , § 170 AO Rz 25). Bei einer mittelbaren Geldschenkung ist die Finanzbehörde erst mit Kenntniserlangung von dem der Schenkung des Vermögensgegenstands nachfolgenden Veräußerungsgeschäft in der Lage zu prüfen, ob dem Grunde und der Höhe nach ein schenkungsteuerpflichtiger Erwerb vorliegt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass im Rahmen einer mittelbaren Geldschenkung der steuerliche Wert des hingegebenen Vermögensgegenstands (etwa der Gesellschaftsanteile) mit der Höhe des hiermit im Rahmen einer nachfolgenden Veräußerung erzielten Veräußerungserlöses nicht übereinstimmen muss.

cc) Diese Auslegung des § 170 Abs. 5 Nr. 2 2. Alternative AO führt nicht zur Aufhebung des Regelungsbereichs der verlängerten Verjährungsvorschriften für die vorsätzliche und leichtfertige Steuerverkürzung nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO . § 170 Abs. 5 Nr. 2 2. Alternative AO enthält einen selbständigen Hemmungstatbestand, der auf die Schenkungsteuer beschränkt ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 217, 393 , BStBl II 2007, 954 , unter II.3.a aa, m.w.N.). Durch die Regelung des § 170 Abs. 5 Nr. 2 2. Alternative AO kann zwar der Eintritt der Festsetzungsverjährung weit über die Dauer der (verlängerten) Festsetzungsfrist hinausgeschoben werden. Diese Folgewirkung ist jedoch einer Vielzahl von Hemmungstatbeständen des § 170 AO immanent (vgl. Paetsch in Beermann/Gosch, AO , § 169 Rz 11) und vor dem Hintergrund des mit der Vorschrift des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO verfolgten Sinn und Zwecks —Sicherung des Steueranspruchs (vgl. Baum in Koch/Scholtz, a.a.O., § 170 Rz 16; Koenig/ Cöster, a.a.O., § 170 Rz 51; Bartone in: Kühn/v.Wedelstädt, a.a.O., § 170 Rz 19; Forchhammer in Leopold/Madle/Rader, AO , § 170 , Rz 19; Frotscher in Schwarz, AO , § 170 Rz 70; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 170 AO Rz 25)— hinzunehmen.

c) Im Falle einer mittelbaren Geldschenkung führt die Abgabe einer Steuererklärung, in der ausschließlich die Schenkung des Vermögensgegenstands angezeigt wird, nicht zur Beendigung der Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO . Eine unvollständige Erklärung beendet die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nur dann, wenn eine ordnungsgemäße Veranlagung auf der Grundlage der Erklärung dennoch möglich ist. Die Finanzbehörde muss aufgrund der eingegangenen Erklärung ausreichend Zeit haben, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln und ggf. zu schätzen (vgl. BFH-Urteil vom 7. April 2005 IV R 39/04, BFH/NV 2005, 1229 , unter II.2.; BFH-Beschluss vom 17. September 2007 I B 18/07, BFH/NV 2008, 18 ; Banniza in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 170 AO Rz 41). Bei einer mittelbaren Geldschenkung, bei der die Finanzbehörde in der Steuererklärung keinerlei Hinweise auf die Veräußerung des hingegebenen Vermögensgegenstands erhält, ist dieser —mangels Kenntnis vom eigentlichen Schenkungsgegenstand— eine ordnungsgemäße Veranlagung nicht möglich.

3. Diesen Grundsätzen entsprechend hat das FG im Streitfall zu Recht entschieden, dass Gegenstand der Schenkung nicht der auf die Klägerin übertragene Kommanditanteil, sondern der Erlös aus der Weiterveräußerung dieses Anteils ist. Der nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ergangene Änderungsbescheid vom 18. September 2008, in dem das FA erstmals eine mittelbare Geldschenkung besteuerte, ist innerhalb der Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO ergangen.

a) Nach den vom FG getroffenen Feststellungen war die Klägerin gegenüber E nicht berechtigt, über den auf sie übertragenen Kommanditanteil an der A–KG frei zu verfügen. E hatte sich im notariell beurkundeten Übertragungsvertrag vom 22. Dezember 2000 ein Rückübertragungsrecht des Kommanditanteils für den Fall vorbehalten, dass die Klägerin ohne seine Zustimmung über den Kommanditanteil durch Veräußerung oder Belastung verfügt (§ 7 des Übertragungsvertrags). Des Weiteren war die Klägerin verpflichtet, im Falle einer entgeltlichen Veräußerung des Kommanditanteils durch E ihren Kommanditanteil zu den gleichen Bedingungen an denselben Erwerber zu veräußern (§ 8 des Übertragungsvertrags). Diese Regelungen ermöglichten E, das Geschehen bezüglich des Kommanditanteils der Klägerin zu beherrschen. Die Klägerin musste sich den Verfügungen des E über die Anteile unterordnen und hat dies auch getan. Im Rahmen des Anteilskaufvertrags ebenfalls vom 22. Dezember 2000 veräußerte sie ihren Kommanditanteil an der A–KG zu den gleichen Bedingungen wie E. Damit konnte sie erst über den Veräußerungserlös verfügen.

b) Die Anteilsveräußerung stellt eine rechtserhebliche Tatsache dar, von der das FA erst im Jahr 2007 und damit nach dem Erlass der Nichtfestsetzungsmitteilung vom 20. März 2002 Kenntnis erlangte. Daher konnte es die Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern.

c) Für den Änderungsbescheid vom 18. September 2008 war die vierjährige Festsetzungsfrist wegen der nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 2. Alternative AO eingetretenen Anlaufhemmung noch nicht abgelaufen. Das FA wurde erst im Jahr 2007 durch den Eingang der Kontrollmitteilung der Betriebsprüfungsstelle über die Veräußerung des Kommanditanteils durch die Klägerin mit Vertrag vom 22. Dezember 2000 informiert. Die Festsetzungsfrist begann daher mit Ablauf des Kalenderjahres 2007 und endete am 31. Dezember 2011.

Für die Frage der Anlaufhemmung war nicht auf § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO abzustellen. Die Klägerin hat zwar nach Aufforderung des FA am 6. November 2001 eine Steuererklärung eingereicht. Diese war jedoch nicht geeignet, die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 1. Halbsatz AO zu beenden, da ihr keinerlei Hinweise auf die Veräußerung des Kommanditanteils und damit auf die mittelbare Schenkung des Veräußerungserlöses zu entnehmen waren.

4. Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

Insbesondere hat das FG die ihm obliegende Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht verletzt. Ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 FGO liegt nur vor, wenn das Gericht eine konkrete Möglichkeit, den von seinem Rechtsstandpunkt aus entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzuklären, nicht genutzt hat, obwohl sich ihm die Notwendigkeit der —weiteren— Aufklärung nach Lage der Akten, dem Beteiligtenvorbringen oder aufgrund sonstiger Umstände hätte aufdrängen müssen (BFH-Beschluss vom 4. Oktober 2016 II B 24/16, BFH/NV 2017, 164 , Rz 7).

Das FG musste ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt den Sachverhalt von Amts wegen nicht weiter dahin aufklären, ob —wie von der Klägerin im Revisionsverfahren behauptet— bereits vor dem 22. Dezember 2000 ein wirksamer mündlich geschlossener Schenkungsvertrag zwischen E und der Klägerin zustande gekommen ist. In dem notariell beurkundeten Übertragungsvertrag vom 22. Dezember 2000, in dem ausdrücklich vermerkt ist, dass für die Überlassung des Kommanditanteils keine Gegenleistung zu erbringen ist ("Schenkung" laut § 4 des Vertrags), finden sich keine Hinweise auf eine bereits zuvor erfolgte Schenkung. Der Übertragungsvertrag wäre auch nicht erforderlich gewesen, wenn die Klägerin zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrags bereits Inhaberin des Kommanditanteils gewesen wäre. Hinzu kommt, dass keine Gründe dafür zu erkennen sind, warum sich die Klägerin im Übertragungsvertrag erst nachträglich mit den Verfügungsbeschränkungen einverstanden erklärt haben sollte. Ein Anhaltspunkt für eine vor dem 22. Dezember 2000 erfolgte Schenkung des Kommanditanteils ergibt sich auch nicht daraus, dass im Übertragungsvertrag vom 22. Dezember 2000 vereinbart wurde, dass der Klägerin das Gewinnbezugsrecht vom 1. Dezember 2000 an zusteht. Denn insoweit enthält der Vertrag ebenfalls keine Bezugnahme auf eine frühere Schenkung.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO ).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO .

Vorinstanz: FG München, vom 09.04.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 4 K 1852/11
Fundstellen
BFHE 257, 345