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BFH - Entscheidung vom 03.08.2017

IV R 7/14

Normen:
EStG a.F. § 2a Abs. 3, § 15a Abs. 4
AO § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1
EStG a.F. § 2a Abs. 3
AO § 180 Abs. 5 Nr. 1
EStG a.F. § 15a Abs. 4
AO § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a)
AO § 180 Abs. 3 S. 1 Nr. 1

BFH, Urteil vom 03.08.2017 - Aktenzeichen IV R 7/14

DRsp Nr. 2017/16044

Richtiger Adressat von Bescheiden zur Feststellung der zum Verlustausgleich heranziehbaren Einkünfte

Inhaltsadressat eines Bescheids, mit dem im Rahmen der Feststellung der zum Verlustausgleich heranziehbaren Einkünfte i.S. des § 2a Abs. 3 EStG a.F. verrechenbare Verluste nach § 15a Abs. 4 EStG festgestellt werden, kann nur der Gesellschafter sein, dem die betreffenden Verluste zuzurechnen sind.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 22. Juli 2011 1 K 4383/09 F und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 6. November 2009, soweit sie die Feststellung verrechenbarer Verluste betreffen, sowie die Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 15a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes für 1995 bis 1997 und 1999 vom 20. Dezember 2005 sowie für 1999 vom 1. September 2009 aufgehoben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens IV R 7/14 sowie die Kosten des Klageverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Normenkette:

EStG a.F. § 2a Abs. 3 , § 15a Abs. 4 ; AO § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 , Abs. 5 Nr. 1 ;

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine inländische GmbH & Co. KG, an deren Vermögen in den Streitjahren (1995 bis 1997 und 1999) der alleinige Kommanditist B zu 100 % beteiligt war. Ihrerseits war die Klägerin in den Streitjahren als Kommanditistin mit 60 % der Vermögensanteile an der in der Republik Österreich (Österreich) ansässigen Ö–KG beteiligt. Die übrigen Anteile hielt ein in der Bundesrepublik Deutschland nicht steuerpflichtiger Kommanditist. In den Streitjahren erzielte die Ö–KG Verluste, die das eingezahlte Kommanditkapital überschritten. Jeweils vor dem Abschlussstichtag wurde jedoch eine entsprechende Kapitalerhöhung beschlossen und im Firmenbuch des zuständigen Landesgerichts in Österreich eingetragen. Einzahlungen auf diese Kapitalerhöhungen wurden nicht geleistet.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erließ für die Streitjahre unter dem 20. Dezember 2005 jeweils zwei Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen. In einem Bescheid wurden Verluste als "Anteil an den nach DBA steuerfreien gewerblichen Einkünften aus Betriebsstätten in Österreich, die bei Anwendung nach § 2 a Absatz 3 EStG zu berücksichtigen sind, oder alternativ laufende Einkünfte, für die statt § 2 a Absatz 3 EStG der Progressionsvorbehalt nach § 32 b EStG in Betracht kommt" festgestellt. Der Bescheid für das Jahr 1999 enthielt außerdem die Feststellung, dass die Ö–KG zwei Betriebsstätten "im Wirtschaftsjahr 1998/1999 entgeltlich übertragen hat (§ 2 a Abs. 4 Nr. 2 EStG )". Der jeweils zweite Bescheid betraf verrechenbare Verluste als "Besteuerungsgrundlagen nach § 15 a Absatz 4 EStG ". Festgestellt wurden insoweit auf das Ende des jeweils am 28./29. Februar endenden Wirtschaftsjahrs verrechenbare Verluste von ... DM für 1995, ... DM für 1996, ... DM für 1997 und ... DM für 1999, die jeweils als "Anteil an den nach DBA steuerfreien gewerblichen Einkünften aus Betriebsstätten in Österreich, die bei Anwendung nach § 2 a Absatz 3 EStG zu berücksichtigen sind, oder alternativ laufende Einkünfte, für die statt § 2 a Absatz 3 EStG der Progressionsvorbehalt nach § 32 b EStG in Betracht kommt" gekennzeichnet wurden. Der Berechnung lagen die im ersten Bescheid festgestellten Anteile an den steuerfreien gewerblichen Einkünften aus Betriebsstätten in Österreich zugrunde. Als ausgleichsfähig behandelte das FA nur Verluste in Höhe des eingezahlten Kapitals, weil der erweiterte Verlustausgleich nach § 15a Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes ( EStG ) auf inländische Personengesellschaften beschränkt sei. Die Bescheide waren an die Klägerin als Gesellschafterin der Ö–KG gerichtet. Gegen alle Bescheide erhob die Klägerin Einspruch.

Nach einer Außenprüfung ergingen für 1999 unter dem 1. September 2009 geänderte Bescheide, wobei mit dem Bescheid über die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 15a Abs. 4 EStG zum 28. Februar 1999 ein verrechenbarer Verlust von ... DM festgestellt wurde. Auch gegen diese Bescheide erhob die Klägerin Einspruch. Mit Einspruchsentscheidung vom 6. November 2009 wurden sämtliche Einsprüche zurückgewiesen.

Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) insoweit als unzulässig ab, als sie sich gegen die Feststellung der Anteile an den nach Doppelbesteuerungsabkommen ( DBA ) steuerfreien gewerblichen Einkünften aus Betriebsstätten in Österreich für die Jahre 1995 bis 1997 richtete, weil die Klägerin insoweit keine Rechtsverletzung geltend mache. In Bezug auf die übrigen Streitgegenstände hielt das FG die Klage für zulässig, aber unbegründet (FG Düsseldorf, Urteil vom 22. Juli 2011 1 K 4383/09 F).

Die vom FG zugelassene Revision führte zum Urteil des I. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. Juli 2013 I R 57/11 (BFHE 243, 102 , BStBl II 2016, 633 ). Der I. Senat legte die Revision dahin aus, dass sie nur die gesonderte Feststellung der Hinzurechnung nach § 2a Abs. 4 Nr. 2 EStG in dessen damaliger Fassung ( EStG a.F.) im Jahr 1999 sowie die gesonderten Feststellungen verrechenbarer Verluste betreffe. Das Verfahren betreffend die Feststellungen verrechenbarer Verluste trennte der I. Senat ab und verwies es zuständigkeitshalber an den IV. Senat. Dem Antrag auf Aufhebung der Feststellung zur Hinzurechnung nach § 2a Abs. 4 Nr. 2 EStG a.F. gab der I. Senat statt, weil der Bescheid fehlerhaft an die Klägerin selbst und nicht an deren Gesellschafter gerichtet gewesen sei.

In Bezug auf die Feststellungen verrechenbarer Verluste trägt die Klägerin vor, die verrechenbaren Verluste seien zwar auf der Grundlage des § 15a EStG zutreffend ermittelt worden. § 15a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 EStG verletzten aber ungerechtfertigt die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung auch insoweit aufzuheben, als sie die Feststellung verrechenbarer Verluste betreffen, sowie die Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 15a Abs. 4 EStG für 1995 bis 1997 und 1999 vom 20. Dezember 2005 sowie für 1999 vom 1. September 2009 aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Es liege zwar ein Eingriff in die Niederlassungsfreiheit vor. Dieser sei aber durch die Erfordernisse der Steueraufsicht und der Missbrauchsbekämpfung gerechtfertigt.

Die Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 15a Abs. 4 EStG seien ordnungsgemäß bekanntgegeben worden. Sie seien nicht mit einer gesonderten Feststellung nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung ( AO ) verbunden gewesen und hätten sich deshalb inhaltlich allein an die Klägerin als Kommanditistin der Ö–KG gerichtet.

II.

Die Revision ist auch in Bezug auf den noch anhängigen Streitgegenstand begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung und zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 15a Abs. 4 EStG126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).

1. Die Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 15a Abs. 4 EStG für 1995 bis 1997 und 1999 sind wegen Bekanntgabe an den falschen Inhaltsadressaten unwirksam.

a) Wie der I. Senat des BFH in seinem die Beteiligten bindenden Urteil in BFHE 243, 102 , BStBl II 2016, 633 entschieden hat, waren Feststellungen zu den steuerfreien Auslandseinkünften sowie zu den damit zusammenhängenden Besteuerungsgrundlagen nicht in einem zweistufigen Verfahren, sondern gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 AO in einem einstufigen Verfahren auf der Ebene der Klägerin gegenüber deren Gesellschaftern als Feststellungsbeteiligten durchzuführen. Die Feststellung der nach § 2a Abs. 3 EStG a.F. bzw. im Rahmen des Progressionsvorbehalts nach § 32b EStG a.F. zu berücksichtigenden steuerbefreiten Einkünfte hätte danach gesondert und einheitlich für die Gesellschafter der Klägerin durchgeführt werden müssen. Die stattdessen an die Klägerin selbst gerichteten Bescheide über die gesonderte Feststellung der betreffenden Einkünfte waren deshalb unwirksam.

b) Die Bescheide über die Feststellung der verrechenbaren Verluste i.S. des § 15a Abs. 4 EStG unterliegen denselben Mängeln wie die Einkünftefeststellungsbescheide. Diese betreffen inhaltlich einen Ausschnitt aus den Feststellungen über die nach § 2a Abs. 3 EStG a.F. bzw. im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts nach § 32b EStG a.F. zu berücksichtigenden Verluste. Nach § 2a Abs. 3 Satz 1 EStG a.F. konnte ein Verlust, der aus einer nach einem DBA zu steuerbefreiten Einkünften führenden ausländischen Betriebsstätte stammte, auf Antrag nur insoweit bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abgezogen werden, als er vom Steuerpflichtigen hätte ausgeglichen oder abgezogen werden können, wenn die Einkünfte nicht steuerbefreit gewesen wären. In gleicher Weise wurden in den Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 1 EStG a.F. negative steuerbefreite Einkünfte nur insoweit einbezogen, als diese nach § 15a EStG ausgleichsfähig waren (Schmidt/ Heinicke, EStG , 17. Aufl., § 32b Rz 22; vgl. auch Lüdemann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15a EStG Rz 44, zur heutigen Rechtslage).

Es bedurfte deshalb im Rahmen der Feststellung der zum Verlustausgleich heranziehbaren Einkünfte i.S. des § 2a Abs. 3 EStG a.F. bzw. der in den negativen Progressionsvorbehalt einzubeziehenden Einkünfte einer Ermittlung des ausgleichsfähigen Verlusts. Dieser hängt seinerseits mit dem verrechenbaren Verlust zusammen, weshalb die gesonderte und einheitliche Feststellung der inländischen Einkünfte und die gesonderte Feststellung des verrechenbaren Verlusts nach § 15a Abs. 4 EStG wechselseitig in einem Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid stehen (BFH-Urteil vom 22. Juni 2006 IV R 31, 32/05, BFHE 214, 239 , BStBl II 2007, 687 ).

Es kann dahinstehen, ob im Rahmen der Feststellung der zum Verlustausgleich heranziehbaren Einkünfte i.S. des § 2a Abs. 3 EStG a.F. bzw. der in den negativen Progressionsvorbehalt einzubeziehenden Einkünfte auch ein eigenständiger Bescheid über die Feststellung des verrechenbaren Verlusts nach § 15a Abs. 4 EStG erforderlich war. Jedenfalls kann Inhaltsadressat eines solchen Bescheids nur der Gesellschafter sein, dem im erstgenannten Fall die Einkünfte i.S. des § 2a Abs. 3 EStG a.F., im zweiten Fall die verrechenbaren Verluste zuzurechnen sind. Dies waren im Streitfall nach dem Urteil des I. Senats in BFHE 243, 102 , BStBl II 2016, 633 alle bzw. die beschränkt haftenden Gesellschafter der Klägerin. Selbst wenn der Verweis des § 180 Abs. 5 AO dahin zu verstehen sein sollte —was der I. Senat erwogen, aber für unzutreffend erachtet hat—, dass nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AO eine gesonderte Feststellung nur gegenüber dem alleinigen Kommanditisten B zu treffen wäre, müsste dieser Inhaltsadressat des Bescheids sein. Die angefochtenen Bescheide sind jedoch sämtlich an die Klägerin selbst als Inhaltsadressatin gerichtet.

c) Die Unwirksamkeit der Bescheide infolge fehlerhafter Bekanntgabe ist auch im Rahmen einer Anfechtungsklage zu beachten. Zur Beseitigung ihres Rechtsscheins sind die Bescheide aufzuheben.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1 , 136 Abs. 1 Satz 3 FGO .

Vorinstanz: FG Düsseldorf, vom 22.07.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 1 K 4383/09