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BFH - Entscheidung vom 12.11.2015

IV E 8/15

Normen:
§ 52 GKG
§ 66 Abs 1 GKG
§ 35 EStG 2002
GKG § 52 Abs. 1

Fundstellen:
BFH/NV 2016, 220

BFH, Beschluss vom 12.11.2015 - Aktenzeichen IV E 8/15

DRsp Nr. 2015/21130

Geschäftswert eines finanzgerichtlichen Verfahrens wegen einer einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung

1. NV: Der Streitwert im Gewinnfeststellungsverfahren ist auch dann typisiert mit einem pauschalen Satz von dem streitigen Verlust zu ermitteln, wenn sich der Verlust nachweislich auf die Steuerfestsetzung des Streitjahrs nicht auswirkt. 2 NV: Die Kriterien für die Bestimmung des pauschalen Satzes gelten grundsätzlich in gleicher Weise für Gewinne und Verluste. Bei Einkünften aus Gewerbebetrieb ist allerdings nur im Fall eines Gewinns ein Abschlag für die Möglichkeit zur Anrechnung nach § 35 EStG zu machen.

1. Bei Verfahren wegen einer gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung bemisst sich der Streitwert nach der typisierten einkommensteuerlichen Bedeutung für die Feststellungsbeteiligten. Diese ist grundsätzlich mit 25% des streitigen Gewinns oder Verlusts zu bemessen. 2. Ausnahmsweise kommt auch der Ansatz eines höheren Prozentsatzes in Betracht, wenn ohne besondere Ermittlungen im Gewinnfeststellungsverfahren erkennbar ist, dass der Pauschalsatz der tatsächlichen einkommensteuerlichen Auswirkungen nicht gerecht wird. Daher ist der Satz von 25% bei höheren Gewinn- bzw. Verlustanteilen wegen der infolge des progressiven Einkommensteuertarifs zu erwartenden höheren einkommensteuerlichen Auswirkung angemessen zu erhöhen. 3. Betrifft die gesonderte und einheitliche Feststellung gewerbliche Einkünfte, so ist wegen der Möglichkeit der Anrechnung von Gewerbesteuern nach § 35 EStG bei der Bemessung des typisierten Satzes ein angemessener Abschlag zu machen.

Normenkette:

GKG § 52 Abs. 1 ;

Gründe

I. Die Kostenschuldnerin und Erinnerungsführerin (Klägerin) hatte sich im Jahr 2004 als stille Gesellschafterin an der X-GmbH (Beigeladene) beteiligt. Die Klägerin und die Beigeladene gingen von einer atypisch stillen Beteiligung aus, die zum Entstehen einer Mitunternehmerschaft geführt habe. Für diese wurden Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte für die Streitjahre (2004 bis 2006) abgegeben, nach denen Verluste aus Gewerbebetrieb in Höhe von 367.887 € (2004), 976.420,65 € (2005) und 1.141.210 € (2006) entstanden waren. Hiervon entfielen unter Berücksichtigung von Sonderbetriebsausgaben 97 % auf die Klägerin. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) erließ zunächst erklärungsgemäße Feststellungsbescheide, kam aber nach einer Außenprüfung zu dem Ergebnis, dass keine Mitunternehmerschaft bestehe. Gegen die darauf ergangenen geänderten (negativen) Feststellungsbescheide erhob die Klägerin erfolglos Einspruch und später Klage.

Die gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (FG) vom 29. August 2014 3 K 2657/12 erhobene Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision verwarf der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 18. August 2015 IV B 86/14 als unzulässig.

Mit Kostenrechnung vom 4. September 2015 KostL … ( IV B 86/14) setzte die Kostenstelle des BFH für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde Gerichtskosten nach Nr. 6500 des Kostenverzeichnisses zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes ( GKG ) von 10.672 € fest. Dabei wurde ein Streitwert von 971.517 € zugrunde gelegt.

Hiergegen hat die Klägerin mit am 16. September 2015 eingegangenem Schriftsatz Erinnerung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, das FG habe für das Klageverfahren einen Streitwert von 566.000 € festgesetzt. Es sei nicht ersichtlich, wie die Kostenstelle des BFH zu einem weit höheren Streitwert komme.

Die Kostenstelle erläuterte die Berechnung des Streitwerts wie folgt:

Jahr  Verlust  Steuersatz  Streitwert 
2004  367.887 €  42 %  ./. 154.512 € 
2005  976.420 €  40 %  ./. 390.568 € 
2006  1.141.210 €  40 %  ./. 456.484 € 
      ./. 1.001.564 € 
Anteil Klägerin  97 %  ./. 971.517 € 

Die Klägerin trägt vor, der Verlust habe sich bei der Festsetzung der Einkommensteuer im Rahmen der Zusammenveranlagung mit ihrem Ehemann für 2004 mit dem Spitzensteuersatz von 42 %, in den Jahren 2005 und 2006 aber jeweils überhaupt nicht ausgewirkt. Zum Nachweis hat die Klägerin Kopien der Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 vorgelegt.

Der Kostenbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Nach dem FG-Urteil bestehe die Vermutung, dass sich die Verluste einkommensteuerlich mit dem Spitzensteuersatz ausgewirkt hätten. Die vom Ehemann der Klägerin vertretene GmbH sei Hauptsponsor eines Vereins. Solche Aufwendungen seien nur mit entsprechend hohen finanziellen Mitteln möglich, was sich auch in den geleisteten Einlagen in Millionenhöhe widerspiegele. Außerdem sei nach der Rechtsprechung des BFH auch dann an der pauschalen Ermittlung des Streitwerts festzuhalten, wenn die tatsächlichen steuerlichen Auswirkungen im Verfahren der gesonderten und einheitlichen Feststellung bekannt würden.

Die Vertreterin der Staatskasse (Erinnerungsgegnerin) beantragt, die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen. Die Ermittlung des Streitwerts sei nicht zu beanstanden.

II. Die Erinnerung ist nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen.

1. Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Finanzgerichten der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG ).

a) Bei Verfahren wegen einer gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung bemisst der BFH in ständiger Rechtsprechung den Streitwert nach der typisierten einkommensteuerlichen Bedeutung für die Feststellungsbeteiligten. Diese ist grundsätzlich —im Sinne einer Vereinfachungsregelung— mit 25 % des streitigen Gewinns oder Verlusts zu bemessen. Ausnahmsweise kommt der Ansatz eines höheren Prozentsatzes in Betracht, wenn ohne besondere Ermittlungen im Gewinnfeststellungsverfahren erkennbar ist, dass der Pauschalsatz der tatsächlichen einkommensteuerlichen Auswirkung nicht gerecht wird. Daher ist der Satz von 25 % bei höheren Gewinn- bzw. Verlustanteilen wegen der infolge des progressiven Einkommensteuertarifs zu erwartenden höheren einkommensteuerlichen Auswirkung angemessen zu erhöhen (vgl. aus jüngerer Zeit etwa BFH-Beschluss vom 31. Juli 2014 IV E 2/14, BFH/NV 2014, 1766 , m.w.N.).

Von der typisierten Berechnung ist auch dann auszugehen, wenn die konkreten einkommensteuerlichen Auswirkungen vorgetragen sind (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 16. Dezember 1998 IV E 1/98, BFH/NV 1999, 807 ; vom 28. Februar 2001 VIII E 5/00, BFH/NV 2001, 1035 , und vom 29. November 2012 IV E 7/12, BFH/NV 2013, 403 ). Selbst wenn ein Verlust festgestellt worden ist und dieser sich nachweislich auf die Steuerfestsetzung des Streitjahrs nicht auswirkt, verbleibt es bei der typisierten Streitwertberechnung (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1999, 807 , und in BFH/NV 2013, 403 ). Denn steuerliche Auswirkungen von Verlusten können unter unterschiedlichen Aspekten und im Hinblick auf die Möglichkeit des Verlustrücktrags bzw. –vortrags auch in verschiedenen Veranlagungszeiträumen eintreten. Von den dazu erforderlichen Ermittlungen soll das Feststellungsverfahren aber freigehalten werden, so dass sie bei der Bemessung des Streitwerts erst recht nicht in Betracht kommen können (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 807 ).

Betrifft die gesonderte und einheitliche Feststellung gewerbliche Einkünfte, ist wegen der Möglichkeit der Anrechnung von Gewerbesteuer nach § 35 des Einkommensteuergesetzes bei der Bemessung des typisierten Satzes ein angemessener Abschlag zu machen (BFH-Beschluss vom 10. Oktober 2006 VIII B 177/05, BFHE 214, 208 , BStBl II 2007, 54 ). Bei Feststellung eines Verlusts ist eine solche Korrektur des Pauschalsatzes allerdings im Regelfall nicht vorzunehmen, weil Bemessungsgrundlage für die Anrechnung der Gewerbesteuermessbetrag ist, der im Fall eines Verlusts jedoch grundsätzlich Null beträgt.

b) Danach ist die Berechnung des Streitwerts mit 971.517 € im Streitfall nicht zu beanstanden. Die Kostenstelle ist zu Recht von Pauschalsätzen in Höhe des Spitzensteuersatzes ausgegangen. Denn es war anzunehmen, dass die Verluste nur bei einem entsprechend hohen verfügbaren Einkommen aus anderen Quellen getragen werden konnten. Die Pauschalsätze sind im Übrigen zutreffend auf den streitigen Verlustanteil der Klägerin angewendet worden.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 66 Abs. 8 GKG ).

Fundstellen
BFH/NV 2016, 220