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BFH - Entscheidung vom 16.12.2015

IV R 8/12

Normen:
EStG § 16 Abs. 3 Satz 2
EStG § 16 Abs. 3 S. 2

Fundstellen:
BFHE 252, 141

BFH, Urteil vom 16.12.2015 - Aktenzeichen IV R 8/12

DRsp Nr. 2016/3180

Bewertung von real geteilten Anteilen an einer Mitunternehmerschaft bei Einbringung der Anteile in andere Personengesellschaften

Die vorherige Einbringung der Anteile an einer Mitunternehmerschaft in andere Personengesellschaften steht einer Realteilung der Mitunternehmerschaft mit Buchwertfortführung nicht entgegen, wenn an den anderen Personengesellschaften vermögensmäßig nur die Personen beteiligt sind, die zuvor auch an der Mitunternehmerschaft vermögensmäßig beteiligt waren.

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 9. Februar 2012 3 K 1348/10 F aufgehoben. Der Bescheid für 2002 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die W–KG vom 8. März 2010 wird, insoweit unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 20. April 2010, dahin geändert, dass ein Veräußerungsgewinn in Höhe von lediglich 192.734 € festgestellt wird.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Normenkette:

EStG § 16 Abs. 3 Satz 2;

Gründe

A.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind die ehemaligen Gesellschafter der W–KG. Komplementärin war die H–GmbH. Diese war am Vermögen und am Gewinn oder Verlust der W–KG nicht beteiligt. Die Kläger waren jeweils als Kommanditisten zu 50 % an der W–KG beteiligt. Im Betriebsvermögen der Gesellschaft befanden sich zahlreiche bebaute Grundstücke mit einem Buchwert auf den 31. Dezember 2002 in Höhe von rd. 5,6 Mio. €. Der gemeine Wert der Grundstücke und Gebäude belief sich auf rd. 8,6 Mio. €.

Im Laufe des Jahres 2002 (Streitjahr) kamen die Kläger überein, künftig getrennte Wege zu gehen und zu diesem Zweck das in der W–KG gehaltene Vermögen aufzuteilen. Daraufhin gründete am 13. Dezember 2002 der Kläger zu 1. zunächst die D–KG, an der er zu 100 % beteiligt war. Ebenso gründete am gleichen Tag der Kläger zu 2. die K–KG, an der er zu 100 % beteiligt war. Komplementär-GmbH ohne vermögensmäßige Beteiligung war an beiden Gesellschaften die H–GmbH.

In der Gesellschafterversammlung vom 27. Dezember 2002 beschlossen die Gesellschafter der W–KG, diese zu liquidieren und dabei wie folgt vorzugehen: Mit Wirkung zum 31. Dezember 2002, 12:00 Uhr, sollte, jeweils gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten, der Kläger zu 1. seine Kommanditbeteiligung an der W–KG in die D–KG und der Kläger zu 2. seine Kommanditbeteiligung an der W–KG in die K–KG einbringen. Im Anschluss sollten mit dinglicher Wirkung zum 31. Dezember 2002, 13:00 Uhr, sämtliche Wirtschaftsgüter der W–KG nach Maßgabe einer im Einzelnen festgelegten Aufteilung auf die D–KG bzw. die K–KG im Wege der Realteilung zu Buchwerten übertragen werden. In der Folgezeit wurde auch entsprechend verfahren.

Anlässlich einer Betriebsprüfung bei der W–KG kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass die Übertragung der Grundstücke von der W–KG auf die D–KG und die K–KG zu Buchwerten nicht zulässig sei. Es liege eine Übertragung in das Gesamthandsvermögen von zuvor nicht beteiligten Gesellschaften vor. Dass die D–KG und die K–KG am 31. Dezember 2002 zwischen 12:00 Uhr und 13:00 Uhr für eine Stunde und damit kurzzeitig Kommanditisten der W–KG gewesen seien, sei im Hinblick auf die sog. "Gesamtplanrechtsprechung" des Bundesfinanzhofs (BFH) unbeachtlich. Die danach gegebene Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern aus dem Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft in das Gesamthandsvermögen anderer Personengesellschaften zu Buchwerten sei nicht zulässig. Es liege daher bei der W–KG eine Betriebsaufgabe vor, die zu einem Aufgabegewinn in Höhe von 2.032.540 € führe.

Den Feststellungen der Betriebsprüfung folgend erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) unter dem 8. März 2010 einen geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung der W–KG für 2002 und erfasste darin einen (nach § 16 Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung —EStG— als Veräußerungsgewinn bezeichneten) Aufgabegewinn in Höhe von rd. 2 Mio. €, der in Höhe von 192.734 € auf der —zwischen den Beteiligten nicht streitigen— Auflösung des negativen Kapitalkontos des Klägers zu 1. beruht. Einspruch und Klage der Kläger blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 1256 abgedruckt.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger eine fehlerhafte Anwendung des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG .

Sie beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und den geänderten Bescheid für 2002 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 8. März 2010, insoweit unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 20. April 2010, dahin zu ändern, dass ein Veräußerungsgewinn in Höhe von lediglich 192.734 € festgestellt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

B.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Entgegen der Auffassung von FA und FG lagen die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG für eine Buchwertfortführung im Streitfall vor, so dass der Aufgabegewinn der W–KG nur in der von den Klägern beantragten Höhe festzustellen ist.

I. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die bei der Aufgabe eines Gewerbebetriebs erzielt werden.

1. Aufgabegewinn ist gemäß § 16 Abs. 3 Sätze 7 und 8 i.V.m. Abs. 2 EStG der Betrag, um den die Summe aus dem Veräußerungspreis für die im Rahmen der Betriebsaufgabe veräußerten Wirtschaftsgüter, aus dem gemeinen Wert der ins Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter und aus den in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Aufgabe angefallenen sonstigen Erträgen oder Aufwendungen nach Abzug der Aufgabekosten den (Buch–)Wert des Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Aufgabe übersteigt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 1. August 2013 IV R 18/11, BFHE 242, 315 , BStBl II 2013, 910 , Rz 15).

2. Werden im Zuge der Realteilung einer Mitunternehmerschaft Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder einzelne Wirtschaftsgüter in das jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer übertragen, so sind nach § 16 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 EStG bei der Ermittlung des Gewinns der Mitunternehmerschaft die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist.

II. Danach hat die W–KG bei der Berechnung ihres Aufgabegewinns zu Recht die im Zuge ihrer Realteilung auf die D–KG und die K–KG übertragenen Wirtschaftsgüter mit den Buchwerten angesetzt.

1. Der Tatbestand des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG ist seinem Wortlaut nach erfüllt. Nach der tatsächlichen zivilrechtlichen Gestaltung waren zum maßgeblichen Zeitpunkt der Realteilung an der W–KG nicht mehr die Kläger, sondern die D–KG und die K–KG als Mitunternehmer beteiligt, und die einzelnen Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens der W–KG wurden in die Gesamthandsvermögen dieser Gesellschaften und damit in das jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer übertragen. Zwischen den Beteiligten ist auch zu Recht nicht streitig, dass nach diesen Übertragungen die Besteuerung der in den übertragenen Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven sichergestellt war.

2. Zu Unrecht gehen FA und FG davon aus, dass die zivilrechtlichen Vereinbarungen, denen zufolge die Kläger ihre Beteiligungen an der W–KG zum 31. Dezember 2002 —12:00 Uhr— in die D–KG bzw. die K–KG eingebracht haben, steuerrechtlich mit der Folge nicht zu berücksichtigen seien, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Realteilung nicht diese Gesellschaften, sondern weiterhin die Kläger Mitunternehmer der W–KG gewesen seien.

Entgegen der Auffassung von FA und FG gibt es keinen allgemeingültigen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine aufgrund einheitlicher Planung in engem zeitlichem und sachlichem Zusammenhang stehende Mehrzahl von Rechtsgeschäften für die steuerliche Beurteilung zu einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang zusammenzufassen und sodann unter den Steuertatbestand zu subsumieren ist. Vielmehr kann im konkreten Einzelfall lediglich Anlass zu der Prüfung bestehen, ob die Voraussetzungen eines Gestaltungsmissbrauchs nach § 42 der Abgabenordnung ( AO ) vorliegen oder ob eine Norm des materiellen Steuerrechts teleologisch dahingehend auszulegen ist, dass sie auf einen bestimmten Lebenssachverhalt nicht angewendet wird, obwohl der Tatbestand der Norm dem Wortlaut nach verwirklicht ist. Grundlage der Steuerrechtsanwendung ist dabei jeweils die zivilrechtliche Gestaltung. Erfüllt diese die Voraussetzungen des § 42 AO , entsteht der Steueranspruch nach § 42 Abs. 1 Satz 2 AO in der im Streitjahr noch geltenden Fassung so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Anderenfalls ist das Steuergesetz auf das zivilrechtlich verwirklichte Rechtsgeschäft anzuwenden. Bei der Auslegung des Steuergesetzes sind die allgemeinen Grundsätze anzuwenden, zu denen auch die am Zweck des Gesetzes orientierte Auslegung gehört (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 9. Dezember 2014 IV R 29/14, BFHE 247, 449 , und IV R 36/13, BFHE 248, 75 , BStBl II 2015, 529 ; vom 17. Dezember 2014 IV R 57/11, BFHE 248, 66 , BStBl II 2015, 536 ). Ein daneben bestehendes oder darüber hinausgehendes Rechtsinstitut eines "Gesamtplans" gibt es nicht.

Im Streitfall ist der Tatbestand des § 42 Abs. 1 AO in seiner damals geltenden Fassung bereits deshalb nicht erfüllt, weil für die gewählte Gestaltung mit dem Begehren der Kläger, die bisherige Tätigkeit in der W–KG in Zukunft getrennt voneinander, aber jeder für sich in einer GmbH & Co. KG fortzuführen, ein beachtlicher außersteuerrechtlicher Grund vorliegt.

3. Eine teleologische Reduktion des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG dahin, dass er den Streitfall nicht erfasst, obwohl der Tatbestand der Norm dem Wortlaut nach gegeben ist, ist nicht geboten.

a) § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG will die Realteilung als Umstrukturierungsmaßnahme auch bei Zuteilung von einzelnen Wirtschaftsgütern steuerneutral ermöglichen, sofern das unternehmerische Engagement in anderer Form fortgesetzt wird und die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist (vgl. BTDrucks 14/6882, S. 34). Wie sich aus dem Tatbestand der Norm ergibt, dem zufolge die Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder einzelnen Wirtschaftsgüter der real geteilten Personengesellschaft "in das jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer" übertragen werden müssen, setzt die Norm dabei voraus, dass die stillen Reserven auch nach der Übertragung (allein) den Realteilern zuzurechnen sind. Unschädlich ist hingegen, wenn im Zuge der Realteilung stille Reserven von einem Realteiler auf einen anderen Realteiler verlagert werden; insoweit setzt § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG zwar eine personenidentische, nicht aber zusätzlich die beteiligungsidentische Beteiligung der Realteiler an den stillen Reserven vor und nach der Realteilung voraus. So ist anerkannt, dass in den Fällen, in denen die Summe der Buchwerte der den Realteilern zugeteilten Wirtschaftsgüter nicht dem jeweiligen Betrag ihrer Kapitalkonten entspricht, die Kapitalkonten durch Auf– oder Abstocken dahin angepasst werden, dass ihre Höhe der Summe der übernommenen Wirtschaftsgüter entspricht (Kapitalkontenanpassungsmethode), was zu einer Verlagerung von stillen Reserven von einem Realteiler auf den anderen führt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 10. Februar 1972 IV 317/65, BFHE 104, 543 , BStBl II 1972, 419 ; vom 10. Dezember 1991 VIII R 69/86, BFHE 166, 476 , BStBl II 1992, 385 ; vom 18. Mai 1995 IV R 20/94, BFHE 178, 390 , BStBl II 1996, 70 ).

b) Danach steht es der Buchwertfortführung nach § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG im Streitfall nicht entgegen, dass die Kläger aufgrund einheitlicher Planung und in engem zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der Realteilung der W–KG in einem ersten Schritt ihre Beteiligungen an der W–KG in die D–KG bzw. die K–KG eingebracht und erst danach die W–KG in einem zweiten Schritt real geteilt haben. Denn die zunächst erfolgte Einbringung der Beteiligungen an der W–KG in die D–KG bzw. die K–KG steht dem Zweck des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG nicht entgegen. Vor der Einbringung waren an den in den Einzelwirtschaftsgütern der W–KG enthaltenen stillen Reserven nur die Kläger beteiligt. Da auch nur sie an der D–KG bzw. der K–KG vermögensmäßig beteiligt sind, sind auch nach der Realteilung der W–KG an den in ihren Einzelwirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven im Ergebnis nur die Kläger beteiligt. Die Zwischenschaltung der D–KG und der K–KG steht danach dem Zweck des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG , eine Buchwertfortführung nur zu ermöglichen, wenn die stillen Reserven bei den Realteilern verbleiben, im Streitfall nicht entgegen.

c) Dahinstehen kann, ob eine Buchwertfortführung nach § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG —gegen seinen Wortlaut— auch dann möglich ist, wenn Einzelwirtschaftsgüter im Wege der Realteilung aus dem Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft in das Gesamthandsvermögen einer an dieser nicht beteiligten anderen Personengesellschaft übertragen werden, an der die Realteiler lediglich beteiligt sind. Denn ein solcher Fall liegt hier —entgegen der Auffassung von FA und FG— nicht vor.

4. Die Sache ist spruchreif. Die sich aus der demnach zulässigen Buchwertfortführung ergebende Minderung des Aufgabegewinns der W–KG ist der Höhe nach zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO .

Vorinstanz: FG Düsseldorf, vom 09.02.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 3 K 1348/10
Fundstellen
BFHE 252, 141