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BGH - Entscheidung vom 05.05.2011

IX ZB 75/10

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
InsO § 27 Abs. 2
InsO § 212

BGH, Beschluss vom 05.05.2011 - Aktenzeichen IX ZB 75/10

DRsp Nr. 2011/10310

Zulässigkeit einer Bezugnahme auf Aktenbestandteile i.R.d. Bezeichnung des Insolvenzschuldners im Eröffnungsbeschluss

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 9. März 2010 wird auf Kosten der Schuldnerin als unzulässig verworfen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 72.900 € festgesetzt.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ; InsO § 27 Abs. 2 ; InsO § 212 ;

Gründe

I.

Auf Antrag des weiteren Beteiligten zu 1 (fortan: Gläubiger) vom 7. Dezember 2009 ist mit Beschluss vom 30. Dezember 2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der weitere Beteiligte zu 2, der bereits als Gutachter tätig gewesen war, zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Die Anschrift der Schuldnerin ist im Beschluss mit "R. straße , B. " angegeben worden. Mit Schreiben vom 14. Januar 2010 hat die Schuldnerin, vertreten durch ihren Geschäftsführer die "sofortige Einstellung des eingeleiteten Insolvenzverfahrens" beantragt. Sie hat vorgetragen, ihr Geschäftssitz befinde sich nicht in der R. straße , sondern in der B. straße in B. ; die Geschäftsleitung der Schuldnerin wisse nichts von dem ganzen Vorgang und habe auch nie Kontakt zum Insolvenzverwalter gehabt. Mit weiterem Schreiben vom 4. Februar 2010 hat die Schuldnerin erklärt, die Forderung des Gläubigers sei zwischenzeitlich ausgeglichen worden; sie, die Schuldnerin, sei nie zahlungsunfähig gewesen. Das Insolvenzgericht hat die Eingabe als sofortige Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss behandelt, hat ihr nicht abgeholfen und hat die Sache dem Beschwerdegericht vorgelegt; dieses hat die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde will die Schuldnerin die Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses, hilfsweise die Einstellung des Insolvenzverfahrens erreichen.

II.

Soweit die Rechtsbeschwerde mit dem Ziel der Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses eingelegt worden ist, ist sie nach § 34 Abs. 2 , §§ 6 , 7 InsO , § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Hinsichtlich der hilfsweise angestrebten Einstellung des Insolvenzverfahrens folgt ihre Statthaftigkeit aus § 216 Abs. 2 , §§ 6 , 7 InsO , § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO . Sie ist jedoch unzulässig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Insolvenzgerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO ).

1.

Das Beschwerdegericht ist nicht in einer die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begründenden Weise von dem Senatsurteil vom 9. Januar 2003 ( IX ZR 85/02, ZIP 2003, 356 ) abgewichen. Der genannten Entscheidung zufolge muss der Insolvenzschuldner im Eröffnungsbeschluss eindeutig und zutreffend bezeichnet werden (vgl. § 27 Abs. 2 InsO ); Bezugnahme auf Aktenbestandteile sind unzulässig. Das Beschwerdegericht hat den die postalische Anschrift der Schuldnerin betreffenden Einwand der Beschwerde nur unter dem (zutreffend verneinten) Gesichtspunkt einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gewürdigt. Damit hat es jedoch nicht - weder ausdrücklich noch konkludent - den unzutreffenden Obersatz aufgestellt, der Insolvenzschuldner brauche im Eröffnungsbeschluss nicht eindeutig und zutreffend benannt zu werden. Der Eröffnungsbeschluss vom 30. Dezember 2009 bezeichnete die Schuldnerin zutreffend mit Firma, Sitz sowie der Nummer, unter welcher sie im Handelsregister eingetragen ist. Er muss nicht aufgehoben werden, weil er die frühere Anschrift der Schuldnerin enthält, unter der jetzt noch ihr Geschäftsführer wohnhaft ist.

2.

Der Anspruch der Schuldnerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG ) wurde nicht verletzt.

a)

Die Rechtsbeschwerde meint, das Insolvenzgericht hätte den Schriftsatz vom 20. Februar 2010 als Antrag auf Einstellung des Verfahrens nach § 212 InsO auslegen müssen. Selbst wenn eine entsprechende Auslegung möglich gewesen wäre, läge darin, dass das Insolvenzgericht ihn nur als Begründung der bereits eingelegten sofortigen Beschwerde verstanden hat, kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG . Ein nachträglicher Wegfall des Eröffnungsgrundes wird in ihm weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, wie die Rechtsbeschwerde selbst nicht verkennt.

b)

Das Insolvenzgericht hat auch nicht, wie die Rechtsbeschwerde weiter meint, die Schuldnerin durch einen unzutreffenden rechtlichen Hinweis unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG von der Stellung eines erfolgversprechenden Antrags auf nachträgliche Einstellung des Insolvenzverfahrens wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes (§ 212 InsO ) abgehalten. Die Rechtsbeschwerde legt nicht dar, welche Tatsachen die Schuldnerin vorgetragen und glaubhaft gemacht hätte, wenn das ihrer Ansicht nach irreführende Telefonat vom 21. Januar 2010 nicht stattgefunden hätte. Das Insolvenzverfahren ist nur dann auf Antrag des Schuldners einzustellen, wenn gewährleistet ist, dass nach der Einstellung beim Schuldner weder Zahlungsunfähigkeit noch drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt (§ 212 Satz 1 InsO ). Ein Wegfall der Forderung des antragstellenden Gläubigers reicht hierfür nicht aus (zuletzt BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2010 - IX ZB 1/10, NZI 2011, 20 Rn. 4). Die Rechtsbeschwerde verweist im Übrigen nur auf Forderungen der Schuldnerin, auf die Zahlungseingänge zu erwarten gewesen seien. Dass es sich insoweit um aktuell verfügbare oder kurzfristig verfügbar werdende Mittel handelte, ist nach wie vor nicht hinreichend dargelegt.

3.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.

Vorinstanz: AG Braunschweig, vom 30.12.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 272 IN 128/09
Vorinstanz: LG Braunschweig, vom 09.03.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 6 T 127/10