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BGH - Entscheidung vom 24.05.2011

5 StR 161/11

Normen:
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StGB a.F. § 176a Abs. 2
StGB a.F. § 184 Abs. 3

BGH, Beschluss vom 24.05.2011 - Aktenzeichen 5 StR 161/11

DRsp Nr. 2011/10863

Verwendungsabsicht hinsichtlich der von den Taten gefertigten pornografischen Schriften als Voraussetzung einer Strafbarkeit nach § 176a Abs. 2 StGB a.F.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 21. Januar 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Verbreitung pornografischer Schriften verurteilt worden ist, und

b) im Gesamtstrafausspruch.

Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

StPO § 349 Abs. 2 ; StPO § 349 Abs. 4 ; StGB a.F. § 176a Abs. 2 ; StGB a.F. § 184 Abs. 3 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Verbreitung pornografischer Schriften (Einsatzstrafe zwei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe) und wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften (zehn Monate Freiheitsstrafe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

a) Der unter anderem am 22. August 2001 durch das Amtsgericht Nauen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilte Angeklagte hatte im November 2000 in Falkensee ein Gartengrundstück gepachtet. Mit den Kindern O., S. und D. setzte er ab Sommer 2001 bis 17. Juni 2002 Schuppen und Garten in Stand. Er filmte die Jungen bei Gartenarbeiten, die sie - auf seinen Wunsch - nackt ausführten. Der Angeklagte stellte "FKK-Filme" her und verkaufte diese an die Firma P. in Lübeck, die sie an Pädophile weiter veräußerte. Darüber hinaus veranlasste er die Kinder, sich vor laufender Kamera gegenseitig an den Geschlechtsteilen zu manipulieren und sich selbst zu befriedigen, wobei sie auf Geheiß des Angeklagten Massagegeräte zur Selbstbefriedigung benutzten. Auch dem kamen die Kinder freiwillig nach, da sie hierfür vom Angeklagten entlohnt wurden. Diese Aufnahmen dienten der eigenen sexuellen Stimulation des Angeklagten, ebenso wie die am 1. Juli 2010 auf dem nämlichen Grundstück in der Hütte des Angeklagten sicher gestellten etwa 1.000 Datenträger mit kinderpornografischen Bildern und der Darstellung sexueller Handlungen von Knaben.

b) Auf nicht aufgeklärte Weise gelangten vom Angeklagten gefertigte Abbildungen sexueller Handlungen der Zeugen O. und S. ins Ausland und von dort wieder nach Deutschland. Bei einem Verdächtigen in Thüringen kam es zur Sicherstellung solcher Bilder. Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten, er habe Bilder und Filme mit sexuellen Handlungen selbst nicht verkauft oder verschenkt, nicht zu widerlegen vermocht. Der Angeklagte hatte hierzu angegeben, dass sein späterer - im Februar 2010 verstorbener - Geschäftspartner D. heimlich solche Bilder und Filme verkauft haben könnte. Das Landgericht hat aus dem vom Angeklagten eingestandenen Umstand, er habe "etwa im Jahr 2000" (UA S. 8) seinem zwei Jahre später verschollenen niederländischen Geschäftspartner M. beim Vertrieb der FKK-Filme sein gesamtes Filmmaterial "aus steuerlichen Gründen" (UA S. 8) ungesichtet überlassen und er könne nicht ausschließen, dass dieser auch - absprachewidrig - pornografisches Material verkauft habe, darauf geschlossen, dass der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen habe, dass M. auch das pornografische Material weiter verbreiten werde. Zu einer Zahlung durch Letzteren an den Angeklagten kam es nicht.

2. Diese Feststellungen tragen das ausgeurteilte Verbrechen gemäß § 176a Abs. 2 StGB aF und das tateinheitlich hiermit verbundene Vergehen gemäß § 184 Abs. 3 und 4 StGB aF nicht.

a) Eine Strafbarkeit des Angeklagten gemäß § 176a Abs. 2 StGB aF scheitert bislang daran, dass der Angeklagte nach den Feststellungen bei Veranlassung der sexuellen Handlungen der Kinder nicht die Absicht hatte, die von den Taten gefertigten pornografischen Schriften im Sinne des § 184 Abs. 3 StGB aF zu verwenden (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2001 - 1 StR 66/01, BGHSt 47, 55 , 58). Die Strafkammer hat vielmehr festgestellt, dass die gefilmten sexuellen Handlungen lediglich der eigenen sexuellen Stimulation des Angeklagten dienten.

b) Auf dieser Grundlage war das Landgericht mangels Feststellung der Voraussetzungen gewerbsmäßigen Handelns auch gehindert, eine Strafbarkeit gemäß § 184 Abs. 4 StGB aF anzunehmen.

Darüber hinaus stößt schon die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe kinderpornografische Schriften über M. im Sinne des § 184 Abs. 3 Nr. 1 StGB aF verbreitet, unter mehreren Aspekten auf durchgreifende Bedenken.

Die nach der vom Landgericht als unwiderlegt angesehenen Einlassung des Angeklagten "etwa im Jahr 2000" an M. übergebenen Filme und Bilder können nur tatbestandsrelevant sein, falls es sich um solche handelt, die im Tatzeitraum Sommer 2001 bis 17. Juni 2002 gefertigt worden sind. Hierzu mangelt es an näheren Darlegungen.

Des Weiteren beruht die Annahme, der Angeklagte habe eine Weiterverbreitung durch M. in Kauf genommen, auf einer den Angeklagten belastenden Fehlinterpretation von dessen teilgeständiger Einlassung. Der Angeklagte hat gerade keinen Willen hinsichtlich einer Verbreitung bekundet, sondern im Gegenteil auf eine Absprache hingewiesen, aufgrund derer M. die kinderpornografischen Abbildungen nicht weitergeben sollte. Das Landgericht, das alle weiteren Einlassungen des Angeklagten beweiswürdigend bestätigt gesehen hat, ist auf diesen Umstand in seiner Beweiswürdigung nicht eingegangen. Es hat das behauptete Motiv für die Übergabe auch nicht zur Widerlegung der Einlassung herangezogen. Der Schluss auf einen bedingten Vorsatz des Angeklagten ist somit ohne eine argumentative Überwindung eines wesentlichen Details aus der Einlassung des Angeklagten und ohne die notwendige eigenständige Begründung aus anderen Umständen gezogen worden.

3. Der Senat schließt nicht aus, dass bei weitergehenden sorgfältigeren Feststellungen - insbesondere unter Heranziehung der belastenden tatzeitnahen Umstände aus der Vorverurteilung des Angeklagten hinsichtlich eines gewinnbringenden Verkaufs solcher Bilder (UA S. 5) - es möglich erscheint, die Voraussetzungen des Verbrechenstatbestandes des § 176a Abs. 2 StGB aF in subjektiver Hinsicht noch zu begründen. Dies gilt auch hinsichtlich des allein nicht verjährten Vergehens gemäß § 184 Abs. 4 StGB aF.

Sollte ein solcher Schuldnachweis nicht gelingen, wird zur erschöpfenden Kognition des angeklagten Sachverhalts die Sache hinsichtlich einer Strafbarkeit gemäß § 176 Abs. 2 StGB aF, eventuell sogar unter dem Gesichtspunkt des Qualifikationstatbestandes gemäß § 176a Abs. 1 StGB (identisch mit § 176a Abs. 1 Nr. 4 StGB aF) neuer Aufklärung und Bewertung bedürfen.

Der Angeklagte hat bisher eingeräumt, dass er ab Sommer 2001 bis 17. Juni 2002 drei Kinder dazu bestimmt hat, sexuelle Handlungen an den jeweils anderen vorzunehmen und an sich vornehmen zu lassen. Dies begründet, weil auch Kinder als Dritte im Sinne des § 176 Abs. 2 StGB zu verstehen sind (BGH, Urteil vom 24. März 1999 - 3 StR 240/98, BGHSt 45, 41 , 42), eine Strafbarkeit nach dieser Vorschrift. Das Landgericht hat zwar bisher nähere Feststellungen zu den Tatzeiten und dem Tatumfang nicht getroffen. Dies erscheint indes nachholbar und wäre zur Prüfung notwendig, ob der Angeklagte unter Missachtung der Warnwirkung seiner Verurteilung durch das Amtsgericht Nauen vom 22. April 2001 gehandelt hat, was den Anwendungsbereich des § 176a Abs. 1 StGB eröffnen könnte.

4. Der Schuldspruch und der Strafausspruch gemäß § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB bleiben von dem Rechtsfehler unberührt. Das Entfallen eines der beiden Schuldsprüche entzieht dem Gesamtstrafausspruch die Grundlage.

Vorinstanz: LG Potsdam, vom 21.01.2011