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BGH - Entscheidung vom 25.01.2011

II ZR 171/09

Normen:
ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 544 Abs. 7

BGH, Beschluss vom 25.01.2011 - Aktenzeichen II ZR 171/09

DRsp Nr. 2011/2817

Sekundäre Darlegungslast im Rahmen der Vorteilsausgleichung bei nur dem Geschädigten bekannten Tatsachen

1. Ist der Schädiger nicht in der Lage, im Rahmen der Vorteilsausgleichung die anzurechnenden Vorteile darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, weil es um Tatsachen geht, die nur dem Geschädigten bekannt sind, trifft diesen eine sekundäre Darlegungslast, wenn deren Mitteilung dem Geschädigten zumutbar ist.2. Eine Anrechnung von Steuervorteilen kommt nicht in Betracht, wenn der Anleger bei zutreffender Risikoaufklärung sein Geld anders, aber ebenfalls steuersparend angelegt hätte.3. Die Kausalität eines Prospektfehlers für die Anlageentscheidung wird bei einem Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung grundsätzlich vermutet.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerden des Klägers und der Beklagten wird das Teil- und Grundurteil des 26. Zivilsenats des Kammergerichts vom 22. Juni 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

ZPO § 138 Abs. 3 ; ZPO § 544 Abs. 7 ;

Gründe

Die Beschwerden der Parteien sind begründet und führen gemäß § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

1.

Das Berufungsgericht hat auf den Klageantrag zu 1 (Rückzahlung der Einlage Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung an dem G. -Fonds 18 auf die Beklagte) ein Grundurteil erlassen: Von der Einlage des Klägers in Höhe von 511.000 EUR seien 488.537 EUR bereits im Wege des Vorteilsausgleichs durch die Steuervorteile des Klägers und die Ausschüttungen aufgewogen. Den noch verbleibenden Betrag von 22.463 EUR müsse die Beklagte dem Grunde nach dem Kläger erstatten, soweit nicht auch dieser Betrag durch die noch nicht berücksichtigten Ausschüttungen oder Steuervorteile seit dem 1. Januar 2005 ausgeglichen sei, was noch zu prüfen sei. Dem Freistellungsantrag zu 2 hat das Berufungsgericht Zug um Zug gegen Übertragung des Gesellschaftsanteils stattgegeben mit der Maßgabe, dass Steuervorteile und Ausschüttungen anzurechnen sind, soweit sie 511.000 EUR übersteigen. Dem Feststellungsantrag zu 3 (Ersatz künftiger Schäden) hat es wie beantragt entsprochen.

2.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten beanstandet zu Recht, dass dem Vortrag der Beklagten zur Höhe der anzurechnenden Steuervorteile des Klägers nicht nachgegangen und damit gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs verstoßen worden sei.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug seine durch die Beteiligung an dem GEHAG-Fonds 18 erzielten Steuervorteile für die Zeit bis Ende 2005 (richtig wohl 2004) auf 403.200 EUR beziffert, ohne dazu nähere Angaben zu machen (Schriftsatz vom 26. September 2006, GA I 219). Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag als unstreitig behandelt. Die Beklagte hatte jedoch behauptet, die Steuervorteile betrügen 616.436,91 EUR (Schriftsatz vom 24. August 2005, GA I 176). Den Gegenvortrag des Klägers hat sie bestritten (Schriftsatz vom 26. Oktober 2006, GA I 238). Damit war der Klägervortrag auch im zweiten Rechtszug streitig.

Das Bestreiten der Beklagten ist erheblich. Zwar obliegt es im Rahmen der Vorteilsausgleichung grundsätzlich dem Schädiger, die anzurechnenden Vorteile darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Ist der Schädiger dazu aber nicht in der Lage, weil es um Tatsachen geht, die nur dem Geschädigten bekannt sind und deren Mitteilung dem Geschädigten zumutbar ist, trifft diesen eine sekundäre Darlegungslast (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2007 - II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 Rn. 27; Urteil vom 22. März 2010 - II ZR 203/08, [...] Rn. 31). Danach muss der Kläger die für die Berechnung seiner Steuervorteile nötigen Tatsachen darlegen. Kommt er dieser Darlegungslast nicht nach, ist nach § 138 Abs. 3 ZPO von unstreitigen Steuervorteilen in der von der Beklagten behaupteten Höhe von 616.436,91 EUR auszugehen.

3.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist gleichfalls begründet, weil auch sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt ist.

Das Berufungsgericht hat eine Vorteilsausgleichung in Bezug auf die Steuervorteile des Klägers angenommen, ohne dem unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers nachzugehen, er hätte bei zutreffender Aufklärung über das Risiko der Nichtgewährung einer Anschlussförderung zwar nicht diese Anlage gezeichnet, wäre aber einem Schiffsfonds beigetreten und hätte dadurch noch höhere Steuervorteile als durch die Beteiligung an dem G. -Fonds erzielt (Schriftsatz vom 26. September 2006, GA I 219 f.). Diesen Vortrag durfte das Berufungsgericht nicht mit der Begründung unberücksichtigt lassen, dazu stehe das übrige Vorbringen des Klägers in Widerspruch. Es hätte vielmehr den dazu vom Kläger benannten Zeugen S. vernehmen müssen. Da S. den Kläger aufgrund früherer Anlagegeschäfte kannte, ist nicht auszuschließen, dass seine Vernehmung Aufschluss über die - innere - Tatsache der Anlagestrategie des Klägers hätte geben können.

Dieser Vortrag ist vom Standpunkt des Berufungsgerichts aus auch entscheidungserheblich, weil eine Anrechnung von Steuervorteilen nicht in Betracht kommt, wenn der Anleger bei zutreffender Risikoaufklärung sein Geld anders, aber ebenfalls steuersparend angelegt hätte (BGH, Urteil vom 6. Februar 2006 - II ZR 329/04, ZIP 2006, 893 Rn. 20 f.).

4.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

a)

Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Prospektfehler darin gesehen, dass in dem Fondsprospekt die Anschlussförderung als gesichert dargestellt wird. Das hat der Senat bereits in den Urteilen vom 22. März 2010 zum G. -Fonds 18 entschieden ( II ZR 168/08 und 178/08, jeweils [...] Rn. 12 ff.).

b)

Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Kausalität des Prospektfehlers für die Anlageentscheidung des Klägers werde nicht vermutet, ist dagegen unzutreffend. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats - auch zu dem hier einschlägigen G. -Fonds 18 (BGH, Urteile vom 22. März 2010 aaO, jeweils Rn. 18 ff.; siehe auch Urteil vom 22. März 2010 - II ZR 66/08, ZIP 2010, 1030 Rn. 17 ff. m.w.N.) - wird bei einem Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds die Kausalität eines Prospektfehlers für die Anlageentscheidung aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung grundsätzlich vermutet. Umstände, die diese Vermutung entfallen lassen, sind nicht festgestellt.

Bei der Prüfung, ob die Beklagte die Vermutung widerlegt hat, wird das Berufungsgericht dem noch nicht erledigten Beweisantritt der Beklagten durch Parteivernehmung des Klägers nachzugehen haben. Sollte es danach auf die Glaubwürdigkeit des Zeugen S. ankommen, wird das Berufungsgericht der Beklagten Gelegenheit geben müssen klarzustellen, zu welchem Beweisthema der Zeuge N. benannt sein soll (siehe Schriftsatz vom 9. Juni 2008, GA II 151). Gegebenenfalls wird der Zeuge N. zu vernehmen sein, um die Glaubwürdigkeit des Zeugen S. überprüfen zu können.

Im Rahmen der Beweiswürdigung wird das Berufungsgericht auch zu berücksichtigen haben, dass der Kläger vorgetragen hat, bei zutreffender Aufklärung hätte er nicht den G. -Fonds, sondern eine Beteiligung an dem Schiffsfonds "MS D. " gezeichnet.

c)

Ein Verschulden der Organe der Beklagten hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen (vgl. Senatsurteile vom 22. März 2010 zum G. -Fonds 18 - II ZR 168/08 und 178/08, jeweils [...] Rn. 26 ff.; siehe auch Urteil vom 22. März 2010 - II ZR 66/08, ZIP 2010, 1030 Rn. 25 ff.).

d)

Das Berufungsgericht wird die Fassung des Klageantrags zu 2 zu prüfen haben. Der darin geltend gemachte Freistellungsanspruch ist nicht vollstreckbar, weil zwar die Anrechnung von Steuervorteilen und Ausschüttungen angeordnet, diese aber nicht beziffert sind. Ein Freistellungsanspruch muss jedoch - wie ein Zahlungsanspruch - nach Grund und Höhe bestimmt sein. Kann der Gläubiger keine genauen Zahlen angeben, ist der Freistellungsantrag unzulässig. Stattdessen kann auf Feststellung der Freistellungspflicht geklagt werden (BGH, Urteil vom 22. März 2010 - II ZR 66/08, ZIP 2010, 1030 Rn. 33 ff. m.w.N).

5.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.550.000 EUR festgesetzt, wovon 488.537 EUR auf die Beschwerde des Klägers und 1.061.463 EUR auf die Beschwerde der Beklagten entfallen.

Vorinstanz: KG Berlin, vom 22.06.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 26 U 122/07
Vorinstanz: LG Berlin, vom 15.05.2007 - Vorinstanzaktenzeichen O 402/05