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BGH - Entscheidung vom 01.02.2011

4 StR 550/10

Normen:
StPO § 261
StPO § 344 Abs. 2 S. 2
StPO § 349 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 01.02.2011 - Aktenzeichen 4 StR 550/10

DRsp Nr. 2011/3845

Richtigkeit einer Strafzumessung bei Berücksichtigung erfolgter Rückzahlungen durch den Angeklagten zu dessen Gunsten und gleichzeitiger Außerachtlassung i.R.d. Bildung von Einzelstrafen

Eine Strafzumessung ist im Falle der Verurteilung wegen Betruges widersprüchlich, wenn der Tatrichter einerseits zugunsten des Angeklagten die erfolgten Rückzahlungen an die Geschädigten berücksichtigt, er es aber andererseits für geboten erachtet, "bei der Bildung der Einzelstrafen etwaige Rückzahlungen außer Betracht zu lassen".

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 28. April 2010 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Einzelstrafen in den Fällen II.2.(8) und II.2.(24) der Urteilsgründe auf jeweils drei Jahre, im Fall II.2.(27) auf zwei Jahre und in den Fällen II.2.(26) und II.2.(39) auf jeweils ein Jahr sechs Monate Freiheitsstrafe festgesetzt werden.

2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Normenkette:

StPO § 261 ; StPO § 344 Abs. 2 S. 2; StPO § 349 Abs. 2 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 39 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1.

Zu den erhobenen Verfahrensrügen bemerkt der Senat ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift vom 2. Dezember 2010:

a)

Die von Rechtsanwalt R. in Zusammenhang mit der Fristsetzung für die Stellung von Beweisanträgen erhobene Rüge ist bereits deshalb unzulässig, weil die Verfügung der Vorsitzenden vom 14. September 2009 mit der zugleich den Verteidigern übersandten "Aushändigungsverhandlung" (Bl. 2749 ff. d.A.) nicht vollständig mitgeteilt wird (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ). Insbesondere trifft es nach dieser Verfügung nicht zu, dass sich -wie die Revision vorträgt -"die Akten in irgendwelchen Räumen des LKA ungeordnet befanden". Vielmehr wurden die Akten sowie ein Teil der Asservate - versehen mit einem Inhaltsverzeichnis zu den "Kisten" ("Aushändigungsverhandlung") - im Landgericht und lediglich ein weiterer Teil der Asservate aus Platzgründen im Landeskriminalamt (wo sie von den Verteidigern eingesehen werden konnten) verwahrt.

b)

Bezüglich der Rüge, das Landgericht habe § 261 StPO verletzt, weil das in der Hauptverhandlung verlesene Schreiben des Zeugen L. vom 12. Januar 2003 im Urteil nicht erörtert wurde, kann dahinstehen, ob diese Rüge im Hinblick auf eine nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist vorgebrachte Änderung der Angriffsrichtung der Prüfung durch den Senat unterliegt. Sie ist jedenfalls deshalb erfolglos, weil sich weder aus dem (neuen) Revisionsvortrag noch aus dem Urteil selbst ergibt, dass das auf Januar 2003 datierte Schreiben des Zeugen als "legitimierter Vertreter der neuen Aktionäre der F. " auch nach dessen Aussage in der Hauptverhandlung und der Erhebung einer Vielzahl von Beweisen zum Verhältnis des Angeklagten zu dem Zeugen erhebliche - eine Erörterung im Urteil gebietende - Bedeutung für das Verhältnis zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen beim frühestens im September 2003 (vgl. UA 10) begonnenen Verkauf bzw. Umtausch in die (wertlosen) "Aktien" der hatte.

2.

Die Sachrüge hat keinen Erfolg, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet (§ 349 Abs. 2 StPO ). Sie führt jedoch zu einer Herabsetzung eines Teils der gegen den Angeklagten verhängten Einzelstrafen. Dies hat indes keine Auswirkungen auf die gegen den Angeklagten verhängte Gesamtstrafe.

a)

Die Strafzumessung des Landgerichts ist insofern widersprüchlich, als die Strafkammer einerseits zugunsten des Angeklagten die erfolgten Rückzahlungen berücksichtigt (UA 31), sie es aber andererseits für geboten erachtet, "bei der Bildung der Einzelstrafen etwaige Rückzahlungen außer Betracht zu lassen" (UA 32).

Der Senat kann diesen Widerspruch im Ergebnis jedoch zugunsten des Angeklagten auflösen, indem er für die an den Schadenshöhen ausgerichtete Bemessung der konkreten Einzelstrafen die erfolgten Rückzahlungen von den Schadensbeträgen in Abzug bringt. Denn die von der Strafkammer als angemessen erachteten Strafen ergeben sich ohne Weiteres daraus, dass sie die Höhe der Einzelstrafen nach Unter- und Obergrenzen der Schadenshöhen abgestuft hat. Der Senat kann daher ausschließen, dass in den nachfolgend aufgeführten Fällen, in denen unter Berücksichtigung der Rückzahlung eine niedrigere Stufe erreicht wird, geringere Einzelstrafen in Betracht kommen könnten oder von der Strafkammer verhängt worden wären (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Juli 2005 - 1 StR 253/05 und vom 8. März 2006 - 1 StR 48/06). Der Angeklagte hätte sich insofern auch nicht anders als geschehen verteidigen können.

Nach Abzug der Rückzahlungen ergibt sich lediglich in fünf Fällen eine Herabsetzung der Strafe. Im Fall II.2.(8) der Urteilsgründe beträgt sie bei einem Betrag von 113.136,36 € drei Jahre (statt vier Jahren), im Fall II.2.(24) der Urteilsgründe bei einem Betrag von 182.999,69 € drei Jahre (statt vier Jahren), im Fall II.2.(26) der Urteilsgründe, den das Landgericht ersichtlich der Gruppe der Schadensfälle von über 50.000 € zugeordnet hatte, bei einem Betrag von 45.750 € ein Jahr und sechs Monate (statt zwei Jahren), im Fall II.2.(27) der Urteilsgründe bei einem Betrag von 92.415 € zwei Jahre (statt drei Jahren) und im Fall II.2.(39) der Urteilsgründe bei einem Betrag von 33.000 € ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe (statt drei Jahren).

b)

Aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles kann der Senat ebenfalls ausschließen, dass der Ausspruch über die Gesamtstrafe auf dem Rechtsfehler beruht und die Strafkammer - hätte sie die obigen Einzelstrafen verhängt - auf eine geringere Gesamtstrafe erkannt hätte. Denn insbesondere die Einsatzstrafe von sieben Jahren sowie vier Einzelstrafen von einmal sechs und drei Mal fünf Jahren werden von dem Rechtsfehler nicht berührt; ferner verbleiben auch nach der Herabsetzung weitere 34 Einzelstrafen zwischen vier Jahren und einem Jahr und sechs Monaten. Zudem hat das Landgericht bei der Bemessung der Gesamtstrafe die erfolgten Rückzahlungen ausdrücklich strafmildernd "in Ansatz gebracht".

3.

Der geringfügige Teilerfolg des Rechtsmittels des Angeklagten rechtfertigt es nicht, ihn auch nur teilweise von der Tragung der Kosten und seiner notwendigen Auslagen zu entlasten (§ 473 Abs. 4 StPO ).

Vorinstanz: LG Saarbrücken, vom 28.04.2010