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BGH - Entscheidung vom 19.07.2011

X ZR 25/09

Normen:
PatG § 121 Abs. 2 S. 2
ZPO § 92 Abs. 1 S. 1

BGH, Urteil vom 19.07.2011 - Aktenzeichen X ZR 25/09

DRsp Nr. 2011/17745

Prüfung eines Patentanspruchs für Heizungsrohre

1. Ein Streitpatent ist im Rahmen des Angriffs einer Nichtigkeitsklage ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären, soweit es über die noch verteidigte Fassung hinausgeht. 2. Eine Klageerweiterung im Berufungsverfahren vor dem BGH ist als Anschlussberufung zu werten, die in der bis zum 30. September 2009 geltenden Fassung des PatG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eingelegt werden kann. Die wegen der Erstreckung der Klage auf einen bislang nicht angegriffenen Patentanspruch als Klageänderung anzusehende Klageerweiterung ist als sachdienlich zuzulassen, wenn sie eine umfassendere Erledigung des zwischen den Parteien herrschenden Streits ermöglicht, die Parteien dazu schriftsätzlich vorgetragen haben und das angefochtene Urteil sich damit befasst hat. 3. Ein Patent ist in der verteidigten Anspruchsfassung dann nicht für nichtig zu erklären, wenn der Gegenstand der Erfindung neu ist. Das ist der Fall, wenn er von einer anderen Patentschrift und auch von anderen in das Verfahren eingeführten Schriften nicht vorweggenommen sowie dem Fachmann nicht durch eine bestimmte Patentschrift allein oder durch eine Zusammenschau von mehreren Patentschriften nahegelegt ist, dem Fachmann also weder Anlass noch Anregung gegeben worden ist, den Gegenstand des Patentanspruchs aufzufinden.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 29. Oktober 2008 verkündete Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert.

Das deutsche Patent 103 24 454 wird im Umfang des Patentanspruchs 1 sowie der Patentansprüche 2, 4, 6 und 8, soweit diese unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen sind, dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält:

"Rohrverteiler (10) zum Anschließen einer Mehrzahl von Rohren und/oder von Funktionselementen (7) in einem Rohrleitungssystem, insbesondere zum Verbinden von Rohren und Funktionselementen eines Heizungssystems, mit mindestens einem primären Anschluss (1, 2) und mit einer Mehrzahl von sekundären Anschlüssen (3, 4) an einem rohrförmigen Grundkörper (8), welche mit Aushalsungen (9, 11) für eine lösbare Befestigung von Rohren oder Funktionselementen versehen sind, dadurch gekennzeichnet, dass der Grundkörper (8) aus einem relativ dünnwandigen, im Querschnitt im Wesentlichen kreiszylindrischen Rohrprofil mit zwei durchgängig parallelen und einander gegenüberliegenden Abflachungen (5, 6) besteht, an welchen die sekundären Anschlüsse (3, 4) vorgesehen sind und welche sich mindestens auf einer Seite über mindestens zwei sekundäre Anschlüsse (3, 4) erstrecken."

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen zu 4/5 der Klägerin und ihrer Streithelferin und zu 1/5 dem Beklagten zur Last.

Normenkette:

PatG § 121 Abs. 2 S. 2; ZPO § 92 Abs. 1 S. 1;

Tatbestand

Der Beklagte ist Inhaber des am 28. Mai 2003 angemeldeten deutschen Patents 103 24 454 (Streitpatents), das einen Rohrverteiler (Ansprüche 1 bis 9) und ein Verfahren zu dessen Herstellung (Ansprüche 10 bis 15) betrifft. Patentanspruch 1 lautet in der erteilten Fassung:

"1. Rohrverteiler (10) zum Anschließen einer Mehrzahl von Rohren und/oder von Funktionselementen (7) in einem Rohrleitungssystem, insbesondere zum Verbinden von Rohren und Funktionselementen eines Heizungssystems, mit mindestens einem primären Anschluss (1, 2) und mit einer Mehrzahl von sekundären Anschlüssen (3, 4) an einem rohrförmigen Grundkörper (8), welche mit Aushalsungen (9, 11) für eine lösbare Befestigung von Rohren oder Funktionselementen versehen sind, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Grundkörper (8) aus einem relativ dünnwandigen, im Querschnitt im Wesentlichen kreiszylindrischen Rohrprofil mit zwei durchgängig parallelen und einander gegenüberliegenden Abflachungen (5, 6) besteht, an welchen die sekundären Anschlüsse (3, 4) vorgesehen sind."

Wegen des Wortlauts der übrigen Ansprüche wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.

Die Klägerin hat das Streitpatent mit einer Nichtigkeitsklage angegriffen und beantragt, es im Umfang der Ansprüche 1 und 2 sowie 4, soweit auf Patentanspruch 1 oder 2 rückbezogen, und Anspruch 6, soweit auf die Ansprüche 1, 2 und/oder 4 rückbezogen, mangels Patentfähigkeit für nichtig zu erklären. Die Streithelferin der Klägerin hat darüber hinaus die Nichtigerklärung auch im Umfang des Patentanspruchs 8 begehrt.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat das Streitpatent hilfsweise beschränkt verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent im von der Klägerin beantragten Umfang für nichtig erklärt und den weitergehenden Antrag der Streithelferin für unzulässig erachtet. Mit seiner Berufung, deren Zurückweisung die Klägerin und ihre Streithelferin beantragen, verteidigt der Beklagte Patentanspruch 1 nur noch in der aus dem Tenor ersichtlichen Fassung (im Folgenden nur: Patentanspruch 1) und hilfsweise in weiter beschränktem Umfang.

Mit am 5. März 2011 beim Bundesgerichtshof zugegangenem Schriftsatz hat die Klägerin die Klage mit dem Ziel erweitert, das Streitpatent auch im Umfang des Anspruchs 8, soweit auf die Ansprüche 1, 2, 4 und/oder 6 rückbezogen, für nichtig zu erklären. Der Beklagte willigt in die Klageerweiterung nicht ein.

Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. H. , ein schriftliches Sachverständigengutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe

Das Streitpatent ist im Rahmen des Angriffs der Nichtigkeitsklage nach ständiger Rechtsprechung ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären, soweit es über die noch verteidigte Fassung hinausgeht. Im Übrigen hat die Berufung Erfolg und führt zur Abweisung der Nichtigkeitsklage.

I. Die Klageerweiterung ist als Anschlussberufung zu werten, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Patentgesetz in der - hier einschlägigen - bis zum 30. September 2009 geltenden Fassung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eingelegt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 2005 - X ZR 174/04, GRUR 2005, 888 - Anschlussberufung im Patentnichtigkeitsverfahren). Die wegen der Erstreckung der Klage auf einen bislang nicht angegriffenen Patentanspruch als Klageänderung anzusehende Klageerweiterung ist als sachdienlich zuzulassen, weil sie eine umfassendere Erledigung des zwischen den Parteien herrschenden Streits ermöglicht, wobei die Merkmale des mit ihr angegriffenen Unteranspruchs 8 ohnehin Eingang in den erstinstanzlichen Hilfsantrag II des Beklagten gefunden und die Parteien dazu schriftsätzlich vorgetragen haben und das angefochtene Urteil sich damit befasst hat.

II. 1. Das Streitpatent betrifft Rohrverteiler insbesondere in Heizungssystemen (Heizkreisverteiler zum Anschließen von Vor und Rücklauf) zum Anschließen einer Mehrzahl von Rohren und/oder von Funktionselementen wie Entlüftungsventilen, Durchflussmessern, Druckmessgeräten oder dergleichen, die generell im Stand der Technik bekannt sind.

2. An dem in der deutschen Patentschrift 27 48 673 vorgestellten Verteiler kritisiert die Streitpatentschrift, dass dabei Abzweigungsstutzen mit Außengewinden zum Montieren der Abzweigungsrohre zeitaufwändig angeschweißt oder angelötet werden müssten, was zudem eine aufwändige Druckprüfung zur Sicherstellung der Dichtigkeit erfordere. An gegossenen bzw. durch Ziehen oder Fließpressen nach der Schweizer Patentschrift 651 908 hergestellten Rohrverteilern bemängelt die Streitpatentschrift zu hohen werkzeug und herstellungsbezogenen Aufwand und beträchtlichen Materialeinsatz, der insbesondere bei relativ teuren Materialien wie Messing zu stark erhöhten Kosten führe; außerdem sei der Einsatz teurer Spezialwerkzeuge erforderlich. An dem aus der europäischen Patentschrift 1 108 190 bekannten Rohrverteiler mit lokalen Querschnittserweiterungen im Bereich der Abzweigungen bemängelt die Streitpatentschrift, dass die lokale Verformung in diesen Bereichen aufwändig herzustellen sei und es infolge der domartigen Erweiterungen dort zu nachteiligen Strömungsverhältnissen durch Verwirbelungen komme.

3. Vor diesem Hintergrund ist in der Streitpatentschrift als Aufgabe formuliert, einen einfach und billig herzustellenden, strömungstechnisch und hinsichtlich der Dichtigkeit verbesserten Rohrverteiler zur Verfügung zu stellen, der gemäß Patentanspruch 1 in der zuletzt verteidigten Fassung gegliedert folgende Merkmale aufweist:

1.

Rohrverteiler zum Anschließen einer Mehrzahl von Rohren und/oder von Funktionselementen (7) in einem Rohrleitungssystem, insbesondere zum Verbinden von Rohren und Funktionselementen eines Heizungssystems,

2.

mit mindestens einem primären Anschluss (1, 2) und

3.

mit einem rohrförmigen Grundkörper (8), der

3.1

aus einem relativ dünnwandigem,

3.2

im Querschnitt im Wesentlichen kreiszylindrischen Rohrprofil besteht,

wobei

4.

der Grundkörper zwei durchgängig parallele und einander gegenüberliegende Abflachungen (5, 6) aufweist,

5.

an denen mindestens auf einer Seite sekundäre Anschlüsse (3, 4) vorgesehen sind,

5.1

die mit Aushalsungen (9, 11) für eine lösbare Befestigung von Rohren oder Funktionselementen versehen sind.

6.

und sich die Abflachungen über mindestens zwei sekundäre Anschlüsse (3, 4) erstrecken.

4. a) Soweit Patentanspruch 1 vorsieht, dass der Grundkörper (Merkmal 3) aus einem "relativ dünnwandigen" Rohrprofil (Merkmal 3.1) bestehen soll, finden sich in der Beschreibung Anhaltspunkte zur Einschätzung der Materialstärke, die das Streitpatent dafür im Auge hat. Während der gemäß der Schweizer Patentschrift 651 908 hergestellte Verteiler als relativ dickwandig beschrieben wird, werden die gemäß der europäischen Patentschrift 1 108 190 gefertigten Rohrverteiler als "relativ dünnwandig" bezeichnet. In der zuletzt genannten Schrift ist in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass es darum gehe, Rohre zu ersetzen, die so dickwandig seien, dass Dichtflächen (Gewinde) spanend eingearbeitet werden könnten (dortige Beschreibung Tz. 9). Statt dessen und ähnlich wie die europäische Patentschrift 1 108 190 will das Streitpatent die Gewindegänge (vorzugsweise mindestens zweieinhalb, vgl. Beschreibung Tz. 12) in Aushalsungen der Grundkörper unterbringen, die durch Tiefziehen oder ähnliche Fertigungsvorgänge hergestellt werden sollen. Die für das Einwalzen solcher Gewinde erforderliche Materialstärke bestimmt dementsprechend die Mindestwanddicke der Grundkörper (vgl. Beschreibung Tz. 12). Die Beschreibung spricht diesbezüglich von vorzugsweise einigen Millimetern, beispielsweise 1,5 bis 3,5 mm, je nach dem Durchmesser der Rohrverteiler und den maximalen Druckverhältnissen in den jeweiligen Rohrleitungssystemen (vgl. Beschreibung Tz. 38) und korrespondierend dazu von Halb- bzw. Dreiviertelzoll-Durchmessern für die sekundären Anschlüsse (Beschreibung Tz. 14, 33). Die Streitpatentschrift grenzt die Größe der unter Schutz zu stellenden Vorrichtungen und ihre Elemente zwar nicht ausdrücklich auf bestimmte Bereiche ein, ihr sind allerdings, wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung überzeugend erläutert hat, durch die Merkmale des Anspruchs selbst, namentlich die Dünnwandigkeit, immanente Grenzen gesetzt.

b) Die Merkmale 3.2 und 4 stehen in konstruktivfunktionalem Zusammenhang und erklären sich durch die Verbesserungen, die das Streitpatent anstrebt. Die konstruktiven Überlegungen der Erfindung setzen an einem kreisrunden Rohrprofil für das Grundrohr an, das an zwei gegenüberliegenden Seiten abgeflacht ist und deshalb als (nur) "im Wesentlichen" kreiszylindrisch bezeichnet wird. Die Abflachungen sind dem Verwendungszweck als Rohrverteiler förderlich, weil dadurch plane Dichtflächen für die Sekundäranschlüsse entstehen (vgl. Beschreibung Tz. 9). Außerdem können sie kostengünstig entweder bereits in dieser Form oder durch einfache Biegeverformung kreisrunder Rohre mittels einfacher Umformmaschinen hergestellt werden (Beschreibung Tz. 9, 10).

c) Die Anweisung, den Grundkörper mit zwei "durchgängig parallelen und einander gegenüberliegenden" Abflachungen zu versehen, steht aus fachmännischer Sicht im Zusammenhang mit dem Bestreben des Streitpatents, den hohen Verformungsaufwand zu vermeiden, der bei Herstellung von Grundrohren nach der Lehre der europäischen Patentschrift 1 108 190 mit abwechselnden kreisförmigen und abgeflachten Abschnitten anfällt. Dabei legt sich das Streitpatent hinsichtlich der axialen Ausdehnung dieser Abflachungen nicht fest. Aus dem Hinweis, dass sie nach einer vorteilhaften Ausgestaltung "im Wesentlichen über die gesamte Länge des Grundkörpers" vorgesehen sind (Beschreibung Tz. 11), der in Unteranspruch 2 aufgegriffen wird, ergibt sich im Gegenschluss, dass auch im Verhältnis zur gesamten Länge des Rohrprofils kürzere abgeflachte Abschnitte dem Gegenstand des Streitpatents entsprechen, sofern diese sich nur mindestens auf einer Seite über mindestens zwei sekundäre Anschlüsse erstrecken.

III. Gegen die Fassung von Patentanspruch 1 gemäß dem jetzigen Hauptantrag bestehen keine Bedenken. Dass sekundäre Anschlüsse, wie es danach möglich ist, nur an einer Seite angebracht sind, ist in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen, mit denen die Beschreibung auch insoweit übereinstimmt, offenbart (Tz. 35).

IV. Nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen und dem Ergebnis der Beweisaufnahme vermag der Senat nicht die Wertung zu treffen, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war.

1. In der verteidigten Anspruchsfassung ist der Gegenstand der Erfindung neu.

a) Er ist nicht von der europäischen Patentschrift 1 108 190 vorweggenommen, weil die Abflachungen zwischen zwei Abzweigungen (sekundären Anschlüssen) dort stets durch einen kreisförmigen Abschnitt unterbrochen sind. Der Auffassung der Klägerin, die europäische Patentschrift offenbare auch für mehr als eine Abzweigung durchgängig parallele und einander gegenüberliegende Abflachungen, kann nicht beigetreten werden.

aa) Solche Abflachungen sind zum einen nicht aus der dortigen Figur 3a ersichtlich, auch wenn die sekundären Anschlüsse anscheinend plan auf dem durch eine durchgezogene Linie gezeichneten Grundkörper aufliegend dargestellt sind. Dem gerichtlichen Sachverständigen ist nämlich in der Einschätzung beizupflichten, dass dieses Ergebnis auch bei fachmännischer Betrachtung aus Figur 3a nicht eindeutig zu ersehen ist. Zum Offenbarungsgehalt einer Entgegenhaltung gehört nur das, was der Schrift unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist, nicht aber eine weitergehende Erkenntnis, zu welcher der Fachmann erst aufgrund seines allgemeinen Fachwissens und durch Abwandlung der offenbarten Lehre gelangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 Rn. 25 Olanzapin). Figur 3a ist eine schematische Schnittdarstellung, mit der das Prinzip eines Rohrin-Rohr-Systems dargestellt werden soll (vgl. Beschreibung Tz. 23). Nur auf diesen Aspekt bezieht sich der Offenbarungsgehalt der Figur unmittelbar und eindeutig, zumal auch der Beschreibung keine Anhaltspunkte für eine Ausgestaltung der Abflachungen zu entnehmen sind, die dem Verständnis der Klägerin entspräche.

bb) Eine durchgehende Abflachung über mehr als einen Anschluss hinaus offenbart bei Zugrundelegung des dafür bestehenden Maßstabs (BGHZ 179, 168 Rn. 25 Olanzapin) auch nicht der Vergleich der Figuren 3b und 3c auf der einen und Figur 4 auf der anderen Seite. In den Figuren 3b und 3c ist zwar, wie aus der nachfolgend eingefügten Abbildung der Ersteren ersichtlich, der Kreisausschnitt des äußeren Rohrs schematisch bis an die nach innen gerichtete Aushalsung dieses Rohrs herangeführt, während diese angedeutete Weiterführung des Kreises in der Figur 4 fehlt.

Das Fehlen der Andeutung eines kreisförmigen Rohrabschnitts im Hintergrund des gezeigten Schnitts durch eine domartige Erweiterung in Figur 4 offenbart aber keine sich über mehr als einen Anschluss erstreckende Abflachung. Die europäische Patentschrift 1 108 190 spricht im Zusammenhang mit den Ausführungsbeispielen nach den Figuren 3a bis 4 mehrfach die domartige Erweiterung an (Sp. 7 Z. 9 und 46; Sp. 8 Z. 2). Allein aus dem Fehlen eines Merkmals in einer Zeichnung einer Patentschrift kann nicht geschlossen werden, dass es zur patentgemäßen Lehre gehört, dass dieses Merkmal nicht vorhanden ist (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2008 X ZR 124/05, GRUR 2009, 390 Lagerregal). Entsprechend kann im Streitfall nicht aus dem Umstand, dass in Figur 4 die schematische Weiterführung des Kreisausschnitts fehlt, die Schlussfolgerung gezogen werden, dass eine durchgehende Abflachung vom Offenbarungsgehalt der Schrift umfasst wäre, zumal solche Ausgestaltungen dort auch sonst nicht erwähnt sind.

b) Die Lehre von Patentanspruch 1 wird auch von den übrigen in das Verfahren eingeführten Schriften nicht vorweggenommen. Der in der Schweizer Patentschrift 651 908 gezeigte Grundkörper ist weder verhältnismäßig dünnwandig, noch werden die Anschlüsse in Form von Aushalsungen hergestellt. Gleiches gilt für die deutsche Offenlegungsschrift 27 48 673. Die Informationsunterlagen der Fischer-Gruppe (Anlage BB 1) offenbaren lediglich ein dort als Flachoval bezeichnetes Rohr als solches. Das Heizkreisverteiler-System "Delphis-therm" (Anlagen D3 bis D5) weist keinen im Querschnitt im Wesentlichen kreiszylindrischen Grundkörper auf, sondern balkenförmige Edelstahlverteiler. Diese Lösung sieht im Übrigen, was die Streithelferin einräumt, auch keine Aushalsungen zur Anbringung der sekundären Anschlüsse vor.

2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist dem Fachmann nicht durch eine Zusammenschau der europäischen Patentschrift 1 108 190 und der Schweizer Patentschrift 651 908 nahegelegt.

a) Das Patentgericht hat zur Begründung seines gegenteiligen Standpunkts ausgeführt, der Fachmann erkenne, dass sich der aus der ersteren Schrift bekannte Rohrverteiler wegen der kreiszylindrischen Zwischenstücke nur schwer lagegenau an zum Beispiel einem Verteilerkasten befestigen lasse. Die Schweizer Patentschrift 651 908 offenbare einen Rohrverteiler, der zwei einander gegenüberliegende abgeflachte Längsrippen (3, 7) aufweise, in denen die sekundären Anschlüsse angeordnet seien. Figur 4 der Schrift zeige einen Bügel (8), dessen Klemmbacken (8a) formschlüssig an die Längsrippen (3, 7) angepasst seien und diese übergriffen. Mit diesem Bügel lasse sich der Rohrverteiler einfach an einem Verteilerkasten oder Ähnlichem befestigen. Auf den so erzielten Vorteil werde in der Schweizer Patentschrift ausdrücklich hingewiesen, so dass der Fachmann hierdurch angeregt werde, auch beim Rohrverteiler nach der europäischen Patentschrift 1 108 190 eine derartig einfache Halterung vorzusehen. In Übertragung dieser Lehre werde er unmittelbar die in der europäischen Patentschrift 1 108 190 gezeigten Abflachungen über den gesamten Anschlussbereich der sekundären Anschlüsse ausdehnen, um auch hier beim Rohrverteiler eine formschlüssige und lagegenaue Halterung zu erreichen. Auf diese Weise ergebe sich ein Rohrverteiler mit lediglich zwei gegenüberliegenden Abflachungen am Grundkörper für mehrere sekundäre Anschlüsse.

b) Dem kann nicht beigetreten werden.

Der Fachmann hatte zum Anmeldezeitpunkt des Streitpatents schon aus Kostengründen keinen Anlass, bei Überlegungen zur Weiterentwicklung von Rohrverteilern an der insbesondere in puncto Materialeinsatz kontraproduktiven Lösung der Schweizer Patentschrift 651 908 anzusetzen.

Den geeigneteren Ausgangspunkt bildete vielmehr, wie auch das Patentgericht angenommen hat, die europäische Patentschrift 1 108 190, die ein relativ dünnwandiges und damit kostengünstigeres Material vorsieht. Von diesem Ausgangspunkt aus bot sich die Schweizer Schrift indessen allenfalls bei rückschauender und somit unzulässiger Betrachtung für eine Synthese mit der Lehre der europäischen Patentschrift 1 108 190 an. Sie zeigt zwar eine flache Wandung für die sekundären Anschlüsse. Diese ist jedoch als eine dem Grundkörper aufgeformte Längsrippe ausgestaltet. Sie erfordert damit gerade den Materialeinsatz für den Ansatz der sekundären Anschlüsse, den der Fachmann mit der Weiterentwicklung vermeiden und den die europäische Patentschrift 1 108 190 mit durch spanlose Umformung gewonnenen Aushalsungen für die Gewinde der Abzweigungsrohre ersparen will. Die Kostensenkung, die die Schweizer Patentschrift 651 908 im Auge hat, setzt dementsprechend auch nicht bei dem Materialaufwand für die Längsrippe an, sondern bei der Ausschussquote in der Produktion, die durch Herstellung des Verteilers mit einer zusätzlichen Längsrippe, die der derjenigen für die Sekundäranschlüsse beispielsweise gegenüberliegt (Beschreibung Sp. 2 Z. 43 ff.), herabgesetzt werden soll. Damit sollen die unerwünschten Änderungen der Rohrwandstärke vermieden werden, deren Auftreten bei herkömmlicher Produktionsweise die Schweizer Schrift bemängelt (aaO, Z. 34 ff.). Diese Veröffentlichung zeigt dem Fachmann somit zwar eine im Stand der Technik ohnehin bekannte durchgehend flache Außenwandung, sie ist aber technischen Lösungsprinzipien verhaftet, von denen sich die europäische Patentschrift 1 108 190 abgewendet hat. Um den dort entwickelten Vorschlag zu verbessern, hatte der Fachmann deshalb keinen Anlass, auf die Schweizer Patentschrift 651 908 zurückzugreifen. Es erscheint auch nicht plausibel, dass der Randaspekt der einfacheren Befestigungsmöglichkeit an einem Verteilerkasten oder dergleichen, auf den das Patentgericht maßgeblich abgestellt hat, dem Fachmann eine Anregung bot, den Rohrverteiler nach der europäischen Patentschrift nach dem Vorbild der Schweizer Patentschrift 651 908 umzugestalten. Denn aus der maßgeblichen Ex-ante-Sicht wies der dort gezeigte Rohrverteiler keine für den Fachmann im Zusammenhang mit der europäischen Patentschrift 1 108 190 nutzbare "Abflachung" auf, sondern eine aus seiner Sicht technisch abgelegene, massive aufgeformte Längsrippe.

c) Eine Anregung zur Auffindung der Lösung von Patentanspruch 1 ist auch nicht darin zu sehen, dass Flachovalrohre, wie die Informationsschrift "RohrTechnik aktuell" der F. GmbH vom April 1994 sie zeigt, schon weit vor dem Anmeldetag des Streitpatents angeboten wurden. Der Prospekt bewirbt Edelstahlprofile und zeigt die Form des Flachovals als eine von 15 schematisch vorgestellten Rohrgeometrien. Für den Einsatz werden Fassaden, Glasbauten, Überdachungen, der Sanitärbereich, der Sektor der Rehabilitation "und vieles andere" genannt; im Prinzip sei der Einsatz überall dort denkbar, wo Profile gebraucht würden. In dieser Allgemeinheit beworbenen Edelstahlprofile stellen keine hinreichend konkrete Anregung dar, einen Rohrverteiler mit einem im Querschnitt im Wesentlichen kreiszylindrischen Rohrprofil und einander gegenüberliegenden Abflachungen zu versehen. Auch in die von der europäischen Patentschrift 1 108 190 vorgeschlagene Lehre hat dies keinen Eingang gefunden, obwohl deren Prioritätstag geraume Zeit nach dem Veröffentlichungszeitpunkt der genannten Informationsschrift liegt.

d) Auch das Heizungsverteiler-System "Delphis-therm" enthält keine Elemente, die dem Fachmann Anlass oder Anregung gegeben hätten, die erfindungsgemäße Lösung aufzufinden, mag die Ausführungsform gemäß der Figur 7 des Streitpatents, worauf der gerichtliche Sachverständige hinweist, äußerlich auch dem Delphis-System ähnlich sehen. Diese Übereinstimmung der Anordnung der einzelnen Elemente ändert nichts daran, dass die Anlage von den technischen Elementen her vom Ansatz her anders konzipiert ist als die vom Streitpatent vorgeschlagene Lösung. Der Grundkörper ist hier nicht "abgeflacht", sondern besteht aus einem Kasten- oder Balkenprofil, mag dieses auch im Ausgangspunkt, wie die Klägerin und die Streithelferin in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen haben, aus einem zylindrisch geformten Körper hervorgehen. Eine Anregung zur Umgestaltung im Grundsatz kreiszylinderförmiger Rohrverteiler lässt sich aus dem dafür maßgeblichen Endprodukt nicht entnehmen.

3. Die europäische Patentschrift 1 108 190 gab dem Fachmann auch für sich allein betrachtet weder Anlass noch Anregung, den Gegenstand von Patentanspruch 1 aufzufinden.

a) Dagegen spricht bereits, dass der Erfinder des Gegenstands der europäischen Patentschrift 1 108 190 diesen Schritt selbst nicht vollzogen hat, sondern einer Gestaltung des Grundrohrs verhaftet geblieben ist, bei der sich einzelne Abflachungen bzw. domartige Erweiterungen mit rohrförmigen Zwischenabschnitten abwechseln. Dadurch erhält das Rohr ein äußerliches Profil, welches das Streitpatent als eine für den Heizungsbau unhandliche und ungewöhnliche Form bezeichnet (Beschreibung Tz. 6). Das Gewicht dieses Arguments wird zwar dadurch gemindert, dass es bei der Prüfung des Naheliegens um den unbefangenen Blick des neutralen Fachmanns geht und nicht um denjenigen des dortigen Erfinders, dessen Blick möglicherweise durch die von ihm selbst gefundene Lösung verengt war, für die, wie der gerichtliche Sachverständige vermutet, ein spezielles betriebliches Herstellungswissen (Innenhochdruckverfahren) des Erfinders auslösend gewesen sein kann. Deshalb streitet der nicht unerhebliche Aufwand, der nach der Lehre dieser Schrift zur Gestaltung der Anschlussstellen getrieben werden muss, nicht dafür, dass es im Blickfeld des Fachmanns lag, das Rohrprofil so umzugestalten, dass damit an beliebiger Stelle und in beliebiger Zahl die benötigten Anschlussstellen in einfacher Weise geschaffen werden können.

Dagegen, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 dem Fachmann durch die europäische Patentschrift 1 108 190 nahegelegt war, spricht des Weiteren, dass die Schrift die Ausführung mit abgeflachter bleibender Verformung der Bereiche für die Anschlussstellen (Abzweigungen) vom Hauptrohr nur knapp und beiläufig erwähnt, um sich sogleich einer Ausgestaltung zuzuwenden, die in spezieller Art dadurch hergestellt werden soll, dass das größere Rohr nicht abgeflacht, sondern im Bereich der Anschlussstelle, also partiell über seine Längserstreckung, erweitert wird. Die damit erzielte domartige Erweiterung des Querschnitts des bzw. der betreffenden, für eine Abzweigung vorgesehenen Bereichs bzw. Bereiche des Rohres (Sp. 2 Z. 53 ff. übergreifend) wird als ein wesentliches neues Merkmal des Gegenstands der Erfindung bezeichnet. Daneben verblasst die Variante der sonstigen, im Übrigen auch nicht näher definierten Abflachung. Diese wird auch dadurch weiter in den Hintergrund gedrängt, dass das für schöpferische Impulse wichtige figürliche Anschauungsmaterial der Schrift sich im Wesentlichen nur mit der Ausgestaltung durch domartige Erweiterungen befasst. Dementsprechend wird die Querschnittserweiterung nach der Lehre der Entgegenhaltung dazu genutzt, eine radial gerichtete Öffnung mit einer zum Inneren des Rohres hin gerichteten Aushalsung zu schaffen (vgl. Patentanspruch 1 und Figur 3b). Eine Anregung, auf die domartige Erweiterung zu verzichten, bietet die Schrift damit nicht.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG ).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 19. Juli 2011

Vorinstanz: BPatG, vom 29.10.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 1 Ni 32/07