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BGH - Entscheidung vom 19.01.2011

XII ZB 400/10

Normen:
FamFG § 158 Abs. 4
FamFG § 158 Abs. 7 S. 2, 3

Fundstellen:
FamRZ 2011, 558

BGH, Beschluss vom 19.01.2011 - Aktenzeichen XII ZB 400/10

DRsp Nr. 2011/2094

Entstehungszeitpunkt des Vergütungsanspruchs des Verfahrensbeistands nach § 158 Abs. 7 S. 2, 3 FamFG

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. August 2010 wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 2 FamGKG). Die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden dem Rechtsbeschwerdeführer auferlegt (§ 81 FamFG).

Verfahrenswert: bis 600 €

Normenkette:

FamFG § 158 Abs. 4; FamFG § 158 Abs. 7 S. 2, 3;

Gründe

A.

Die Rechtsbeschwerde betrifft die Frage, wann der Vergütungsanspruch des Verfahrensbeistandes nach § 158 Abs. 7 Satz 2 und 3 FamFG entsteht.

Das Amtsgericht hat in einem Verfahren auf Entziehung der elterlichen Gesundheitssorge nach § 1666 BGB die Rechtsbeschwerdegegnerin gemäß § 158 FamFG als Verfahrensbeistand des betroffenen Kindes bestimmt. Dabei hat es den Aufgabenkreis des Beistandes nach § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFG erweitert und zudem festgestellt, dass die Verfahrensbeistandschaft berufsmäßig geführt wird. Die Rechtsbeschwerdegegnerin hat zunächst Einsicht in die Gerichtsakten genommen und sodann vergeblich versucht, Kontakt mit der Kindesmutter aufzunehmen. Mit Schreiben vom 2. Februar 2010 hat das Jugendamt mitgeteilt, dass die betroffene Familie abgemeldet und nach Auskunft eines Nachbarn zurück nach Polen verzogen sei.

Das Amtsgericht hat den Antrag der Rechtsbeschwerdegegnerin, für sie eine Vergütung in Höhe von 550 € nach § 158 Abs. 7 Satz 3 FamFG festzusetzen, zurückgewiesen und zugleich die Beschwerde zugelassen. Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde der Rechtsbeschwerdegegnerin hat das Beschwerdegericht die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Hiergegen wendet sich das Land mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

B.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

I.

Nach Auffassung des Beschwerdegerichts besteht aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung bei der Anwendung von § 158 Abs. 7 Satz 3 FamFG kein Auslegungs-, Ermessens- oder Beurteilungsspielraum. Die Vergütungspauschale sei vom Gesetzgeber unabhängig vom konkreten Arbeitsaufwand bestimmt worden. Voraussetzung der Entstehung des Vergütungsanspruchs des Verfahrensbeistands sei lediglich, dass dieser über die Entgegennahme des Bestellungsbeschlusses hinaus irgendeine Tätigkeit in Wahrnehmung seiner Aufgaben nach § 158 Abs. 4 FamFG im Interesse des Kindes entfaltet habe.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

1.

Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 15. September 2010 ( XII ZB 268/10 - FamRZ 2010, 1896) entschieden, dass Voraussetzung für den Vergütungsantrag nicht der Abschluss des jeweiligen Rechtszugs ist. Der Anspruch entsteht vielmehr in dem Moment, in dem der Verfahrensbeistand mit der Wahrnehmung seiner Aufgaben nach § 158 Abs. 4 FamFG begonnen hat. Das bedeutet zwar, dass allein die Entgegennahme des Bestellungsbeschlusses für das Bestehen der Vergütungspauschale nicht ausreichend ist. Es genügt jedoch, dass der Verfahrensbeistand "in irgendeiner Weise im Kindesinteresse tätig geworden ist" (Senatsbeschluss vom 15. September 2010 - XII ZB 268/10 - FamRZ 2010, 1896 Rn. 30).

Soweit sich die Rechtsbeschwerde demgegenüber darauf beruft, dass auch der Rechtsanwalt die Terminsgebühr nach Nr. 3104 der Anlage 1 zum RVG erst dann verdient, wenn er den Termin wahrgenommen hat, verkennt sie, dass § 158 FamFG eine solche Terminsgebühr nicht vorsieht. Wie § 158 Abs. 4 FamFG zeigt, umfasst die Tätigkeit des Verfahrensbeistands eine Vielzahl von Einzeltätigkeiten, die sich auf das gesamte Verfahren erstrecken und je nach Sachlage unterschiedliche Gewichtungen erfahren. Von daher passt der Vergleich mit der Terminsgebühr gerade nicht zur Tätigkeit eines Verfahrensbeistands. Demgegenüber entsteht die - mit der Vergütung des Verfahrensbeistandes eher vergleichbare - Verfahrensgebühr, die der Rechtsanwalt "für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information" erhält (s. Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 2 der Anlage 1 zum RVG ), (ebenfalls) bereits dann, wenn der Rechtsanwalt von einer Partei zum Verfahrensbevollmächtigten bestellt worden ist und eine unter die Verfahrensgebühr fallende Tätigkeit ausgeübt hat, also im Regelfall mit der Entgegennahme der ersten Information (Senatsbeschluss vom 15. September 2010 - XII ZB 268/10 - FamRZ 2010, 1896 Rn. 31).

2.

Danach hat das Beschwerdegericht der Rechtsbeschwerdegegnerin zu Recht eine Vergütung in Höhe von 550 € zugesprochen. Vorliegend ist die Rechtsbeschwerdegegnerin in dem Sorgerechtsentzugsverfahren für das minderjährige Kind mit dem erweiterten Aufgabenkreis des § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFG bestellt worden. Sie hat nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts auch mit der Wahrnehmung ihrer Aufgaben begonnen. Indem sie wiederholt - freilich vergeblich - versucht hat, Kontakt mit der Kindesmutter aufzunehmen, ist sie auch "in irgendeiner Weise im Kindesinteresse tätig geworden".

Dass eine solche Tätigkeit in dem Moment ihrer Aufnahme objektiv nicht mehr möglich bzw. erfolgversprechend war, ist entgegen der Auffassung des Rechtsbeschwerdeführers unerheblich.

Vorinstanz: OLG Frankfurt am Main, vom 16.08.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 5 UF 236/10
Vorinstanz: AG Offenbach, vom 01.06.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 316 F 2242/09
Fundstellen
FamRZ 2011, 558