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BGH - Entscheidung vom 24.02.2011

2 StR 602/10

Normen:
StGB § 64
StPO § 244 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 24.02.2011 - Aktenzeichen 2 StR 602/10

DRsp Nr. 2011/5893

Behandlung eines Maßregelausspruchs zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus als Beweisantrag

Kommt die Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB in Betracht, kann sich dem Gericht die Vernehmung des Betreuers des Angeklagten zu Ablauf und Entwicklung des Betreuungsverhältnisses aufdrängen, um eine möglichst breite Tatsachengrundlage für die Unterbringungsfrage zu erlangen.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 22. Juli 2010 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung in zwei Fällen davon in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung schuldig ist.

Normenkette:

StGB § 64 ; StPO § 244 Abs. 2 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg, soweit sie sich gegen den Maßregelausspruch richtet; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO . Allerdings war der Schuldspruch wie geschehen klarzustellen, da der Angeklagte sich nach den Feststellungen und zutreffender rechtlicher Würdigung des Landgerichts durch Verwenden eines Messers der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung in zwei Fällen schuldig gemacht hat.

Der Maßregelausspruch hat dagegen keinen Bestand. Die Revision beanstandet zu Recht die Ablehnung eines Antrags der Verteidigung auf Vernehmung des früheren gesetzlichen Betreuers des Angeklagten. Dieser war als Zeuge mit einer Reihe von Behauptungen zu Ablauf und Entwicklung des Betreuungsverhältnisses, insbesondere zum Verhalten des Angeklagten und seiner Kooperationsbereitschaft, benannt worden. Das Landgericht hat den Antrag als Beweisantrag behandelt und unter dieser Annahme mit einer rechtsfehlerhaften, sich auf die Wiedergabe des Gesetzeswortlautes beschränkenden Begründung teils als bedeutungslos, teils deshalb zurückgewiesen, weil die vom Gericht bestellte Sachverständige "bereits über ausreichende Grundlagen für ihr Gutachten verfügt". Nach Ansicht des Generalbundesanwalts handelte es sich dagegen mangels der Angabe hinreichend bestimmter Beweistatsachen lediglich um einen Beweisermittlungsantrag, der nach dem Maßstab der allgemeinen Aufklärungspflicht zu beurteilen war (§ 244 Abs. 2 StPO ).

Es kann letztlich dahinstehen, ob der Antrag als rechtsfehlerhaft beschiedener Beweisantrag oder als Beweisermittlungsantrag zu werten ist. Jedenfalls musste sich die Kammer aufgrund ihrer allgemeinen Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO ) gehalten sehen, den beantragten Beweis zu erheben. Der Antrag zielte ersichtlich auf die Einstellung des Angeklagten zu seinen psychischen Problemen und seiner Drogensucht ab. Insbesondere ging es dem Antragsteller darum, dass der Angeklagte über eine -von der Kammer verneinte -ausreichende Krankheits- und Behandlungseinsicht als Voraussetzung für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB verfüge. Dies war aber für die Frage von erheblicher Bedeutung, ob der Anordnung dieser Maßregel der Vorzug zu geben war, weil sie den Angeklagten weniger beschwert als die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus (§ 72 Abs. 1 Satz 2 StGB ). Hinzu kommt, dass mit dem früheren gesetzlichen Betreuer des Angeklagten und Vorsitzenden des Betreuungsvereins der Diakonie A. ein Zeuge benannt war, der über professionelle Erfahrungen als Betreuer mit psychisch kranken und drogen- bzw. alkoholabhängigen Personen verfügte und Verhalten und Einstellungen des Angeklagten über einen längeren Zeitraum unmittelbar beobachten konnte. Es drängte sich deshalb für das Landgericht auf, den Zeugen zu Ablauf und Entwicklung des Betreuungsverhältnisses zu hören, um sich eine möglichst breite Tatsachengrundlage für die Unterbringungsfrage zu verschaffen.

Vorinstanz: LG Aachen, vom 22.07.2010