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BGH - Entscheidung vom 27.04.2011

2 StR 631/10

Normen:
StPO § 261

BGH, Urteil vom 27.04.2011 - Aktenzeichen 2 StR 631/10

DRsp Nr. 2011/10362

Begründung eines durchgreifenden Rechtsfehlers durch die Strafkammer bei fehlender Auseinandersetzung mit dem Verhalten des Angeklagten bei der Zollkontrolle seines Reisebegleiters

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. August 2010 wird auf seine Kosten verworfen.

Von Rechts wegen

Normenkette:

StPO § 261 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Einfuhr von in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Kokain in nicht geringer Menge" zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt. Seine dagegen eingelegte, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision bleibt ohne Erfolg.

I.

1.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hielt sich der Angeklagte, der mit einer in Berlin wohnenden deutschen Staatsbürgerin verheiratet ist, seit 2005 in der Dominikanischen Republik auf, wo er als Kraftfahrer tätig war. Im Frühjahr 2010 plante er gemeinsam mit seinem langjährigen Freund und Leibarzt S. eine Reise nach Berlin. Zu diesem Zweck erwarb er im Mai 2010 auf einem Flohmarkt drei bauartgleiche Trolleys unterschiedlicher Größe. Dabei handelte es sich um reine Stoffkoffer ohne feste Innenböden, wobei der kleinste Koffer exakt in den mittleren passte und der mittlere den größten genau ausfüllte. Am Vorabend des Fluges packte der Angeklagte zu Hause die drei Koffer derart, dass er den größten und kleinsten Trolley voll befüllte, wobei er letzteren in den mittleren legte. Am 4. Juni 2010 checkte er in Puerto Plata die beiden Gepäckstücke mit den TAG-Nummern ... 485 und ... 486 ein, während sein mitreisender Freund S. seinen Koffer mit der TAG-Nummer ... 475 eincheckte. In jedem der drei Trolleys des Angeklagten befand sich Kokain, das in Plastikfolie verpackt und mit Blaupapier umwickelt in die nachgiebige Stoffunterseite des jeweiligen Kofferbodens eingelegt war. Es handelte sich dabei um den Bereich, in dem sich das Gestell für die Kofferzugvorrichtung befindet. Dieser Bereich ist leicht zugänglich, weil er von innen lediglich durch eine mit einem Reißverschluss versehene nachgiebige Stoffbespannung abgesichert ist.

Nach Ankunft in Frankfurt wurde S. von einer Zollbeamtin, die ihn für einen Körperschmuggler hielt, kontrolliert. Der Angeklagte, der bei dieser Passkontrolle etwa 3-4 Personen nach S. zur Kontrollstelle gelangt war, konnte diese als deutscher Staatsangehöriger beanstandungslos passieren. Als er jedoch bemerkte, dass sich sein Freund im Gespräch mit der Zollbeamtin befand, kehrte er zurück, erklärte, mit S. zusammen gereist zu sein, und bot Übersetzungshilfe an. Da S. aber zuvor angegeben hatte, allein zu reisen, schöpfte die Zollbeamtin Verdacht. Während ein bei S. vorgenommener Rauschgiftschnelltest zum Nachweis von Kokain und Heroinspuren an dessen Fingerspitzen führte, blieb ein solcher Test bei dem Angeklagten ergebnislos. Bei der sich anschließenden Durchsuchung des Gepäcks wurden verteilt auf die drei Trolleys des Angeklagten ca. 357 Gramm, 700 Gramm und 1.081 Gramm Kokainzubereitung mit einem Wirkstoffgehalt von 65,8 % sichergestellt. Da weder im Körper noch im Gepäck des mitreisenden S. Rauschgift aufgefunden wurde und er vorgab, von dem Rauschgift in den Koffern des Angeklagten nichts gewusst zu haben, ordnete der zuständige Bereitschaftsstaatsanwalt seine Freilassung an.

2.

Das Landgericht geht davon aus, dass der Angeklagte als Rauschgiftkurier für seinen Reisebegleiter S. tätig geworden ist.

a)

Der Angeklagte hat durch seine Verteidigerin vortragen lassen, er habe von dem Rauschgift in seinen Gepäckstücken nichts gewusst. Das Kokain müsse sich entweder schon beim Kauf der Koffer auf dem Flohmarkt in diesen befunden haben oder es müsse bei späterer Gelegenheit von S. heimlich in diese verbracht worden sein. So habe er S. Zugang zu seiner Wohnung in der Dominikanischen Republik gewährt, damit dieser dort mit seinen Geliebten "Schäferstündchen" habe veranstalten können. Noch am Tag der Abreise habe S. am Flughafen die Möglichkeit gehabt, das Kokain heimlich in seine Koffer einzubringen, da er das gesamte Gepäck alleine eingecheckt habe, während er selbst noch einen Kaffee getrunken habe. Dritte Personen hätten keinen Zugriff auf seine Koffer gehabt.

b)

Diese Einlassung hält das Landgericht für widerlegt. Die denktheoretische Möglichkeit, schon beim Kauf der Koffer auf dem Flohmarkt könnte sich in allen drei Trolleys Kokain von insgesamt über 2 kg befunden haben, bezeichnet es als abwegig. Dass S. vor dem 4. Juni 2010 etwa bei Gelegenheit eines "Schäferstündchens" das Kokain in die Koffer eingebracht haben könnte, verwirft die Strafkammer mit der Erwägung, der Angeklagte hätte es beim Bepacken der drei Trolleys am Vorabend der Reise wegen der besonderen Beschaffenheit der Stoffkoffer bemerken müssen, wenn sich in diesen bereits Kokain in solcher Menge befunden hätte. Die in Gegenwart der vernommenen Zollbeamten erfolgte Inaugenscheinnahme der Koffer in der Hauptverhandlung sowie der Lichtbildaufnahmen von der Auffindesituation habe ergeben, dass bei jedem der Koffer die buchartigen, zwischen 357 und 1.081 Gramm schweren Kokainpäckchen sowohl von innen als auch von außen sicht- und fühlbar gewesen wären. Schließlich sei auch ein Einbringen des Kokains am 4. Juni 2010 auf dem Flughafen durch S. ausgeschlossen. Da beide Gepäckstücke des Angeklagten volumenmäßig gefüllt waren, hätte ein Hineinlegen eines Kokainpakets in die Unterseite eines jeden der drei Koffer deren vollständiges Auspacken in der Flughafenhalle bedingt. Widerlegt sei zudem die Behauptung des Angeklagten, S. habe das gesamte Gepäck alleine eingecheckt, während er Kaffee getrunken habe. Weltweit sei das Einchecken aus Sicherheitsgründen nämlich personifiziert und könne deshalb nur persönlich erfolgen. Aus den unterschiedlichen Gepäck-TAG-Nummern (485 und 486 für das Gepäck des Angeklagten, 475 für das Gepäck des S. ) ergebe sich zudem, dass gerade kein einheitliches Einchecken erfolgt sei.

II.

1.

Die Verfahrensrügen der Verletzung des § 261 StPO bleiben aus den in der Revisionshauptverhandlung erörterten Gründen ohne Erfolg.

2.

Auch die Sachrüge ist unbegründet. Entgegen dem Revisionsvorbringen stellt es keinen durchgreifenden Rechtsfehler dar, dass sich die Strafkammer nicht ausdrücklich mit dem Verhalten des Angeklagten bei der Zollkontrolle seines Reisebegleiters S. auseinandergesetzt hat. Das Landgericht hat mit rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung auf der Grundlage der Einlassung des Angeklagten ausgeschlossen, dass das sichergestellte Kokain von S. oder einem unbekannten Dritten ohne Wissen des Angeklagten in dessen drei Trolleys gelangen konnte. Den von der Revision einzig gewünschten, aber keineswegs zwingenden Schluss, der Angeklagte hätte, wenn er von dem Kokain gewusst hätte, S. nicht beigestanden und so seine eigene Entdeckung riskiert, musste es nicht ziehen. Vielmehr konnte das Verhalten des Angeklagten auf durchaus unterschiedlichen Motiven beruhen. So ist es ohne Weiteres denkbar, dass er sich in der für ihn überraschenden Situation "unvernünftig" verhielt, dass er sich allein ohne seinen "Geschäftsherrn" S. mit der großen Menge Kokain überfordert fühlte oder dass er glaubte, das Passierenlassen S. s erreichen zu können, der weder in seinem Gepäck noch inkorporiert Drogen mit sich führte. Dass sich das Landgericht nicht näher mit solchen theoretisch möglichen Motiven des Angeklagten auseinandergesetzt hat, begründet keinen Rechtsfehler.

Von Rechts wegen

Vorinstanz: LG Frankfurt am Main, vom 18.08.2010