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BGH - Entscheidung vom 22.06.2011

2 StR 157/11

Normen:
StPO § 349 Abs. 2
BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2
BtMG § 30a Abs. 1

BGH, Beschluss vom 22.06.2011 - Aktenzeichen 2 StR 157/11

DRsp Nr. 2011/15216

Bedeutung des Wirkstoffgehalts des gehandelten Betäubungsmittels neben der Art und der Gesamtmenge für die Bestimmung des Unrechtsgehalts und des Schuldgehalts einer Tat

Normenkette:

StPO § 349 Abs. 2 ; BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 ; BtMG § 30a Abs. 1 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 18 Fällen, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen sowie wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen, den Angeklagten L. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen und in einem Fall wegen Beihilfe dazu, den Angeklagten K. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen und in einem Fall wegen Beihilfe hierzu, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in zwei Fällen wegen Beihilfe hierzu und fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen sowie den Angeklagten H. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen und in zwei Fällen wegen Beihilfe hierzu zu Gesamtfreiheitsstrafen von acht Jahren und sechs Monaten (A. ), fünf Jahren und 6 Monaten (L. und K. ) und einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten (H. ) verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützten Revisionen haben den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO ).

1.

Die Schuldsprüche weisen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.

Die Verurteilung der Angeklagten wegen (bandenmäßigen) unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bzw. Beihilfe hierzu werden noch von Feststellungen getragen. Das Tatgericht hat es zwar versäumt, in all den Fällen, in denen die Angeklagten nach den Feststellungen mit Amphetamin gehandelt bzw. dazu Hilfe geleistet haben, den für die Bestimmung der "nicht geringen Menge" erforderlichen Wirkstoffgehalt an Amphetaminbase zu bestimmen oder zumindest zu schätzen. Auch ist dem Urteil nicht zu entnehmen, worauf die Kammer ihre Annahme des Vorliegens einer jeweils "nicht geringen Menge" im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG bzw. des § 30a Abs. 1 BtMG gestützt hat. Da die Kammer auch in den drei Fällen, in denen Amphetamin sichergestellt werden konnte, lediglich den Gewichtsanteil an Amphetaminsulfat (3,6% bis 7,16%) bestimmt hat, und allein ausgehend davon zu der Einschätzung gelangt ist, dass auch das in den anderen 19 Fällen gehandelte Amphetamin von "schlechter" bzw. "mäßiger" Qualität war, ist zu besorgen, dass sie sich bei der Bestimmung der "nicht geringen Menge" an dem insofern nicht maßgeblichen Sulfatgehalt des Amphetamins orientiert hat. Die rechtliche Bewertung der Kammer wird im Ergebnis aber gleichwohl von den Feststellungen getragen, da sie jedenfalls die Bestimmung eines Mindest-Basengehalts ermöglichen. Amphetaminsulfat enthält 73 Gewichtsprozent Amphetaminbase (BGHSt 33, 169 , 170), so dass sich ausgehend von dem festgestellten Sulfatgehalt von mindestens 3,6% bei der gehandelten Mindestmenge von einem Kilogramm Amphetamin ein Wirkstoffgehalt von jedenfalls 26,28 Gramm Amphetaminbase ergibt, der die bei 10 Gramm Base liegende Grenze zur "nicht geringen Menge" (BGHSt aaO) überschreitet.

2.

Die Strafaussprüche halten indes, soweit sie den Amphetaminhandel betreffen, rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat insoweit den Schuldumfang der den Angeklagten angelasteten Taten fehlerhaft bestimmt.

Für den Unrechts- und Schuldgehalt einer Tat ist neben der Art und der Gesamtmenge auch der Wirkstoffgehalt des gehandelten Betäubungsmittels von wesentlicher Bedeutung (BGH StV 1991, 564 ; NStZ 1990, 84 , 85), und zwar gerade dann, wenn die nicht geringe Menge nicht erheblich überschritten wurde (vgl. für Grenzfälle unterhalb der "nicht geringen Menge": BGH NStZ-RR 2011, 90 , 91).

Die Kammer hat zwar im Rahmen der Strafzumessung die schlechte bzw. mäßige Qualität des gehandelten Amphetamins berücksichtigt. Gleichwohl ist auch an dieser Stelle zu besorgen, dass sie sich - ohne zu bemerken, dass es auf den Basengehalt ankommt - an dem höheren Amphetaminsulfatgehalt orientiert und von daher den Schuldumfang zu hoch angesetzt hat. Dafür spricht, dass sie bei allen Angeklagten strafschärfend gewertet hat, dass die gehandelte Menge nie unter einem Kilogramm lag, ohne zu berücksichtigen, dass gerade in diesen Fällen die nicht geringe Menge lediglich um das 2,6-fache überschritten wurde.

a)

Da der Verurteilung des Angeklagten H. der festgestellte Handel bzw. die Beihilfe hierzu mit Amphetaminmengen von einem bis drei Kilogramm zugrunde liegt, kann schon deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass die gegen ihn verhängte Jugendstrafe niedriger ausgefallen wäre, wenn die Kammer den maßgeblichen Wirkstoffgehalt bestimmt und im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt hätte. Die Jugendstrafe ist deshalb neu zu bemessen.

b)

Der Senat kann ebenso wenig ausschließen, dass die Kammer unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände - gegebenenfalls schon aufgrund der Bejahung eines minder schweren Falls - im Ergebnis zu niedrigeren Einzelstrafen für die Angeklagten A. , K. und L. gelangt wäre. Dies betrifft in erster Linie die Mehrzahl der Fälle, denen der Handel mit einem Kilogramm Amphetamin zugrunde liegt. Aber auch soweit es sich um größere Mengen von zwei bis zu in Einzelfällen 25 bzw. 26 Kilogramm handelt, kann ein Beruhen nicht ausgeschlossen werden, da sich die Kammer erkennbar an der von ihr erkannten Einzelstrafe für das Handeltreiben mit einem Kilogramm Amphetamin, die sie im Falle des mittäterschaftlichen bandenmäßigen Handels durchweg mit fünf Jahren bemessen hat, orientiert und diese bei größeren Mengen nicht oder nicht wesentlich erhöht hat.

Die Aufhebung der Einzelstrafaussprüche zieht die Aufhebung der jeweils gebildeten Gesamtstrafe nach sich. Dies führt bei dem Angeklagten L. zur Aufhebung im gesamten Strafausspruch.

c)

Einer Aufhebung der insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bedarf es nicht. Diese sind unter Berücksichtigung der ergänzend zu treffenden konkreten Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des Amphetamins durch das nunmehrige Tatgericht neu zu werten.