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BGH - Entscheidung vom 28.06.2011

EnVR 34/10

Normen:
ARegV § 6 Abs. 2
ARegV § 9
StromNEV § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3

BGH, Beschluss vom 28.06.2011 - Aktenzeichen EnVR 34/10

DRsp Nr. 2011/12701

Anlagen im Bau sind in die Ermittlung des zu verzinsenden betriebsnotwendigen Eigenkapitals nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StromNEV einzubeziehen; Einbeziehen von Anlagen im Bau in die Ermittlung des zu verzinsenden betriebsnotwendigen Eigenkapitals nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StromNEV; Berücksichtigung des Ergebnisses der Kostenprüfung der letzten Engeltgenehmigung für die Bestimmung des Ausgangsniveaus der Erlösobergrenzen für die erste Regulierungsperiode

1. Bei der Ermittlung des Ausgangsniveaus zur Bestimmung der Erlösobergrenzen nach § 6 Abs. 2 ARegV ist die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Auslegung und Anwendung der Stromnetzentgeltverordnung zu berücksichtigen. Die unveränderte Übernahme des Ergebnisses der Kostenprüfung der letzten bestandskräftigen Entgeltgenehmigung ist daher rechtsfehlerhaft, wenn es mit der hierzu in der Zwischenzeit ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht in Einklang steht.2. Die eng auszulegende Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ARegV ist auch im Rahmen der erstmaligen Bestimmung der Erlösobergrenze nach § 6 Abs. 2 ARegV anwendbar.3. Anlagen im Bau und geleistete Anzahlungen für Sachanlagevermögen sind in die Ermittlung des zu verzinsenden betriebsnotwendigen Eigenkapitals nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StromNEV nach den für Neuanlagen geltenden Grundsätzen einzubeziehen.4. § 21a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 EnWG i.V.m. § 21a Abs. 6 S. 2 Nr. 5 EnWG ermächtigt nur dazu, durch Rechtsverordnung eine von der Entwicklung der Verbraucherpreise abweichende Entwicklung der netzwirtschaftlichen Einstandspreise zu berücksichtigen, nicht aber einen generellen gesamtwirtschaftlichen oder netzwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt.

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 24. März 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als ihre Beschwerde gegen Nummer 1 Satz 1 und Nummer 11 des Beschlusses der Beschlusskammer 8 der Bundesnetzagentur vom 3. Februar 2009 zurückgewiesen worden ist, und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Auf die Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 3. Februar 2009 in Nummer 1 Satz 1 sowie Nummern 11 und 12 aufgehoben und die Bundesnetzagentur insoweit verpflichtet, die Betroffene unter Beachtung der Rechtsauffassung des Rechtsbeschwerdegerichts neu zu bescheiden.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde der Betroffenen und die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur werden zurückgewiesen.

Die Kosten und Auslagen des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 13 Mio. € festgesetzt.

Normenkette:

ARegV § 6 Abs. 2; ARegV § 9; StromNEV § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3;

Gründe

I.

Die Betroffene betreibt ein Elektrizitätsverteilernetz. Mit Schreiben vom 2. September 2008 eröffnete die Bundesnetzagentur gegen die Betroffene von Amts wegen das Verfahren zur Festlegung der Erlösobergrenze in der ersten Regulierungsperiode der Anreizregulierung. Die Betroffene beantragte unter anderem die Einbeziehung eines pauschalierten Investitionszuschlags und eines Erweiterungsfaktors in die zu bestimmenden Erlösobergrenzen sowie - unter anderem wegen der gestiegenen Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie und einer Änderung der Versorgungsaufgabe - eine Anpassung der Erlösobergrenze gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ARegV. Der im Laufe des Verwaltungsverfahrens durchgeführte Effizienzvergleich ergab für die Betroffene einen Effizienzwert von 100%.

Mit Beschluss vom 3. Februar 2009 legte die Bundesnetzagentur die einzelnen Erlösobergrenzen für die Jahre 2009 bis 2013 niedriger als von der Betroffenen begehrt fest. Sie begründete dies unter anderem mit Kürzungen bei verschiedenen Positionen im Rahmen der Ermittlung des Ausgangsniveaus nach § 6 Abs. 2 ARegV, nämlich bei Anlagen im Bau, geleisteten Anzahlungen, Eigen- und Fremdkapitalverzinsung und - als Folge dessen - der kalkulatorischen Gewerbesteuer, sowie mit einer anderen Berechnung des pauschalierten Investitionszuschlags nach § 25 ARegV und des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors nach § 9 ARegV. Die Anträge auf Berücksichtigung eines Erweiterungsfaktors und die Anerkennung eines Härtefalls wegen der Kostensteigerung für die Beschaffung von Verlustenergie lehnte die Bundesnetzagentur ab.

Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht den Bescheid der Bundesnetzagentur in Nummer 12, d.h. hinsichtlich der Ablehnung des Antrages auf Anerkennung von Härtefällen, aufgehoben und diese verpflichtet, über den Härtefallantrag unter Beachtung seiner Rechtsauffassung erneut zu entscheiden, weil die grundsätzliche Verneinung des Anwendungsbereichs des § 4 Abs. 4 ARegV rechtswidrig sei. Die weitergehende Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen.

Hiergegen richten sich die - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerden der Betroffenen und der Bundesnetzagentur. Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat die Bundesnetzagentur mit Beschluss vom 19. August 2010 das Verfahren zur Beschaffung von Verlustenergie entsprechend einer von der Betroffenen abgegebenen freiwilligen Selbstverpflichtung gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 4, § 11 Abs. 2 Satz 4 ARegV als wirksam verfahrensreguliert festgelegt, so dass die Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie ab dem Jahr 2011 als dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten behandelt werden. Zur Erfüllung einer im Rahmen der Selbstverpflichtung übernommenen Verpflichtung hat die Betroffene ihre Beschwerde gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur insoweit zurückgenommen, als sie - mit Ausnahme des Härtefallantrages - die Anerkennung von erhöhten Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie betrifft.

II.

Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen hat teilweise Erfolg (siehe hierzu 1 bis 4). Die Rechtsbeschwerde der Bundsnetzagentur ist unbegründet (siehe hierzu 5).

1.

Bestimmung des Ausgangsniveaus der Erlösobergrenzen (§ 6 ARegV)

a)

Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass die Bundesnetzagentur für die Bestimmung des Ausgangsniveaus der Erlösobergrenzen für die erste Regulierungsperiode das Ergebnis der Kostenprüfung der letzten -bestandskräftigen -Entgeltgenehmigung vom 29. Februar 2008 zugrunde legen durfte. Dies ergebe sich aus § 6 Abs. 2 ARegV, wonach als Ausgangsniveau das Ergebnis der Kostenprüfung der letzten Genehmigung der Netzentgelte nach § 23a EnWG vor Beginn der Anreizregulierung, die auf der Datengrundlage des Geschäftsjahres 2006 oder eines früheren Geschäftsjahres basiere, heranzuziehen sei. Sinn und Zweck dieser Übergangsregelung sei es ersichtlich, eine erneute Kostenprüfung und den damit verbundenen Aufwand angesichts des engen zeitlichen Rahmens nach dem Inkrafttreten der Anreizregulierungsverordnung zu vermeiden. Aufgrund dessen sei für die von der Betroffenen begehrte Anpassung des Ergebnisses der in der letzten Entgeltgenehmigung von der Bundesnetzagentur vorgenommenen Kostenprüfung kein Raum; dies gelte auch für solche Kostenpositionen, die nach der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an sich korrekturbedürftig seien; im Ergebnis seien deshalb weder Anlagen im Bau und geleistete Anzahlungen in der Verzinsungsbasis zu berücksichtigen noch ein Risikozuschlag bei den Fremdkapitalzinsen vorzunehmen oder dementsprechend die kalkulatorische Gewerbesteuer anzupassen.

b)

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist bei der Ermittlung des Ausgangsniveaus zur Bestimmung der Erlösobergrenzen nach § 6 Abs. 2 ARegV die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Auslegung und Anwendung der Stromnetzentgeltverordnung zu berücksichtigen. Die unveränderte Übernahme des Ergebnisses der Kostenprüfung der letzten - bestandskräftigen - Entgeltgenehmigung vom 29. Februar 2008 durch die Bundesnetzagentur ist rechtsfehlerhaft.

aa)

Die Frage, ob das Ergebnis der letzten Kostenprüfung auch dann unverändert zu übernehmen ist, wenn es mit der hierzu in der Zwischenzeit ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht in Einklang steht, wird durch den Wortlaut des § 6 Abs. 2 ARegV nicht eindeutig beantwortet. Nach dieser Vorschrift ist als Ausgangsniveau für die erste Regulierungsperiode das Ergebnis der Kostenprüfung der letzten vor Beginn der Anreizregulierung erfolgten Genehmigung der Netzentgelte nach § 23a EnWG , die auf der Datengrundlage des Geschäftsjahres 2006 oder eines früheren Geschäftsjahres basiert, heranzuziehen. Unter den Begriff "heranziehen" könnte durchaus eine strikte, auch durch entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung nicht zu durchbrechende Bindung an das Ergebnis der letzten Kostenprüfung subsumiert werden. Er umfasst aber auch einen abweichenden Bedeutungsgehalt, etwa im Sinne von "berücksichtigen", "nutzen" oder "zur Grundlage machen". Ein eindeutiger Hinweis auf einen bestimmten Bedeutungsgehalt ergibt sich aus dem Wortlaut selbst nicht.

bb)

Die Berücksichtigung von Korrekturen, die nach der Rechtsprechung des Senats an dem Ergebnis der maßgeblichen Kostenprüfung vorzunehmen gewesen wären, ist im Hinblick auf das Erfordernis einer angemessenen Festlegung der Obergrenzen für die Anreizregulierung geboten.

§ 6 Abs. 2 ARegV konkretisiert das Angemessenheitserfordernis des § 21 Abs. 1 EnWG , das auch für die Ermittlung der Obergrenzen nach der Anreizregulierung gilt, und die insoweit vom Gesetzgeber in § 21a Abs. 4 EnWG bestimmten Vorgaben. Die regulatorische Kostenprüfung würde nicht mehr zu angemessenen Ergebnissen führen und den Netzbetreiber ohne sachlichen Grund benachteiligen, wenn die Regulierungsbehörde von Kalkulationsgrundlagen ausgehen dürfte, die auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ersichtlich unzutreffend sind (vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom 14. August 2008 - KVR 36/07, RdE 2008, 337 Rn. 13 - Stadtwerke Trier).

cc)

Die in § 6 Abs. 2 ARegV angeordnete Bezugnahme auf die Datengrundlage des Geschäftsjahres 2006 führt nicht zu einer abweichenden Auslegung. Mit dieser im Verordnungsgebungsverfahren eingefügten Bezugnahme sollte im Interesse einer möglichst einheitlichen Datenbasis und zur Sicherstellung einer geordneten Abwicklung des Effizienzvergleichs lediglich ausgeschlossen werden, dass auf Grund im Jahre 2008 neu gestellter Anträge der Netzbetreiber nach § 23a EnWG auch Ergebnisse von Kostenprüfungen zu berücksichtigen wären, die auf dem Geschäftsjahr 2007 basieren (vgl. BR-Drucks. 417/07 [Beschluss], S. 2 f.). Maßgeblich sollten die Daten aus dem Geschäftsjahr 2006 bleiben. Im Hinblick auf den für die Kostenprüfung erforderlichen Aufwand hat der Verordnungsgeber damit zugleich in Kauf genommen, dass die als Grundlage für die Bestimmung der Erlösobergrenzen herangezogenen Kosten aufgrund des relativ langen zeitlichen Abstandes nicht in allen Einzelheiten mit der tatsächlichen Kostensituation in der Regulierungsperiode übereinstimmen. Hieraus kann aber nicht auf einen Willen des Verordnungsgebers geschlossen werden, bei der Verwertung dieser Daten die hierzu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung beiseite zu lassen und damit im Ergebnis eine nach Maßgabe dieser Rechtsprechung rechtswidrige Regulierungspraxis bei der Umstellung der Netzentgeltregulierung auf die Methode der Anreizregulierung fortzuschreiben. Auch im Übrigen lässt sich den Materialien für eine solche Auslegung nichts entnehmen (vgl. BR-Drucks. 417/07, S. 47).

Entgegen der Auffassung der Bundesnetzagentur hat die Korrektur der Ergebnisse der maßgeblichen Kostenprüfung auch nicht einen Aufwand zur Folge, der sich mit der Vereinfachung des Verfahrens, die der Verordnungsgeber mit Blick auf die Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit durch die Regelung des § 6 Abs. 2 ARegV angestrebt hat, nicht verträgt. Die Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats führt lediglich zu wenigen Einzelkorrekturen. Eine umfassende (erneute) Kostenprüfung, deren Vermeidung der Verordnungsgeber mit § 6 Abs. 2 ARegV durchaus mit im Sinn gehabt hat, hat sie nicht zur Folge.

dd)

Die Betroffene kann, anders als die Bundesnetzagentur meint, nicht auf eines der in der Anreizregulierungsverordnung vorgesehenen Instrumente zur Berücksichtigung tatsächlicher Abweichungen von der im Rahmen des § 6 Abs. 2 ARegV verwendeten Datengrundlage verwiesen werden, wie etwa eine Anpassung der Erlösobergrenze nach § 4 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 ARegV, die Einstellung in das Regulierungskonto nach § 5 ARegV, die Anhebung des Investitionsbudgets gemäß § 23 ARegV oder die Anpassung des Effizienzwertes bzw. der Effizienzvorgaben nach §§ 15, 16 ARegV. Diese Anpassungsmechanismen setzen die Bestimmung des Ausgangsniveaus der Erlösobergrenze nach § 6 ARegV voraus und dienen im Grundsatz nicht der (wirtschaftlichen) Berichtigung einer fehlerhaften regulatorischen Kostenprüfung. Vielmehr hat der Netzbetreiber bereits im Verfahren zur Bestimmung der Erlösobergrenzen einen Anspruch auf eine Recht und Gesetz entsprechende Entscheidung der Regulierungsbehörde.

ee)

Aufgrund dessen hätte die Bundesnetzagentur bei der Ermittlung des Ausgangsniveaus zur Bestimmung der Erlösobergrenzen gemäß § 6 Abs. 2 ARegV die Angaben der Betroffenen zu Anlagen im Bau und geleisteten Anzahlungen in der Verzinsungsbasis (siehe hierzu BGH, Beschluss vom 14. August 2008 - KVR 39/07, RdE 2008, 323 Rn. 32 ff. - Vattenfall) ebenso wie einen Risikozuschlag bei den Fremdkapitalzinsen (siehe hierzu BGH, Beschluss vom 14. August 2008 - KVR 42/07, WuW/E DE-R 2395 Rn. 54 ff. - Rheinhessische Energie) berücksichtigen und gegebenenfalls auch die kalkulatorische Gewerbesteuer entsprechend anpassen müssen. Dies wird sie nachzuholen haben.

2.

Pauschalierter Investitionszuschlag (§ 25 ARegV)

Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen hat hinsichtlich der Berechnung des pauschalierten Investitionszuschlags nach § 25 ARegV teilweise Erfolg.

a)

Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass die Bundesnetzagentur bei der Ermittlung der Kapitalkostenannuitäten - anders als von der Betroffenen begehrt - weder die Anlagen im Bau und geleistete Anzahlungen noch einen um einen Risikozuschlag erhöhten Zinssatz für das verzinsliche Fremdkapital noch den nach der Festlegung der Bundesnetzagentur vom 7. Juli 2008 höheren Eigenkapitalzinssatz für Neuanlagen in Höhe von 9,29% berücksichtigen musste. § 25 Abs. 2 ARegV knüpfe für die Höhe des pauschalierten Investitionszuschlags an die "nach § 14 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ARegV bestimmten Kapitalkosten" und damit an die zur Durchführung des Effizienzvergleichs ermittelten Kapitalkosten an. Insoweit sei gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 2 ARegV das Ergebnis der Kostenprüfung der letzten Entgeltgenehmigung heranzuziehen, so dass die von der Betroffenen geltend gemachten erhöhten Kostenpositionen keine Berücksichtigung finden könnten. Des Weiteren hat das Beschwerdegericht auch die Auffassung der Bundesnetzagentur bestätigt, dass der pauschalierte Investitionszuschlag nur einfach mit 1% der ermittelten Kapitalkosten einzubeziehen sei, also - anders als von der Betroffenen begehrt - keine Kumulation des Zuschlags in den jährlichen Erlösobergrenzen erfolgen könne. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 25 Abs. 2 ARegV, wonach der Zuschlag pro Kalenderjahr 1% der Kapitalkosten nicht überschreiten dürfe.

b)

Diese Beurteilung des Beschwerdegerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern.

aa)

Nach § 25 Abs. 2 ARegV darf der pauschalierte Investitionszuschlag pro Kalenderjahr 1 Prozent der nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit Absatz 2 bestimmten Kapitalkosten nicht überschreiten. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 2 ARegV umfassen die Kapitalkosten unter anderem die Kostenpositionen nach § 5 Abs. 2, §§ 6, 7 StromNEV. Bewertungsmaßstäbe für einzelne Kostenpositionen enthält § 14 Abs. 2 ARegV. Für die Einbeziehung der von der Betroffenen geltend gemachten Kostenpositionen und Erhöhungsbeträge ergibt sich daraus Folgendes:

(1)

Nach der Rechtsprechung des Senats sind Anlagen im Bau und geleistete Anzahlungen für Sachanlagevermögen in die Ermittlung des zu verzinsenden betriebsnotwendigen Eigenkapitals nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StromNEV nach den für Neuanlagen geltenden Grundsätzen einzubeziehen (vgl. Senatsbeschluss vom 14. August 2008 - KVR 39/07, RdE 2008, 323 Rn. 35 - Vattenfall). Aufgrund des Verweises auf diese Vorschrift in § 25 Abs. 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 3 ARegV hat dies auch bei der Ermittlung des pauschalierten Investitionszuschlags zu gelten. Für einen abweichenden Willen des Verordnungsgebers finden sich in den Materialien keine Anhaltspunkte (vgl. nur BR-Drucks. 417/07, S. 70 f.). Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ergibt sich auch aus der Bezugnahme auf § 6 Abs. 2 ARegV in § 14 Abs. 1 Nr. 1 ARegV nichts anderes. Denn auch bei der Bestimmung des Ausgangsniveaus der Erlösobergrenzen nach § 6 Abs. 2 ARegV sind - wie oben unter II 1 dargelegt - Anlagen im Bau und geleistete Anzahlungen zu berücksichtigen.

(2)

Dagegen hat das Beschwerdegericht zu Recht den von der Bundesnetzagentur für die Verzinsung des Fremdkapitals angesetzten Zinssatz von 4,31% gebilligt und - entgegen dem Begehren der Betroffenen - nicht um einen Risikozuschlag erhöht. Der Zinssatz von 4,31% entspricht der Verzinsung nach dem auf die letzten zehn abgeschlossenen Kalenderjahre bezogenen Durchschnitt der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Umlaufrendite festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten. Nach der Rechtsprechung des Senats ist zwar bei der Ermittlung der Obergrenze der Verzinsung des Fremdkapitals nach § 5 Abs. 2 Halbs. 2 StromNEV der auf Anleihen der öffentlichen Hand bezogene Durchschnittszins um einen angemessenen Risikozuschlag zu erhöhen (vgl. Senatsbeschluss vom 14. August 2008 - KVR 42/07, WuW/E DE-R 2395 Rn. 54 ff. - Rheinhessische Energie). Diese Rechtsprechung ist aber für die Bestimmung des pauschalierten Investitionszuschlags nicht einschlägig. § 14 Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 2 ARegV verweist zwar unter anderem auf § 5 Abs. 2 StromNEV. Dies ist aber nur dahin zu verstehen, dass die Fremdkapitalzinsen bei der Berechnung des pauschalierten Investitionszuschlags überhaupt anzusetzen sind. Deren Höhe bestimmt sich dagegen nicht nach § 5 Abs. 2 Halbs. 2 StromNEV, sondern nach der speziellen Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 6 ARegV, der nach seinem eindeutigen Wortlaut die Verzinsung nach dem auf die letzten zehn abgeschlossenen Kalenderjahre bezogenen Durchschnitt der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Umlaufrendite festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten anordnet. Für einen Risikozuschlag ist daher kein Raum.

(3)

Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts bestimmt sich der Eigenkapitalzinssatz nach der zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses der Bundesnetzagentur geltenden Rechtslage, mithin nach der Festlegung der Bundesnetzagentur vom 7. Juli 2008, so dass sie bei der Bemessung des pauschalierten Investitionszuschlags den (höheren) Eigenkapitalzinssatz für Neuanlagen in Höhe von 9,29% hätte heranziehen müssen.

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer behördlichen Entscheidung ist grundsätzlich auf die Rechtslage bei ihrem Erlass abzustellen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 4. Oktober 1983 - KVR 2/82, BGHZ 88, 273, 278 - Elbe-Wochenblatt II, vom 7. Oktober 1997 - KVR 14/96, WM 1998, 1297 , 1300 f. - Selektive Exklusivität und vom 9. November 2010 - EnVR 1/10, WuW/E DE-R 3157 Rn. 30 - Bahnstromfernleitungen, jeweils mwN). Vorliegend sind gemäß § 25 Abs. 2 i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 5 ARegV die nach § 7 Abs. 6 StromNEV für Neuanlagen geltenden Eigenkapitalzinssätze anzusetzen. Da bei Erlass des angefochtenen Bescheids der Bundesnetzagentur am 25. Februar 2009 die Festlegung vom 7. Juli 2008 bereits gültig war, sind auch deren Eigenkapitalzinssätze maßgeblich. Auf den Zeitpunkt des Effizienzvergleichs, der nach § 12 Abs. 5 Satz 1 ARegV für die erste Regulierungsperiode bis zum 1. Juli 2008 abgeschlossen sein musste, kommt es insoweit nicht an. Die Bezugnahme in § 25 Abs. 2 ARegV auf die nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Absatz 2 ARegV "bestimmten" Kapitalkosten ist lediglich als Verweis auf die Methode und die Bewertungsmaßstäbe zur Ermittlung der Kapitalkosten zu verstehen, nicht aber - wie bereits oben unter II 2 b aa (1) dargelegt - dahin, dass das Ergebnis der Kostenprüfung im Rahmen des Effizienzvergleichs für die Berechnung des pauschalierten Investitionszuschlags unverändert zu übernehmen ist. Für eine andere Auslegung bieten weder der Wortlaut der Vorschrift noch die Gesetzgebungsmaterialien eine hinreichende Grundlage.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Betroffene die bis zu der Festlegung vom 7. Juli 2008 geltenden niedrigeren Eigenkapitalzinssätze im Rahmen des Effizienzvergleichs hingenommen hat. Bei dem Effizienzvergleich geht es darum, auf einer einheitlichen Grundlage die Effizienzwerte für die Netzbetreiber bundesweit zu ermitteln. Dabei handelt es sich nicht um absolute Werte, sondern lediglich um relative Vergleichsparameter, die den Zustand zum jeweiligen Stichtag, hier dem 1. Juli 2008, abbilden. Die Verwendung der zu diesem Zeitpunkt noch geltenden niedrigeren Eigenkapitalzinssätze des § 7 Abs. 6 Satz 3 StromNEV ist daher folgerichtig. Der pauschalierte Investitionszuschlag soll dagegen dem einzelnen Netzbetreiber einen Anreiz für Investitionen bieten, die nach Beginn der Anreizregulierung am 1. Januar 2009 anstehen. Diese Zukunftsorientiertheit legt es nahe, für die Berechnung des Investitionszuschlags die aktuellen, zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung geltenden Eigenkapitalzinssätze zu berücksichtigen. Dem entspricht es im Übrigen, dass die Bundesnetzagentur diese Zinssätze bei der Bestimmung des Ausgangsniveaus der Erlösobergrenze zugrunde gelegt hat. Gründe, die eine andere Betrachtung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

bb)

Das Beschwerdegericht hat dagegen zu Recht eine Beschränkung des pauschalierten Investitionszuschlags auf 1% der Kapitalkosten angenommen. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, kommt eine Kumulation des Zuschlags in den jährlichen Erlösobergrenzen nicht in Betracht.

Dafür spricht bereits der Wortlaut des § 25 Abs. 2 ARegV, wonach der pauschalierte Investitionszuschlag pro Kalenderjahr 1 Prozent der Kapitalkosten nicht überschreiten darf. Dass danach - wie die Betroffene meint - eine Kumulation der Zuschläge, d.h. im zweiten Jahr 2%, im dritten Jahr 3% usw., zulässig sein soll, liegt fern. In die gleiche Richtung deutet die Ausgleichsregelung in § 25 Abs. 3 ARegV, die für den Vergleich mit den tatsächlichen Investitionskosten für das einzelne Kalenderjahr an den Wert nach Absatz 2 anknüpft und damit sinnvoll nur die (feste) 1 Prozent-Grenze im Sinne einer Obergrenze meinen kann.

Eine Kumulation der kalenderjährlichen Zuschlagsbeträge liefe auch dem Normzweck des § 25 ARegV zuwider. Die Einbeziehung des Zuschlags dient dazu, notwendige Investitionen in die Energieversorgungsnetze in der Startphase der Anreizregulierung "nicht zu behindern" (BR-Drucks. 417/07, S. 70). Aus dieser negativen Formulierung wird klar, dass mit dem Investitionszuschlag zwar ein gewisser Anreiz für Investitionen gesetzt werden soll; er soll aber nicht dazu dienen, dem Netzbetreiber die Refinanzierung der Investitionen bereits innerhalb der ersten Regulierungsperiode von fünf Jahren zu einem nicht unerheblichen Teil zu ermöglichen. Diese hat vielmehr - wie auch § 25 Abs. 3 Satz 3 ARegV nahelegt - weiterhin über die Berücksichtigung der kalkulatorischen Abschreibungen bei der Bestimmung des Ausgangsniveaus der Erlösobergrenzen nach § 6 ARegV zu erfolgen.

3.

Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor (§ 9 ARegV)

Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen hat auch Erfolg, soweit sie sich gegen die Berücksichtigung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors bei der Ermittlung der Erlösobergrenzen nach § 9 ARegV in der Ausgestaltung durch den Verordnungsgeber wendet.

a)

Nach der Regulierungsformel in Anlage 1 zu § 7 ARegV vermindert der generelle sektorale Produktivitätsfaktor den nach Maßgabe des § 8 ARegV berechneten Wert für die allgemeine Geldwertentwicklung. Er wird gemäß § 9 Abs. 1 ARegV aus der Abweichung des netzwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts vom gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt und der gesamtwirtschaftlichen Einstandspreisentwicklung von der netzwirtschaftlichen Einstandspreisentwicklung ermittelt. Für die ersten beiden Regulierungsperioden hat der Verordnungsgeber die Höhe des Produktivitätsfaktors in § 9 Abs. 2 ARegV selbst festgelegt.

Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass der Verordnungsgeber bei der Einbeziehung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors in der Regulierungsformel des § 7 ARegV die ihm in § 21a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EnWG eingeräumte Verordnungsbefugnis nicht überschritten habe. Diese Vorschrift räume ihm ausdrücklich die Ermächtigung ein, die Methode der Anreizregulierung und damit auch Art und Weise der Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsentwicklung näher auszugestalten. § 21a Abs. 4 Satz 7 EnWG sehe zwingend vor, dass die Vorgaben für die Entwicklung oder Festlegung der Obergrenze den Ausgleich der allgemeinen Geldentwertung vorsehen müssten. Regelungen zum generellen sektoralen Produktivitätsfortschritt seien solche der allgemeinen Geldwertentwicklung. Mit der allgemeinen sektoralen Produktivitätssteigerungsrate habe der Verordnungsgeber lediglich die im Verbraucherpreisindex abgebildete gesamtwirtschaftliche Produktivitätsentwicklung korrigiert und auf diese Weise den Ausgleich der allgemeinen Geldwertentwicklung sachgerecht ausgestaltet. Da der generelle sektorale Produktivitätsfaktor somit zulässiger Bestandteil der Vorgaben für die Erlösobergrenzen und nicht Teil der individuellen Effizienzvorgabe sei, liege auch der von der Betroffenen geltend gemachte Verstoß gegen § 21a Abs. 4 Satz 6 und Abs. 5 Satz 1 EnWG nicht vor.

b)

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. § 21a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EnWG i.V.m. § 21a Abs. 6 Satz 2 Nr. 5 EnWG ermächtigt nur dazu, durch Rechtsverordnung eine von der Entwicklung der Verbraucherpreise abweichende Entwicklung der netzwirtschaftlichen Einstandspreise, nicht aber einen generellen gesamtwirtschaftlichen oder netzwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt zu berücksichtigen.

aa)

Allerdings ist nicht zu beanstanden, dass in die Regulierungsformel - wie in § 9 ARegV unter anderem vorgesehen - die Abweichung der gesamtwirtschaftlichen Einstandspreisentwicklung von der netzwirtschaftlichen Einstandspreisentwicklung einfließt und so den nach Maßgabe des § 8 ARegV berechneten Wert für die allgemeine Geldwertentwicklung korrigiert.

Die jedenfalls in Verbindung mit § 21a Abs. 4 und Abs. 5 EnWG nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmte Verordnungsermächtigung des § 21a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 , Satz 2 Nr. 5 EnWG bietet Raum für ein solches Verständnis. Nach § 21a Abs. 4 Satz 7 EnWG müssen die Vorgaben, die der Verordnungsgeber für die Entwicklung oder Festlegung der Obergrenze innerhalb einer Regulierungsperiode zu treffen hat, den Ausgleich der allgemeinen Geldentwertung vorsehen. Eine unveränderte Anknüpfung an den Verbraucherpreisgesamtindex ist damit nicht zwingend vorgegeben, zumal § 21a Abs. 6 Satz 2 Nr. 5 EnWG nähere Regelungen zum Verfahren bei der Berücksichtigung der Inflationsrate zulässt. Der Verordnungsgeber durfte daher in Betracht ziehen, dass eine unveränderte Orientierung an dem Verbraucherpreisgesamtindex zu einer zu hohen Erlösobergrenze und damit zu überhöhten Netzentgelten führen könnte, wenn die Entwicklung der Einstandspreise in der Netzwirtschaft hinter der Entwicklung der Verbraucherpreise zurückbleibt. Dies würde dem in der Ermächtigungsgrundlage des § 21a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EnWG fortwirkenden Ziel des Energiewirtschaftsgesetzes, eine möglichst preisgünstige, verbraucherfreundliche und effiziente Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität zu erreichen (§ 1 Abs. 1 EnWG ) zuwiderlaufen. Andererseits wird das Ziel, dem Netzbetreiber die Festsetzung eines angemessenen Netzentgeltes zu ermöglichen, durch die Berücksichtigung der netzspezifischen Einstandspreisentwicklung nicht gefährdet.

bb)

Die in § 9 Abs. 1 ARegV außerdem vorgesehene Berücksichtigung der Abweichung des netzwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts von dem gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt ist hingegen durch die Verordnungsermächtigung nicht gedeckt. Eine hinreichende Grundlage hierfür findet sich weder in § 21a Abs. 4 Satz 7 EnWG noch in § 21a Abs. 5 EnWG .

(1)

Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts kann die Berücksichtigung des generellen netzwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts nicht als Regelung über den Ausgleich der allgemeinen Geldentwertung (§ 21a Abs. 4 Satz 7 EnWG ) verstanden werden.

Produktivitätssteigerungen haben keine unmittelbaren Auswirkungen auf das allgemeine Preisniveau. Sie sind zwar für die Frage von Bedeutung, in welchem Umfang allgemeine Preissteigerungen durch Kosteneinsparungen kompensiert werden können, ohne dass der Umfang und die Qualität der erbrachten Leistungen reduziert werden. Der generelle sektorale Produktivitätsfaktor ist aber kein integraler Bestandteil der allgemeinen Geldwertentwicklung.

Gegen eine Einordnung als die Geldentwertung betreffende Regelung spricht auch die in den Materialien für die Einführung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors gegebene Begründung. Dieser soll dem Umstand Rechnung tragen, dass in monopolistisch strukturierten Wirtschaftsbereichen wie den Strom- und Gasnetzen bei der Simulation von Wettbewerb durch Einführung einer Anreizregulierung höhere Produktivitätssteigerungen zu erwarten seien (BR-Drucks. 417/07 S. 48). Indem in der Regulierungsformel der netzwirtschaftliche Produktivitätsforschritt berücksichtigt wird, wird also von den einzelnen Netzbetreibern eine zumindest branchendurchschnittliche Ausschöpfung von Produktivitätsreserven verlangt. Durch diese Verhaltensanforderung unterscheidet sich der generelle sektorale Produktivitätsfaktor von dem Mechanismus der allgemeinen Geldentwertung, dem im Grundsatz alle Unternehmen gleichermaßen ausgesetzt sind, ohne dass sie darauf Einfluss nehmen können.

Ob der Gesetzgeber einen generellen sektoralen Produktivitätsfaktor als Korrekturfaktor der allgemeinen Geldentwertung hätte vorsehen können, kann dahinstehen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 21a Abs. 4 Satz 7 EnWG hat er von einer Ermächtigung dieses Inhalts abgesehen.

(2)

Im Hinblick auf das vorstehend Gesagte sowie die Bestimmung des § 21a Abs. 5 Satz 1 EnWG , in der der Gesetzgeber den inflationsbereinigten gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt als Effizienzvorgabe eingestuft hat, liegt es nahe, in der Berücksichtigung des netzwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts eine Effizienzvorgabe zu sehen. Als solche wäre sie aber in der Ausgestaltung, die sie durch § 9 ARegV i.V.m. der Regulierungsformel in Anlage 1 zu § 7 ARegV erfahren hat, am Maßstab des § 21a Abs. 4 Satz 6 EnWG gemessen nicht zulässig.

Nach § 21a Abs. 4 Satz 6 EnWG ist es untersagt, Effizienzvorgaben auf andere als beeinflussbare Kosten zu beziehen. Dem würde die als Effizienzvorgabe verstandene Berücksichtigung des netzwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts nicht Rechnung tragen, denn nach der Regulierungsformel in Anlage 1 zu § 7 ARegV wird der Produktivitätsfaktor PFt auch auf die vorübergehend nicht beeinflussbaren Kosten angewendet. Dazu gehören jedenfalls auch Kosten, die nach § 21a Abs. 4 Satz 2 EnWG als nicht beeinflussbar anzusehen sind, wie etwa die Kostenanteile, die auf nicht zurechenbaren strukturellen Unterschieden der Versorgungsgebiete beruhen (§ 11 Abs. 3 Satz 2 ARegV).

cc)

Da der netzwirtschaftliche Produktivitätsfortschritt sonach nicht berücksichtigungsfähig ist, ist die pauschale Festlegung der Höhe des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors gemäß § 9 Abs. 2 ARegV gegenstandslos. Auf die gegen die Höhe des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors und die Methode ihrer Ermittlung gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde kommt es sonach nicht mehr an.

Die Bundesnetzagentur wird im weiteren Verfahren - vorbehaltlich einer eventuellen Änderung von § 9 ARegV durch den Verordnungsgeber - gemäß § 9 Abs. 1 ARegV die Abweichung der gesamtwirtschaftlichen Einstandspreisentwicklung von der netzwirtschaftlichen Einstandspreisentwicklung zu ermitteln und diesen Wert anstelle des Terms PFt in der Regulierungsformel nach Anlage 1 zu § 7 ARegV anzusetzen haben.

4.

Erweiterungsfaktor (§ 10 ARegV)

Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen hat Erfolg, soweit sie sich gegen die auf Rechtsgründe gestützte Nichtberücksichtigung des Erweiterungsfaktors gemäß § 10 ARegV für das erste Jahr der Regulierungsperiode wendet

a)

Zwar liegt der von der Rechtsbeschwerde geltend gemachte absolute Revisionsgrund nach § 547 Nr. 6 ZPO i.V.m. § 88 Abs. 2 EnWG nicht vor. Der angefochtenen Entscheidung des Beschwerdegerichts lässt sich mit hinreichender Deutlichkeit eine Begründung dafür entnehmen, dass es eine Berücksichtigung des Erweiterungsfaktors für das Jahr 2009 aus Rechtsgründen generell verneint und damit sowohl den Haupt- als auch den Hilfsantrag der Betroffenen abgewiesen hat.

b)

In der Sache hält die Beurteilung des Beschwerdegerichts der rechtlichen Nachprüfung jedoch nicht stand.

aa)

Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass die Bundesnetzagentur nicht dazu verpflichtet war, den von der Betroffenen dargelegten Anstieg der Jahreshöchstlasten in ihrem Versorgungsgebiet im Jahr 2009 gegenüber dem Jahr 2006 bei der Bestimmung der Erlösobergrenze durch einen Erweiterungsfaktor nach § 10 ARegV zu berücksichtigen. Wie sich aus § 21a Abs. 6 Satz 2 Nr. 4 EnWG und § 4 Abs. 4 Satz 2 ARegV ergebe, könne der Netzbetreiber eine solche Anpassung der Erlösobergrenze erstmals zum 1. Januar 2010 beantragen. Auf den Übergangszeitraum des Jahres 2009 finde § 10 ARegV keine Anwendung. Erheblichen Veränderungen könne im Rahmen eines Antrags auf Anpassung der Erlösobergrenze wegen unzumutbarer Härte gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ARegV Rechnung getragen werden.

bb)

Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen mit Erfolg. Die Bundesnetzagentur musste einen Erweiterungsfaktor in entsprechender Anwendung von § 10 ARegV bereits für das erste Jahr der Regulierungsperiode (hier: 2009) ansetzen. Dies wird sie nachzuholen haben.

Zwar ist § 10 Abs. 1 ARegV auf die zu beurteilende Konstellation nicht unmittelbar anwendbar, weil die Vorschrift den Ansatz eines Erweiterungsfaktors nur bei Änderungen der Versorgungsaufgabe während der Regulierungsperiode vorsieht und damit nicht bei Änderungen greift, die vor Beginn der Regulierungsperiode eingetreten sind. § 10 ARegV ist aber für das erste Jahr einer Regulierungsperiode bei Veränderungen, die zwischen dem Basisjahr und dem Beginn der Regulierungsperiode eingetreten sind, entsprechend anzuwenden.

(1)

Die Anreizregulierungsverordnung weist insoweit eine Regelungslücke auf. Das Zusammenspiel zwischen § 6 ARegV und § 10 ARegV führt dazu, dass Veränderungen in der Versorgungsaufgabe nur dann durch Anwendung eines Erweiterungsfaktors Rechnung getragen werden kann, wenn diese innerhalb der Regulierungsperiode auftreten, während Änderungen im Zeitraum zwischen dem Ende des Basisjahrs und dem Beginn einer Regulierungsperiode - der mindestens ein Jahr, typischerweise rund zwei Jahre beträgt - nicht in derselben Weise Rechnung getragen werden kann.

(2)

Diese Regelungslücke ist planwidrig. Sie steht in Widerspruch zum Regelungskonzept des § 10 ARegV und ist durch den Zweck des § 6 ARegV weder geboten noch nahegelegt.

§ 10 ARegV beruht auf der Erwägung, dass nachhaltige Änderungen in der Versorgungsaufgabe zusätzliche Investitionen erfordern und deshalb zu zusätzlichen Kosten führen (vgl. BR-Drucks. 417/07, S. 49). Diese Erwägung greift unabhängig davon, ob entsprechende Kostensteigerungen vor oder nach Beginn der Regulierungsperiode eingetreten sind. Ein sachlicher Grund dafür, nachhaltige Änderungen in der Versorgungsaufgabe deshalb anders zu behandeln, weil sie in die Zeitspanne zwischen dem Ende des Basisjahrs und dem Beginn der Regulierungsperiode fallen, lässt sich den Materialien nicht entnehmen und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Auch gebietet der Zweck des § 6 ARegV eine solche Differenzierung nicht. Wie bereits oben dargelegt soll die Festlegung des Basisjahrs in dieser Vorschrift ermöglichen, dass die Kosten für alle Netzbetreiber auf einer möglichst einheitlichen Basis ermittelt werden. Wegen des für die Kostenprüfung erforderlichen Aufwandes wird in Kauf genommen, dass die als Grundlage für die Bestimmung der Erlösobergrenzen herangezogenen Kosten aufgrund des relativ langen zeitlichen Abstandes nicht in allen Einzelheiten mit der tatsächlichen Kostensituation in der Regulierungsperiode übereinstimmen. Bei nachhaltigen Änderungen der Versorgungsaufgabe während des Regulierungszeitraums erfährt dieser Grundsatz jedoch eine Ausnahme. Die Verordnung hält hierfür mit § 10 ARegV eine Vorschrift bereit, die einerseits dem berechtigten Interesse des Netzbetreibers Rechnung trägt, die Erlösobergrenze an die veränderten Umstände anzupassen, und andererseits eine vollständig neue Kostenprüfung vermeidet, indem sie bestimmt, dass die Anpassung nach der in Anlage 2 zu § 10 ARegV definierten Formel erfolgt, in die lediglich die Fläche des versorgten Gebiets und die Anzahl der Anschlusspunkte einfließen.

Im Hinblick auf den mit der Festlegung des Basisjahrs in § 6 Abs. 1 Satz 4 bzw. Satz 5 ARegV verbundenen Zeitversatz bis zum Beginn der jeweiligen Regulierungsperiode besteht das gleiche Anpassungsbedürfnis, wenn die nachhaltige Änderung der Versorgungsaufgabe in dieser Zwischenzeit eintritt. Es kann nicht angenommen werden, dass der Verordnungsgeber für diesen Fall eine Anpassung für die gesamte Regulierungsperiode ausschließen wollte. Dies wäre aber die Konsequenz, würde man eine entsprechende Anwendung von § 10 Abs. 1 ARegV auf zwischen Basisjahr und Beginn der Regulierungsperiode eintretende Änderungen ablehnen. Entgegen der offenbar von der Bundesnetzagentur vertretenen Auffassung könnte die Änderung bei einer konsequent am Wortlaut des § 10 Abs. 1 ARegV orientierten Auslegung dann auch in den folgenden Jahren der Regulierungsperiode nicht berücksichtigt werden; denn es fehlte, ungeachtet der Möglichkeit, jeweils zum 30. Juni eines Kalenderjahres einen Anpassungsantrag zu stellen (§ 4 Abs. 4 Satz 2 ARegV), auch in den Folgejahren stets an dem Erfordernis einer während der Regulierungsperiode eingetretenen Änderung der Versorgungsaufgabe. Dies kann dem Regelungsplan des Verordnungsgebers nicht entsprechen.

(3)

Die danach bestehende Regelungslücke ist durch eine entsprechende Anwendung von § 10 ARegV i.V.m. § 4 Abs. 1 und Abs. 4 ARegV für Änderungen zwischen dem Ende des Basisjahrs und dem Beginn der Regulierungsperiode zu schließen.

Die in Anlage 2 zu § 10 ARegV definierte Formel kann auch in diesem Fall zur Berechnung eines dann schon für das erste Jahr der Regulierungsperiode geltenden Erweiterungsfaktors angewendet werden, ohne dass eine zusätzliche Kostenprüfung erforderlich wird. Zwar bedarf es in allen Fällen einer Überprüfung der Angaben zur Fläche und zur Zahl der Anschlusspunkte. Der Aufwand dafür ist typischerweise aber deutlich geringer als der Aufwand für eine vollständige Kostenprüfung.

Die Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 3 ARegV, wonach von einer Änderung in erheblichem Umfang in der Regel auszugehen ist, wenn sich dadurch die Gesamtkosten des Netzbetreibers nach Abzug der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteile um mindestens 0,5% erhöhen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Der mit dieser Prüfung verbundene Aufwand entsteht auch im unmittelbaren Anwendungsbereich der Vorschrift und kann daher nicht als Argument gegen eine analoge Anwendung in Stellung gebracht werden.

Auch unter dem Aspekt der Vergleichbarkeit bestehen keine Bedenken. Die Vergleichbarkeit ist nur dann gefährdet, wenn für die einzelnen Netzbetreiber unterschiedliche Geschäftsjahre als Basisjahr herangezogen werden. Die Berücksichtigung von Änderungen in der Versorgungsaufgabe ist demgegenüber für alle Netzbetreiber gleichermaßen möglich, soweit bei diesen die Voraussetzungen von § 10 ARegV vorliegen.

cc)

Im vorliegenden Fall ist nach dem Vorbringen der Betroffenen die Jahreshöchstlast in ihrem Versorgungsgebiet zwischen den Jahren 2006 und 2009 in der Umspannebene Hochspannung/Mittelspannung um 6,65 MW und in der Umspannebene Mittelspannung/Niederspannung um 7,29 MW gestiegen, was zu einer Erhöhung der maßgeblichen Kosten um 0,5% geführt hat. Die Bundesnetzagentur hätte deshalb prüfen müssen, ob die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung von § 10 ARegV erfüllt sind.

5.

Härtefallregelung (§ 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ARegV)

Die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur hat keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat die Bundesnetzagentur zu Recht verpflichtet, über den Härtefallantrag der Betroffenen vom 25. Juni 2008 erneut zu entscheiden.

a)

Das Beschwerdegericht hat dies damit begründet, dass die Härtefallregelung des § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ARegV eine Auffangvorschrift darstelle, die grundsätzlich dann eingreifen müsse, wenn die übrigen vom Verordnungsgeber vorgesehenen Anpassungsmöglichkeiten nicht einschlägig oder nicht ausreichend seien, und die Beibehaltung der festgesetzten Erlösobergrenze andernfalls zu einer unzumutbaren Härte führen würde. Härtefallregelungen stellten eine gesetzliche Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dar. § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ARegV sei weit auszulegen. Für das Vorliegen eines unvorhersehbaren Ereignisses sei auf die Erkenntnismöglichkeit der Regulierungsbehörde abzustellen. Ein solches sei zu bejahen, wenn zu Mehrkosten führende Umstände zwar in gewissem Sinne vorhersehbar gewesen seien, von der Regulierungsbehörde aber zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung nicht anerkannt worden seien oder nicht hätten anerkannt werden können. Für ein solches Verständnis spreche auch der in den Gesetzgebungsmaterialien hervorgetretene Wille des Verordnungsgebers.

Die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ARegV auf außerordentliche Kostensteigerungen ergebe sich zudem aus der Systematik der Anreizregulierungsverordnung. Der Verordnungsgeber habe sich bei Einführung der Anreizregulierung angesichts des engen Zeitfensters dafür entschieden, in generalisierender, typisierender und pauschalierender Weise für das Ausgangsniveau zur Bestimmung der Erlösobergrenze gemäß § 6 Abs. 2 ARegV die letzte Entgeltgenehmigung nach § 23a EnWG heranzuziehen. Hierdurch sei ein Zeitversatz von drei Jahren entstanden, so dass die Plankosten des Jahres 2008 keine Berücksichtigung hätten finden können. Die Anreizregulierungsverordnung sehe insoweit keine speziellen Anpassungs- und Korrekturmechanismen vor, so dass auf die Auffangregelung des § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ARegV zurückzugreifen sei. Dies gelte insbesondere für einen Netzbetreiber wie die Betroffene, dessen Erlösobergrenze ausgehend von einer 100%-igen Effizienz ermittelt worden seien.

Die Bundesnetzagentur habe ihre Amtsermittlungspflicht verletzt, weil sie die von der Betroffenen angeführten gestiegenen Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie wie auch die geänderte Versorgungsaufgabe nicht zum Anlass genommen habe, das Vorliegen eines Härtefalls im Sinne des § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ARegV zu prüfen. Insoweit sei eine Gesamtbetrachtung der Kosten- und Vermögenssituation des Netzbetreibers anzustellen und auch zu berücksichtigen, ob der Netzbetreiber die Kostensteigerungen durch effizientes Handeln hätte vermeiden oder begrenzen können.

b)

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

aa)

Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ARegV auch im Rahmen der erstmaligen Bestimmung der Erlösobergrenze nach § 6 Abs. 2 ARegV anwendbar ist. Dabei kann dahinstehen, ob diese Vorschrift insoweit bereits unmittelbar anwendbar ist. Jedenfalls gebieten ihr Sinn und Zweck eine entsprechende Anwendung im Rahmen der ursprünglichen Festlegung der Erlösobergrenzen.

Wie bereits dargelegt wurde, nimmt der Verordnungsgeber, indem er für die Bestimmung des Ausgangsniveaus auf das Jahr 2006 abstellt, aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und der Vereinheitlichung in Kauf, dass die bei der Bestimmung der Erlösobergrenzen zu Grunde gelegten Daten bei zwischenzeitlichen Kostensteigerungen nicht mit den tatsächlichen Kosten im Jahr 2009 übereinstimmen. Dies kann bei Hinzutreten unvorhersehbarer Ereignisse zu einer unzumutbaren Härte für den Netzbetreiber führen. Solche Härten können entgegen der Auffassung der Bundesnetzagentur nicht in jedem Fall mit anderen in der Anreizregulierung vorgesehenen Anpassungsmechanismen vermieden werden. Die Anpassung der Erlösobergrenze nach § 4 Abs. 3 ARegV ermöglicht nur die Berücksichtigung von Änderungen des Verbraucherpreisindexes und bestimmter nicht beeinflussbarer Kostenanteile sowie - in der seit 9. September 2010 geltenden Fassung - von volatilen Kostenanteilen im Sinne von § 11 Abs. 5 ARegV nF. Damit sind nicht alle Fälle erfasst, in denen unvorgesehene Kostensteigerungen zu einer unzumutbaren Härte führen. Die Regelungen über das Regulierungskonto für mengenbedingte Prognoseabweichungen (§ 5 ARegV), die Genehmigung von Investitionsbudgets (§ 23 ARegV), den Schutz kleiner Netzbetreiber (§ 24 ARegV) und die Ausgestaltung der Effizienzvorgabe (§ 16 ARegV) erfassen ebenfalls nur einzelne Teilaspekte und können eine unzumutbare Härte, die auf anderen Ursachen beruht, nicht ausgleichen.

Ergibt sich bereits im Rahmen der Bestimmung der Erlösobergrenze, dass die Anwendung der in der Anreizregulierung vorgesehenen Maßstäbe im Einzelfall zu einer unzumutbaren Härte im Sinne von § 4 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 ARegV führen würde, die mit einem der genannten Instrumente nicht vermieden werden kann, wäre es sinnwidrig und mit dem Ziel einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals unvereinbar, wenn der Netzbetreiber mit der Stellung eines Antrags auf Anpassung warten müsste, bis die Bestimmung der Erlösobergrenze abgeschlossen ist. Ihm muss vielmehr die Möglichkeit zur Verfügung stehen, einen solchen Antrag bereits während des Bestimmungsverfahrens zu stellen; die erforderlichen Korrekturen sind dann bereits bei der - erstmaligen - Bestimmung der Obergrenze vorzunehmen.

bb)

Das Beschwerdegericht hat im Hinblick auf die erhebliche Steigerung der Verlustenergiekosten im Ergebnis zu Recht den Eintritt eines unvorhersehbaren Ereignisses bejaht.

(1)

Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ARegV als Ausnahmeregelung allerdings eng auszulegen. Hierfür sprechen die beiden Tatbestandsvoraussetzungen des unvorhersehbaren Ereignisses und der nicht zumutbaren Härte. Die Bestimmung der Erlösobergrenzen hat grundsätzlich nach den einzelnen Vorgaben der Anreizregulierungsverordnung zu erfolgen. Die Anwendung der Härtefallregelung darf nicht zu einer allgemeinen Billigkeitskontrolle der danach sich ergebenden Erlösobergrenzen führen.

Unter einem unvorhersehbaren Ereignis ist nach dem ausdrücklich geäußerten Willen des Verordnungsgebers (vgl. BR-Drucks. 417/07, S. 45) zunächst ein außergewöhnlicher, der Planung und Vorhersage entzogener Umstand wie etwa eine Naturkatastrophe oder ein Terroranschlag zu verstehen. Darauf ist der Begriff aber bei einer am Sinn und Zweck der Härtefallregelung orientierten Auslegung nicht beschränkt. Als unvorhersehbares Ereignis i. S. des § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ARegV kommt danach auch ein Umstand in Betracht, der im Genehmigungsverfahren, ohne dass es auf die subjektiven Erkenntnismöglichkeiten der Regulierungsbehörde oder des betroffenen Netzbetreibers im Zeitpunkt der Behördenentscheidung ankäme, wegen des Zeitversatzes zu dem maßgeblichen Basisjahr nach den hierfür maßgeblichen Vorschriften nicht berücksichtigungsfähig war. Dieses Verständnis wird durch die Begründung der Verordnung zum Erlass von Regelungen über Messeinrichtungen im Strom- und Gasbereich bestätigt. Danach hat der Verordnungsgeber gerade im Fall des Auftretens erheblicher Mehrkosten während einer Regulierungsperiode einen Antrag nach § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ARegV für sachgerecht gehalten (vgl. BR-Drucks. 568/08, S. 33).

Um einen solchen Fall geht es hier. Nach dem für das Rechtsbeschwerdeverfahren als wahr zu unterstellenden Vorbringen der Betroffenen betrugen die Preissteigerungen für die Beschaffung von Verlustenergie bezogen auf das Basisjahr 2006 (§ 6 Abs. 1 Satz 5 ARegV) im Jahr 2008 ca. 50% und im Jahr 2009 über 100%.

(2)

Der Eintritt eines unvorhersehbaren Ereignisses ist allerdings zu verneinen, wenn der betreffende Umstand durch speziellere Anpassungs- und Korrekturregelungen der Anreizregulierungsverordnung abschließend geregelt oder nach den einschlägigen gesetzlichen Regelungen und deren Wertungen dem Risikobereich des Netzbetreibers zugewiesen ist. Dies ist hier aber nicht der Fall.

(a)

Wie die Bundesnetzagentur zutreffend angenommen hat und von der Betroffenen im Hinblick auf die im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens erfolgte Abgabe einer freiwilligen Selbstverpflichtung betreffend das Verfahren zur Beschaffung von Verlustenergie auch nicht mehr in Frage gestellt wird, handelt es sich bei den Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie nicht ihrer Natur nach um dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile, deren Erhöhung dem Netzbetreiber eine Anpassung der Erlösobergrenze nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 ARegV gestatten würde. Die Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie können vom Netzbetreiber in verschiedener Weise beeinflusst werden. Dies gilt vor allem für das Verfahren zu ihrer Beschaffung, aber auch für technische Maßnahmen zur Verringerung der Verlustmenge. Dass die Kosten durch solche Maßnahmen nur geringfügig beeinflusst werden können, im Wesentlichen aber der für den einzelnen Netzbetreiber nicht beeinflussbare Marktpreis vorgegeben ist, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Denn es ergibt sich unmittelbar aus den gesetzlichen Vorschriften, dass die Kosten für die Beschaffung der Verlustenergie nicht zu den dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten gehören. In der beispielhaften Aufzählung der nicht beeinflussbaren Kosten in § 21a Abs. 4 Sätze 2 und 3 EnWG sind die Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie nicht enthalten. Für sie gilt vielmehr § 22 Abs. 1 EnWG , der die Netzbetreiber verpflichtet, die Verlustenergie nach transparenten, diskriminierungsfreien und marktorientierten Verfahren zu beschaffen, um hierdurch eine möglichst preisgünstige Energieversorgung sicherzustellen. Dies setzt jedoch grundsätzlich eine Beeinflussbarkeit dieser Kosten durch die Netzbetreiber voraus. Von dieser Vorstellung ist auch der Verordnungsgeber ausgegangen, weil es ansonsten der Regelung in § 11 Abs. 2 Sätze 2 und 4 ARegV oder des zum 9. September 2010 in Kraft getretenen § 11 Abs. 5 ARegV, der die Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie als beeinflussbare oder vorübergehend nicht beeinflussbare Kostenanteile einordnet, nicht bedurft hätte.

Für die Zeit vor dem Jahr 2011 waren die Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie auch nicht als wirksam verfahrensreguliert gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 4 ARegV i.V.m. § 11 Abs. 2 Sätze 2 und 4 ARegV den dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten gleichgestellt und unterlagen auch unter diesem Gesichtspunkt nicht der Anpassung durch den Netzbetreiber nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 ARegV. Im Hinblick auf die Erlösobergrenzen der Jahre 2009 und 2010 kommt daher die Anerkennung der gestiegenen Verlustenergiekosten als Härtefall in Betracht.

(b)

Entgegen der Auffassung der Bundesnetzagentur ist die Berücksichtigung gestiegener Beschaffungskosten im Rahmen der Härtefallregelung des § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ARegV nicht im Hinblick auf die Systematik der Anreizregulierungsverordnung und die Regulierungsziele ausgeschlossen. Die von ihr angesprochenen Anpassungs- und Korrekturregelungen (§ 4 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 bis 5, § 5, § 12 Abs. 3, § 15, § 16 Abs. 1, § 23, § 24 ARegV) sind auf den Fall gestiegener Beschaffungskosten nicht anwendbar, sondern regeln andere Sachverhalte.

Für durch speziellere Anpassungs- und Korrekturregelungen der Anreizregulierungsverordnung nicht erfasste Fälle greift, wovon auch der Verordnungsgeber ausgeht (vgl. BR-Drucks. 568/08, S. 33), § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ARegV ein, und zwar - anders als das Beschwerdegericht offenbar meint - unabhängig davon, welchen Effizienzwert der jeweilige Netzbetreiber aufweist. Dem stehen auch die Regulierungsziele nicht entgegen. Im Gegenteil würde die von § 21 Abs. 1 und 2 EnWG geforderte angemessene Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals (vgl. Senat, Beschluss vom 14. August 2008 - KVR 35/07, RdE 2008, 341 Rn. 51 und 53 - Stadtwerke Neustadt an der Weinstraße) nicht gewährleistet, wenn diese Verzinsung auf unabsehbare Zeit durch Kostensteigerungen aufgezehrt würde, die für den Netzbetreiber nicht vorhersehbar waren, ihm nicht zurechenbar sind und für ihn nicht, oder - wie die Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie - jedenfalls zum größten Teil nicht vermeidbar waren.

(c)

Allerdings können gestiegene Beschaffungskosten nur dann als unvorhergesehenes Ereignis angesehen werden, wenn es sich um außergewöhnliche Preissteigerungen handelt, die außerhalb des Risikobereichs des Netzbetreibers liegen. Nach § 21a Abs. 3 Satz 3 EnWG bleiben die Vorgaben für die Erlösobergrenze für eine Regulierungsperiode grundsätzlich unverändert. Der Anstieg von Beschaffungskosten, der sich im Rahmen der allgemeinen Geldwertentwicklung hält, wird in der Regulierungsformel nach § 7 ARegV berücksichtigt. Solche üblichen Preissteigerungen auf der Beschaffungsseite können nicht als unvorhergesehene Ereignisse bewertet werden.

Die hier in Rede stehenden Preissteigerungen von bis zu 100% sind jedoch nicht mehr der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge vorhersehbaren Teuerung zuzurechnen.

cc)

Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass zur Beantwortung der Frage, ob für den Netzbetreiber durch den Eintritt des unvorhersehbaren Ereignisses eine nicht zumutbare Härte entstanden ist, nicht nur die gestiegene einzelne Kostenposition in den Blick genommen werden darf, sondern eine Gesamtbetrachtung der Kosten- und Vermögenssituation des Netzbetreibers anzustellen ist. Wie der Senat bereits im Rahmen der kostenbasierten Entgeltbildung entschieden hat, lässt sich die Angemessenheit der Netzentgelte i.S. des § 21 EnWG nicht anhand einer einzelnen Rechnungsposition beurteilen, sondern bedarf einer Gesamtbetrachtung (vgl. Beschluss vom 14. August 2008 - KVR 35/07, RdE 2008, 341 Rn. 51 - Stadtwerke Neustadt an der Weinstraße). Für die Anreizregulierung muss dies in gleicher Weise gelten.

Die Unzumutbarkeit setzt voraus, dass die Entgeltbildung nach den Maßgaben der Anreizregulierungsverordnung zu einem für den Netzbetreiber wirtschaftlich untragbaren Ergebnis führt. Im Rahmen der wertenden Betrachtungsweise ist im Rahmen der Härtefallregelung des § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ARegV insbesondere zu berücksichtigen, dass dem Netzbetreiber nach der gesetzlichen Wertung des § 21 Abs. 1 EnWG eine angemessene und wettbewerbsfähige Verzinsung seines Eigenkapitals verbleiben muss (vgl. Senatsbeschluss vom 14. August 2008 - KVR 35/07, RdE 2008, 341 Rn. 53 - Stadtwerke Neustadt an der Weinstraße). Eine "gesetzlich garantierte" Eigenkapitalverzinsung in einer bestimmten Höhe wird damit indes nicht gefordert. Treten die Kostensteigerungen von vornherein nur für einen begrenzten Zeitraum auf, ist dem Netzbetreiber eher zuzumuten, vorübergehend eine geringere Verzinsung seines Eigenkapitals hinzunehmen als dies bei dauerhaften oder für einen erheblichen Teil der Regulierungsperiode zu erwartenden Kostensteigerungen der Fall ist. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, ob der Netzbetreiber die durch eine einzelne Kostensteigerung verursachte Gesamtbelastung seiner Kosten- und Vermögenssituation durch wirtschaftlich vertretbare Rationalisierungsmaßnahmen zumindest teilweise auffangen kann. Zu einer überpflichtgemäßen Ausschöpfung aller Rationalisierungsreserven ist er aber nicht gezwungen. Der Netzbetreiber hat daher - bezogen auf das gesamte Netz - darzulegen, wie sich die gestiegenen Kosten - hier: für die Beschaffung von Verlustenergie - unter Berücksichtigung aller sonstiger Veränderungen in der Kosten- und Vermögenssituation auf die - kalkulatorische - Eigenkapitalverzinsung auswirken.

dd)

Die Ablehnung des Härtefallantrags durch die Bundesnetzagentur kann sonach keinen Bestand haben. Hierüber wird unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden sein. Dem kann die Bundesnetzagentur nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Betroffene habe die ihr obliegende Mitwirkungsobliegenheit bei der Aufklärung des Sachverhalts verletzt und für einen Härtefall in tatsächlicher Hinsicht nicht genügend vorgetragen. Das Beschwerdegericht hat vielmehr zu Recht in diesem Zusammenhang eine Verletzung der Amtsaufklärungspflicht durch die Bundesnetzagentur angenommen.

Gemäß § 68 Abs. 1 EnWG , § 27 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ARegV hat die Regulierungsbehörde die zur Bestimmung der Erlösobergrenzen notwendigen Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln. Dies gilt gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ARegV auch für das Antragsverfahren nach § 4 Abs. 4 ARegV. Dieser Pflicht der Behörde stehen Obliegenheiten der Beteiligten gegenüber, die bei der Ermittlung des Sachverhalts mithelfen und insbesondere die ihnen bekannten Tatsachen und Beweismittel angeben sollen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2009 - EnVR 79/07, RdE 2010, 19 Rn. 21 - SWU Netze). Die Mitwirkungslast begrenzt die Amtsaufklärungspflicht der Regulierungsbehörde. Diese braucht entscheidungserhebliche Tatsachen nicht zu ermitteln, die der Betroffene ihr zu unterbreiten hat (Senat aaO). Soweit solche Angaben erforderlich oder zu vervollständigen sind, hat die Regulierungsbehörde den Netzbetreiber hierauf allerdings hinzuweisen und von ihm die Vorlage weiterer Angaben oder Unterlagen zu verlangen.

Nach diesen Maßgaben hat die Bundesnetzagentur ihre Amtsaufklärungspflicht hier verletzt. Die Betroffene hat mit Schreiben vom 31. Oktober 2008 einen Antrag auf Anerkennung eines Härtefalles nach § 4 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 ARegV gestellt und zur Begründung auf die gestiegenen Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie verwiesen. Dabei hat sie zwar ihre Gesamtkostensituation nicht dargestellt, obwohl dies im Rahmen der Härtefallregelung geboten gewesen wäre. Hierzu hätte die Bundesnetzagentur die Betroffene aber auffordern müssen, zumal die Rechtslage hinsichtlich des Anwendungsbereichs und der Voraussetzungen der Härtefallregelung in der ersten Regulierungsperiode der Anreizregulierung noch nicht geklärt waren. Dies hat sie unterlassen, weil sie den Antrag - rechtsfehlerhaft - aus anderen Gründen abgelehnt und eine Würdigung der Gesamtumstände ausdrücklich nicht vorgenommen hat.

ee)

Ungeachtet der der Bundesnetzagentur obliegenden Pflicht zur Amtsaufklärung wird die Betroffene im weiteren Verfahren ihr Vorbringen zum Vorliegen eines Härtefalls allerdings vertiefen und ergänzen müssen. Ihr bisheriges Vorbringen genügt zur Begründung eines Härtefalls nicht, weil es im Wesentlichen auf die erhöhten Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie beschränkt ist und nicht ermöglicht, die gebotene Gesamtbetrachtung anzustellen. Für das Vorbringen in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz im Beschwerdeverfahren gilt nichts anderes; auch dort wird nur zu Kostensteigerungen in bestimmten Positionen vorgetragen, nicht aber zur Gesamtbelastung.

III.

Der Senat verweist die Sache nicht an das Beschwerdegericht zurück. Die noch offenen Fragen zu Nummer 1 Satz 1 sowie Nummern 11 und 12 des angefochtenen Beschlusses vom 3. Februar 2009 können durch die Bundesnetzagentur in dem neu eröffneten Verwaltungsverfahren entschieden werden. Für die Neubescheidung ist der rechtliche Rahmen durch die Entscheidung des Senats vorgegeben.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 1 EnWG .

OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 24.03.2010 - VI-3 Kart 166/09 (V) -

Verkündet am: 28. Juni 2011

Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 24.03.2010