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BFH - Entscheidung vom 11.02.2011

V B 64/09

Normen:
§ 115 Abs 2 FGO
§ 126 Abs 4 FGO
§ 12 Abs 2 Nr 9 S 1 UStG 1993
§ 12 Abs 2 Nr 9 S 1 UStG 1999
Art 12 Abs 3 Buchst a EWGRL 388/77
Anh H EWGRL 388/77
UStG 1993/1999 § 12 Abs. 2 Nr. 9 S. 1

BFH, Beschluss vom 11.02.2011 - Aktenzeichen V B 64/09

DRsp Nr. 2011/5954

Anwendbarkeit der steuerlichen Ermäßigung gem. § 12 Abs. 2 Nr. 9 S. 1 Umsatzsteuergesetz 1993/1999 ( UStG 1993/1999) für eine Verabreichung von Heilbädern auf die sog. Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie

1. NV: Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann nach vorherigem Hinweis auf diese Möglichkeit in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO als unbegründet zurückgewiesen werden, wenn sich die klageabweisende Entscheidung des FG aus anderen als den vom FG angeführten Gründen als zutreffend erweist. 2. NV: Die Steuerermäßigung für "Heilbäder" nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 1 UStG betrifft zu therapeutischen Zwecken genutzte Bäder und setzt daher eine äußerliche Anwendung auf den Körper voraus. 3. NV: Hat ein Mitgliedstaat den ermäßigten Steuersatz nur für einen Teilaspekt der Kategorie Nr. 16 des Anhangs H zu Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehen, kann der Unternehmer eine weiter gehende Begünstigung nicht durch Berufung auf diese Richtlinie erreichen.

Normenkette:

UStG 1993/1999 § 12 Abs. 2 Nr. 9 S. 1;

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ( FGO ) ist die Revision u.a. zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ).

1.

Im Streitfall kann offen bleiben, ob derartige Zulassungsgründe hinreichend dargelegt wurden und vorliegen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist die Revision in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO dann nicht zuzulassen, wenn sich die klageabweisende Entscheidung des Finanzgerichts (FG) aus anderen als den vom FG angeführten Gründen als richtig darstellt (BFH-Beschlüsse vom 22. Oktober 2009 X B 102/08, BFH/NV 2010, 225 ; vom 16. Juli 2008 X B 25/08, BFH/NV 2008, 1673 ; vom 31. Januar 2007 I B 44/06, BFH/NV 2007, 1191 ; vom 15. Dezember 2004 X B 116/04, BFH/NV 2005, 715 ; vom 19. Juli 1999 V B 8/99, BFH/NV 2000, 192 ). So liegen die Verhältnisse im Streitfall. Das FG hat die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für die Verabreichung der Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie nach Prof. von Ardenne im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 ( UStG ) ermäßigt sich die Steuer auf sieben vom Hundert für die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze sowie für die Verabreichung von Heilbädern.

a)

"Heilbäder" sind zu therapeutischen Zwecken genutzte Bäder. Dabei erfordert ein "Bad" das Eintauchen des Körpers (Vollbad) oder bestimmter Körperteile (Teilbad) in Wasser oder andere flüssige Medien; im übertragenen Sinne spricht man auch von Bad, wenn der unbekleidete Körper den Sonnenstrahlen (Sonnenbad), heißer oder kühler Luft (Heißluftbad, Luftbad) ausgesetzt oder in heißen Sand (Sandbad) eingegraben wird (vgl. Brockhaus, Enzyklopädie, 21. Auflage "Bad"). Selbst bei weiter Auslegung des Begriffs ist in allen Fällen eine äußerliche Anwendung auf den Körper erforderlich. Die vom Rechtsvorgänger der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) verabreichte Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie beruht dagegen --neben der Verabreichung von Vitalstoffen und einem Bewegungstraining-- im Wesentlichen auf dem Inhalieren eines Sauerstoff-Luft-Gemischs und fällt daher bereits nach dem Wortlaut nicht in den Anwendungsbereich des § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 1 UStG .

b)

Eine ermäßigte Besteuerung der Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie ergibt sich auch nicht aus einer Berufung auf Unionsrecht. Der zu Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG ergangene Anhang H ermöglicht den Mitgliedstaaten zwar in Kategorie 16 die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes u.a. für "medizinische Versorgungsleistungen", hierbei handelt es sich aber um eine "Kann"-Vorschrift. Die Mitgliedstaaten sind demnach nicht gezwungen, sämtliche in den Kategorien des Anhangs H genannten Umsätze ermäßigt zu besteuern, vielmehr ist eine "selektive Auswahl" zulässig (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 6. Mai 2010 C-94/09, Kommission/Frankreich, Rz 29, BFH/NV 2010, 1401 Rdnr. 29). Hat der Mitgliedstaat --wie im Streitfall Deutschland-- nur für einen Teilaspekt der Kategorie Nr. 16 den ermäßigten Steuersatz vorgesehen, kann der Unternehmer eine weiter gehende Begünstigung nicht durch Berufung auf die Richtlinie erreichen (vgl. Hünnekens in Hartmann/Metzenmacher, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz , § 12 Abs. 2 Nr. 9 Rz 6; Kraeusel in Reiß/ Kraeusel/Langer, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz , § 12 Rz 83).

c)

Die Klägerin wurde mit Schreiben der Senatsvorsitzenden vom 21. Dezember 2010 auf die Möglichkeit einer Zurückweisung der Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO hingewiesen und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

2.

Von einer weiter gehenden Begründung und der Darstellung des Sachverhalts sieht der Senat gemäß 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab. Im Hinblick auf die Anwendung von § 126 Abs. 4 FGO kam es insbesondere auf den geltend gemachten Verfahrensfehler nicht an.

Vorinstanz: FG Hessen, vom 02.03.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 6 K 4/05