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BGH - Entscheidung vom 10.02.2009

KZR 41/07

Normen:
RL 98/10/EG Art. 6 Abs. 3
TEntgV § 3 Abs. 2
BGB § 134

BGH, Beschluss vom 10.02.2009 - Aktenzeichen KZR 41/07

DRsp Nr. 2010/4404

Vereinbarkeit einer Vergütungsvereinbarung in einem Datenüberlassungsvertrag mit deutschem und europäischem Recht; Legaldefinition des Begriffs "Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung"

I. Die Parteien werden - vorbehaltlich des Ergebnisses einer mündlichen Verhandlung - auf Folgendes hingewiesen:

1. Hinsichtlich des Zeitraums bis zum Ablauf der Frist zur Umsetzung der Richtlinie 98/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 1998 (ONP, ABl. L 101 v. 1.4.1998, S. 24 ff.) in nationales Recht am 30. Juni 1998 ist die Klage unbegründet.

In dieser Zeit war § 12 TKG 1996 noch nicht richtlinienkonform auszulegen.

Eine Auslegung ohne Berücksichtigung der Richtlinie führt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht zu dem Ergebnis, dass für die Überlassung der Teilnehmerdaten aus der Datenbank DaRed ein Entgelt lediglich in Höhe der Zusatzkosten für die Datenüberlassung ("Kostenkategorie 3" gemäß Urteil des Bundesverwaltungsgerichts v. 16.7.2008 - 6 C 2/07, NVwZ 2008, 832, Tz. 4) zu zahlen war. Dagegen sprechen schon die Legaldefinition des Begriffs "Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung" in § 3 Abs. 2 TEntgV und die Differenzierungen des bei richtlinienkonformer Auslegung zulässigen Entgelts durch das Bundesverwaltungsgericht (aaO., Tz. 15 ff.).

Dass die Beklagte bei dieser Rechtslage durch ihre Vertragsgestaltung in der Zeit bis zum 30. Juni 1998 die Klägerin unbillig behindert hätte iSd. § 26 Abs. 2 GWB a.F., ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden.

2. a) Hinsichtlich des Zeitraums ab dem 1. Juli 1998 ist § 12 TKG a.F. - ebenso wie die Nachfolgenorm § 47 TKG n.F. - richtlinienkonform auszulegen.

aa) Dabei schließt sich der Senat der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung des § 47 Abs. 4 Satz 1 TKG an (Urt. v. 16.7.2008, aaO.).

bb) Der Senat legt § 12 Abs. 1 und 2 TKG a.F. in Übereinstimmung mit Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 98/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 1998 (ONP, ABl. L 101 v. 1.4.1998, S. 24 ff.) und der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 25. November 2004 (C-109/03, Slg. 2004, I-11273 - KPN-Telekom) in gleicher Weise aus. Er ist der Auffassung, dass mit der Gleichstellung der nach den Absätzen 1 und 2 des § 12 TKG a.F. geschuldeten Vergütungen die Grenzen einer richtlinienkonformen Auslegung nicht überschritten werden.

cc) Danach hat die Klägerin grundsätzlich eine Vergütung in Höhe der auf sie entfallenden Kosten für die Überlassung der Datensätze aus der Datenbank DaRed zu zahlen ("Kostenkategorie 3" gemäß Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, aaO., Tz. 4). Diese Kosten sind nach der Zahl der Abrufe aus dem Datenbestand - einschließlich der Abrufe von Stellen innerhalb des Konzerns der Beklagten - zu verteilen.

Daneben können die Parteien bezüglich aller Daten außer den Namen, Anschriften und Telefonnummern der eigenen Kunden der Beklagten (eigene Basisdaten) eine Vergütung in einer Höhe bis zur Missbrauchsgrenze der §§ 28 TKG , 19 GWB vereinbaren. Aufgrund der Unterwerfungserklärung der Beklagten gegenüber dem Bundeskartellamt ist diese Grenze gewahrt, wenn die Beklagte von jährlichen Kosten der Datenbank DaRed in Höhe von 176 Mio. DM für die Zeit bis zum 31. Dezember 2002 ausgeht ("Kostenkategorien 1 und 2" gemäß Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, aaO.) und davon den Teil auf die Nutzer - einschließlich der Nutzer aus ihrem Konzern - anteilig umlegt, der dem gesamten Datenbestand abzüglich der eigenen Basisdaten und abzüglich der ausschließlich innerhalb ihres Konzerns weitergegebenen Daten entspricht. Diese Kosten können nutzungsabhängig umgelegt werden.

Ein Mindestentgelt unabhängig von der Zahl der Datenabrufe und dem Umfang der Datennutzung ist unzulässig, weil das zur Umlage höherer Kosten führen kann, als den vorstehenden Grundsätzen entspricht.

dd) Der Senat legt § 12 TKG a.F. als Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB aus. Bezüglich der eigenen Basisdaten der Beklagten besteht eine feste Preisgrenze in Form der Kosten der Datenübermittlung. Die Vergütung der sonstigen Teilnehmerdaten unterliegt der Missbrauchskontrolle. Dass auch Vorschriften der Missbrauchskontrolle Verbotsgesetze sein können, entspricht ständiger Rechtsprechung (s. etwa BGH, Urt. v. 24.6.2003 - KZR 32/01, WuW/E DE-R 1144, 1145 - Schülertransporte).

b) Danach verstößt die Vergütungsvereinbarung in dem Datenüberlassungsvertrag der Parteien hinsichtlich des dritten der von dem Berufungsgericht unterschiedenen Zeiträume, des Zeitraums vom 1. Januar 2000 bis zum 22. Januar 2001, in dem die Klägerin die Datenbank der Beklagten nicht mehr online genutzt hat, gegen § 12 TKG a.F. Das hat nach allgemeinen Grundsätzen zur Folge, dass die Vereinbarung in dem Umfang nichtig ist, in dem der zulässige Preis überschritten wird.

Die Klägerin kann nicht verlangen, gemäß §§ 33 , 19 Abs. 1 , 4, § 20 Abs. 1 GWB so gestellt zu werden, als hätte sie nur die eigenen Basisdaten der Beklagten abgenommen. Denn es ist ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht anzunehmen, dass die Abnahme nur der Basisdaten bei im Übrigen gedeckelten Preisen bezüglich der sonstigen Teilnehmerdaten für die Klägerin von Interesse gewesen wäre.

c) Hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Juli 1998 bis zum 31. Dezember 1999, in dem die Klägerin die Datenbank der Beklagten online über die Suchmaschine NDIS genutzt hat, ist von folgender Rechtslage auszugehen:

aa) Wie der Senat bereits mit Urteil vom 11. Juli 2007 (KZR 29/05, WuW/E DE-R 1829 - Suchmaschine) entschieden hat, gilt für eine Online-Nutzung der Datenbank DaRed der Beklagten über die Suchsoftware NDIS auch unter Geltung der Richtlinie 98/10/EG die Entgeltbeschränkung des § 12 TKG a.F. nicht. Die Beklagte ist nach § 12 TKG a.F. = § 47 TKG n.F. nur verpflichtet, die Teilnehmerdaten derart offline zu überlassen (ggf. mittels Online-Updates), dass die Empfänger sie in eine eigene Datenbank einpflegen und darauf mittels einer eigenen Suchsoftware Zugriff nehmen können.

bb) Ebenfalls in dem Suchmaschine-Urteil hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Beklagte mit ihrer Vertragsgestaltung gegen § 19 Abs. 1 , 4 GWB verstoßen haben könnte (aaO. unter III 2). Im vorliegenden Fall ist von einer unbilligen Behinderung im Sinne von § 20 Abs. 1 GWB n.F. = § 26 Abs. 2 Satz 1 GWB a.F. - mit der Folge eines Schadensersatzanspruchs der Klägerin nach § 33 GWB n.F. = § 35 GWB a.F. - auszugehen. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte die Klägerin durch eine nach den vorstehenden Ausführungen überhöhte Entgeltforderung für die Offline-Nutzung der Datenbank zu dem Abschluss eines Vertrages über die Online-Nutzung veranlasst.

Gegen die Feststellungen, die Beklagte habe sowohl auf dem Markt für die Bereitstellung von Teilnehmerdaten als auch auf dem nachgelagerten Markt für telefonische Auskunftsdienste in dem hier maßgeblichen Zeitraum eine mindestens marktstarke Stellung gehabt und die Forderung eines unzulässig hohen Entgelts behindere die Datenabnehmer in ihrem Wettbewerbsverhalten auf dem Markt für telefonische Auskunftsdienste unbillig, ist nach Auffassung des Senats revisionsrechtlich nichts zu erinnern.

cc) Ebenso erfolglos greift die Revision die Annahmen des Berufungsgerichts an, die Beklagte treffe ein Verschulden und die Forderung sei nicht verjährt.

dd) Zur Höhe des Schadensersatzanspruchs bedarf es dagegen noch weiterer Feststellungen.

Zwar kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht darauf an, ob sich der durch ein missbräuchliches Marktverhalten Geschädigte den Einwand entgegenhalten lassen muss, er habe seinen Schaden auf seine Abnehmer weitergewälzt. Denn das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Klägerin bei geringeren Entgelten für die Datenüberlassung nicht die gleichen Preise für die Auskunftserteilung eingenommen hätte.

Das Berufungsgericht hat aber die gesamten Zahlungen der Klägerin - mit Ausnahme der Bereitstellungspauschalen - als Schaden angesehen. Ersatzfähig ist indes nur die Differenz zwischen den Zahlungen und dem zulässigen Entgelt für eine Offline-Nutzung.

Das Berufungsgericht hat weiter nicht bedacht, dass die durch die Online-Nutzung der Datenbank bei der Klägerin entstandenen Kostenersparnisse im Wege des Vorteilsausgleichs auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen sind. Es liegt auf der Hand, dass die Klägerin, wenn sie schon früher eine eigene Teilnehmerdatenbank mit Suchsoftware eingerichtet hätte, entsprechende Kosten hätte aufwenden müssen, die sie infolge der Online-Nutzung der Datenbank der Beklagten erspart hat (s. BGH, Urt. v. 11.7.2006, aaO. - Suchmaschine). Erspart worden wären jedenfalls Personalkosten und Abschreibungen auf die Anschaffungs- oder Entwicklungskosten.

II. Die Parteien mögen erwägen, ob nach der grundsätzlichen Klärung der Rechtslage durch die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des Bundesverwaltungsgerichts eine Fortsetzung dieses Prozesses - mit einer dann notwendig werdenden Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht - sinnvoll ist oder ob sie sich auf der Grundlage der vorstehenden Hinweise vergleichsweise einigen können. Dazu nimmt der Senat Bezug auf den Vergleichsvorschlag des Berichterstatters vom heutigen Tage.

Normenkette:

RL 98/10/EG Art. 6 Abs. 3; TEntgV § 3 Abs. 2; BGB § 134 ;
Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 16.05.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 2 U (Kart) 10/05
Vorinstanz: LG Düsseldorf, vom 31.08.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 91 O 230/04