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BGH - Entscheidung vom 10.03.2009

3 StR 36/09

Normen:
StPO § 265
StPO § 349 Abs. 2
BtMG § 31

Fundstellen:
NStZ 2009, 394
StraFo 2009, 394

BGH, Beschluss vom 10.03.2009 - Aktenzeichen 3 StR 36/09

DRsp Nr. 2009/8116

Einordnung der Tätigkeit eines Drogenkuriers als unerlaubtes Handeltreiben mit Heroin; Tatbestandliche Voraussetzungen des § 31 Nr. 1 Betäubungsmittelgesetz ( BtMG )

Tenor:

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 5. November 2008

a)

im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,

b)

im Strafausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StPO § 265 ; StPO § 349 Abs. 2 ; BtMG § 31 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Handeltreibens mit Heroin in nicht geringen Mengen in sechs Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt sowie die Einziehung von Gegenständen angeordnet. Vom Vorwurf, eine weitere Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz begangen zu haben, hat es ihn freigesprochen. Mit der gegen seine Verurteilung gerichteten Revision beanstandet der Angeklagte das Verfahren und rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge hin zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Ausspruchs über die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe; im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

Nach den Feststellungen lieferten die gesondert verfolgten T. und A. C. in sechs Fällen jeweils 100 Gramm Heroin mit einer Wirkstoffkonzentration von 50 % sowie 500 Gramm Streckmittel in die Wohnung des Angeklagten. Dieser verkaufte die Betäubungsmittel jeweils für 2.500 EUR an eine unbekannt gebliebene Person. Vom Kaufpreis behielt der Angeklagte jeweils 50 EUR bis 100 EUR als Lohn für sich ein und übergab das restliche Geld seinen Lieferanten. Die Kammer konnte nicht ausschließen, dass der Angeklagte lediglich als "Kurier" tätig war.

Die auf der Grundlage dieser Feststellungen vorgenommene Würdigung des Landgerichts, der Angeklagte sei als Täter des unerlaubten Handeltreibens mit Heroin anzusehen, hält nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Danach ist die Tätigkeit eines Kuriers, die sich in dem Transport des Rauschgifts erschöpft und ohne weiteren Einfluss auf die Abwicklung des eigentlichen Umsatzgeschäftes bleibt, als Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu werten (BGH NStZ 2007, 338 ; Winkler NStZ 2008, 444 f.). Der mit der eigenen Verfügungsgewalt des Angeklagten zugleich verwirklichte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge steht hierzu im Verhältnis der Tateinheit (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 116 ; Weber, BtMG 2. Aufl. § 29 Rdn. 408, 901 m. w. N.).

Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. Es ist auszuschließen, dass ein neuer Tatrichter Feststellungen treffen kann, welche die Annahme eines täterschaftlichen Handeltreibens tragen. § 265 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen; der Angeklagte hätte sich nicht anders als geschehen verteidigen können.

Die Einzelstrafen und der Gesamtstrafenausspruch können - auch unabhängig von der Änderung des Schuldspruchs - nicht bestehen bleiben. Die Strafkammer hat nicht erörtert, ob die Voraussetzungen des § 31 Nr. 1 BtMG vorliegen und deshalb die Strafrahmen zu mildern sind, obwohl die festgestellten Umstände des Falles dazu drängten. Der Angeklagte hat nach Erläuterung dieser Vorschrift die Betäubungsmittelgeschäfte nach Zeit, Menge und Preis eingeräumt und seine Lieferanten benannt. Deshalb liegt es nahe, dass er dazu beigetragen hat, die Taten über seinen Tatbeitrag hinaus aufzuklären, zumal es für die Annahme eines Aufklärungserfolges ausreichend ist, wenn eine sicherere Grundlage für den Nachweis von Betäubungsmitteltaten anderer Tatbeteiligter geschaffen und auf diese Weise die Möglichkeit der Strafverfolgung verbessert wird (vgl. BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 18, 19; Weber aaO § 31 Rdn. 82 f.). Der Anwendung des § 31 Nr. 1 BtMG steht auch nicht entgegen, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung die Taten bestritten und seine im Ermittlungsverfahren gemachten Angaben in Abrede gestellt hat. Entscheidend ist vielmehr, ob diese trotz des späteren Bestreitens tatsächlich zu einem Aufklärungserfolg geführt haben (vgl. BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 4, 11, 20).

Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Tatrichter bei einer rechtsfehlerfreien Prüfung § 31 Nr. 1 BtMG angewendet und mildere Strafen verhängt hätte. Die bisher zum Strafausspruch getroffenen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben. Es sind lediglich ergänzende Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 31 Nr. 1 BtMG geboten.

Vorinstanz: LG Hannover, vom 05.11.2008
Fundstellen
NStZ 2009, 394
StraFo 2009, 394