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BGH - Entscheidung vom 26.01.2009

II ZR 216/07

Normen:
GmbHG § 30
GmbHG § 31

BGH, Urteil vom 26.01.2009 - Aktenzeichen II ZR 216/07

DRsp Nr. 2009/5998

Anwendung der Kapitalerhaltungsregeln in der GmbH in Übergangsfällen

Das Eigenkapitalersatzrecht in Gestalt der sogenannten Rechtsprechungsregeln (§§ 30 , 31 GmbHG a.F. analog) findet Anwendung, wenn das Insolvenzverfahren vor dem 1. November 2008 eröffnet wurde beziehungsweise die Auszahlung im Sinne des § 30 Abs. 1 GmbHG a.F. vor diesem Zeitpunkt lag.

Tenor:

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 3. September 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung von mehr als 474,26 EUR nebst Zinsen verurteilt ist, sowie das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund vom 30. November 2006 unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des Beklagten abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 474,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. Januar 2003 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in den ersten beiden Rechtszügen tragen der Kläger 49/50 , der Beklagte 1/50. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger.

Von Rechts wegen

Normenkette:

GmbHG § 30 ; GmbHG § 31 ;

Tatbestand:

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der T. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin), der Beklagte war einer ihrer Gesellschafter. Am 5. Juni 2002 ließen die Gesellschafter der Schuldnerin die Erhöhung des Gesellschaftskapital mit Wirkung zum 1. Juni 2002 um 75.000,00 EUR auf 375.000,00 EUR notariell beurkunden. Von dem Erhöhungsbetrag sollte auf den Beklagten ein Anteil von 21.000,00 EUR entfallen. Wie zuvor vereinbart, wurde ein der Schuldnerin gewährtes Gesellschafterdarlehen in Höhe von 76.693,78 EUR anteilig an die Gesellschafter zurückgezahlt, der Beklagte erhielt am 18. Juni 2002 21.474,26 EUR. Am folgenden Tag zahlte er zur Erfüllung seiner Kapitaleinlageverpflichtung 21.000,00 EUR an die Gesellschaft. Auf den Antrag der Schuldnerin vom 30. Oktober 2002 wurde am 14. Februar 2003 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Der Kapitalerhöhungsbeschluss wurde nicht zur Eintragung im Handelsregister angemeldet und am 7. oder 8. März 2005 aufgehoben.

Mit der Klage verlangt der Insolvenzverwalter Rückzahlung der am 18. Juni 2002 als Darlehensrückzahlung ausgeschütteten 21.474,26 EUR, weil das zurückgezahlte Darlehen eigenkapitalersetzend gewesen sei. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Beklagten, mit der er die Abweisung der über 474,26 EUR hinausgehenden Klage begehrt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klageforderung sei entsprechend §§ 30 , 31 GmbHG begründet, weil es sich bei der Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens um die Zahlung auf ein eigenkapitalersetzendes Darlehen zum Zeitpunkt einer Unterbilanz der Schuldnerin gehandelt habe. Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass sofort wieder ein Betrag von 21.000,00 EUR an die Gesellschaft zurückgeflossen sei. Die Darlehensrückzahlung und die Zahlung auf die Kapitalerhöhung müssten getrennt beurteilt werden. Mit seinem Bereicherungsanspruch aus der gescheiterten Kapitalerhöhung könne der Beklagte gegen die Forderung auf sofortige Rückzahlung der verbotenen Auszahlung nicht aufrechnen.

II.

Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nur teilweise stand. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von mehr als 474,26 EUR entsprechend § 31 Abs. 1 GmbHG nach den Rechtsprechungsregeln bzw. nach den §§ 143 Abs. 1 Satz 1, 135 Nr. 2 InsO a.F.

1.

Auf den vorliegenden "Altfall" - ausgezahlt worden ist im Juni 2002, das Insolvenzverfahren wurde am 14. Februar 2003 eröffnet - sind die Rechtsprechungsregeln (§§ 30 , 31 GmbHG a.F. analog) anzuwenden. Wenn das Insolvenzverfahren vor dem 1. November 2008, dem Inkrafttreten der "Nichtanwendungsvorschrift" (§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG n.F.) im Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl I 2026), eröffnet wurde bzw. die Auszahlung im Sinn von § 30 Abs. 1 GmbHG a.F. vor diesem Zeitpunkt lag, sind weiter die bisherigen Vorschriften anzuwenden, darunter auch die Rechtsprechungsregeln (§§ 30 , 31 GmbHG a.F. analog), wie der Senat durch Urteil vom heutigen Tag entschieden hat (Sen. Urt. v. 26. Januar 2009 - II ZR 260/07 z.V.b.). Für die Vorschriften über die Anfechtung nach §§ 143 Abs. 1 Satz 1, 135 Nr. 2 InsO a.F. folgt dies unmittelbar aus Art. 103 d Satz 1 EGInsO .

2.

Der Beklagte hat mit der Einzahlung von 21.000,00 EUR am 19. Juni 2002 den Rückzahlungsanspruch in Höhe von 21.474,26 EUR bis auf 474,26 EUR erfüllt. Die Auszahlung von 21.474,26 EUR am 18. Juni 2002 führte zu einem Rückzahlungsanspruch entsprechend § 31 Abs. 1 GmbHG , weil das Gesellschafterdarlehen des Beklagten kapitalersetzend war. In der Zahlung von 21.000,00 EUR am 19. Juni 2002 zur Erfüllung der Kapitaleinlageverpflichtung liegt die Rückzahlung des ausgereichten Kapitals. Die Zahlung ist auf den Rückzahlungsanspruch nach § 31 Abs. 1 GmbHG zu verrechnen, weil die Tilgungsbestimmung unwirksam ist. An der Auffassung, die Bestimmung der Zahlung zur Tilgung der Einlageforderung stehe einer Umdeutung in eine Rückzahlung entgegen (BGHZ 146, 105 , 106) , hält der Senat nicht fest.

a)

Der angegebene Zahlungszweck konnte nicht erreicht werden. Die Erfüllung einer bei einer Kapitalerhöhung übernommenen Einlageschuld mit Beträgen, die unter Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften (§ 30 GmbHG a.F.) entnommenen worden sind, ist ausgeschlossen. Das Her- und Hinzahlen der Beträge verschleiert hier, dass der Gesellschaft kein Kapital zugeführt, vielmehr versucht wird, mit einem nicht durchsetzbaren Darlehensrückzahlungsanspruch unter Umgehung des Gebots realer Kapitalaufbringung aufzurechnen. Eine solche Aufrechungserklärung des Gesellschafters kann die Einlageschuld schon deswegen nicht zum Erlöschen bringen, weil der Gesellschafterforderung auf Darlehensrückzahlung aufgrund der Eigenkapitalersatzfunktion des Darlehens der Einwand aus § 30 Abs. 1 GmbHG a.F. entgegensteht (BGHZ 90, 370, 376) . Mit einer Aufrechnung oder Verrechnung durch den Gesellschafter würde außerdem gegen den das Kapitalaufbringungsrecht beherrschenden, in § 19 Abs. 5 GmbHG a.F. zum Ausdruck kommenden Grundsatz der realen Kapitalaufbringung verstoßen, wonach Einlageverpflichtungen unverkürzt und in der Form zu erfüllen sind, wie sie der Gesellschaft zugesagt und im Kapitalerhöhungsbeschluss verlautbart sind (Senat, BGHZ 113, 335 , 340 ; 125, 141, 143) . Auch eine Aufrechnung durch die Gesellschaft, die § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG grundsätzlich zulässt, ist ausgeschlossen, wenn die Darlehensrückzahlungsforderung des Inferenten eigenkapitalersetzend ist, weil diese Gesellschafterforderung nicht liquide, fällig und vollwertig ist (BGHZ 125, 141 , 143) .

b)

Mit der Zahlung an die Gesellschaft ist jedoch der Anspruch nach § 31 Abs. 1 GmbHG erfüllt worden. Die Tilgungsbestimmung, die Einlageschuld tilgen zu wollen, war - wie ausgeführt, weil auf Umgehung der Kapitalaufbringungsvorschriften angelegt - unwirksam. Da neben der Einlageschuld nur noch die Forderung nach § 31 Abs. 1 GmbHG bestand, war die Zahlung dieser Schuld zuzuordnen. Die Umdeutung der Tilgungsbestimmung einer Zahlung auf eine im Zusammenhang mit dem Her- und Hinzahlen oder dem Hin- und Herzahlen vermeintlich entstandene Schuld in eine Zahlung auf die Einlagepflicht hat der Senat bereits zugelassen (BGHZ 165, 113 , 118 ; 165, 352, 356 ; Sen. Urt. v. 12. Juni 2006 - II ZR 334/04, ZIP 2006, 1633 ) und dies ausdrücklich mit dem hier vorliegenden umgekehrten Fall verglichen, dass ein Gesellschafter das unzulässigerweise Entnommene wieder zurückgewährt und damit den Anspruch der Gesellschaft nach § 31 Abs. 1 GmbHG erfüllt hat (BGHZ 165, 113 , 118) .

Der Schutz der Gläubiger der Gesellschaft verlangt kein anderes Ergebnis. Der Beklagte hat der Schuldnerin zwar im wirtschaftlichen Ergebnis kein neues Kapital zugeführt, aber ihr und ihren Gläubigern auch kein Kapital entzogen, sobald er den verbotswidrig ausgezahlten Betrag - sei es auch als "Einlage" - zurückgewährt hat. Der Inferent bleibt, sofern der Kapitalerhöhungsbeschluss - anders als im vorliegenden Fall - eingetragen wird, zur Bareinzahlung verpflichtet und wird vor einer Verdoppelung seiner Zahlungspflichten bewahrt. Soweit die Verrechnung aufgrund der Eigenkapitalersatzfunktion nicht möglich ist, bleiben sowohl der Einlageanspruch als auch das Gesellschafterdarlehen erhalten.

Vorinstanz: OLG Hamm, vom 03.09.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 8 U 52/07
Vorinstanz: LG Dortmund, vom 30.11.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 16 O 1/06