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BGH - Entscheidung vom 13.01.2009

4 StR 301/08

Normen:
StPO § 261

BGH, Urteil vom 13.01.2009 - Aktenzeichen 4 StR 301/08

DRsp Nr. 2009/2905

Anfordungen an die Beweiswürdigung durch den Tatrichter; Vorliegen berechtigter Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen von persönlichkeitsgestörten Angeklagten; Freispruch aus tatsächlichen Gründen von den Vorwürfen des Mordes und des Kindesmissbrauchs mangels Beweisen

1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat es in der Regel hinzunehmen, wenn eine Verurteilung deshalb nicht erfolgt, weil das Tatgericht Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten nicht zu überwinden vermag. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Der revisionsrechtlichen Beurteilung unterliegt vielmehr nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. 2. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder der Tatrichter die gebotene Gesamtwürdigung unterlassen hat. Weiterhin muss die Beweiswürdigung erschöpfend sein: Der Tatrichter muss sich mit allen festgestellten Umständen auseinandersetzen, die den Angeklagten be- oder entlasten. Rechtlich zu beanstanden sind tatrichterliche Beweiserwägungen ferner dann, wenn sie erkennen lassen, dass das Gericht überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat. 3. Setzt sich das Tatgericht mit allen Umständen des Falles und auch mit den Angaben aller Angeklagten eingehend und widerspruchsfrei auseinander und lassen sich auch im Übrigen Rechtsfehler bei der Beweiswürdigung nicht erkennen, dann muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht geäußerten Zweifel hinnehmen. Das gilt auch, soweit belastende Angaben von Angeklagten für nicht glaubhaft angesehen werden, weil sie entweder festgestellte Persönlichkeitsstörungen aufweisen oder durch Vernehmungssituationen zu gleichlautenden Erklärungen gebracht worden sein können. 4. Lassen sich somit die in der Anklage beschriebenen Tathergänge nicht zweifelsfrei aufklären, ist ein Freispruch aus tatsächlichen Gründen nicht angreifbar, wenn zudem auch weitere Aufklärungsmöglichkeiten nicht bestehen.

Tenor:

1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 7. September 2007 werden verworfen.

2. Die Kosten der Rechtsmittel und die den Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

Von Rechts wegen

Normenkette:

StPO § 261 ;

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagte W. wegen unerlaubten Erwerbs und unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln in zwei Fällen unter Strafaussetzung zur Bewährung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Von den Vorwürfen des Mordes, der Vergewaltigung, des sexuellen Missbrauchs von Kindern und der Misshandlung von Schutzbefohlenen hat es sie und alle weiteren elf Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren Revisionen, die sie auf die Freisprüche der Angeklagten W. , M. und R. bezüglich des angeklagten Tatgeschehens vom 30. September 2001 in der "Tosa-Klause" zum Nachteil des Kindes Pascal (Anklage 23 Js 1649/01) und auf die Freisprüche der Angeklagten S. und M. hinsichtlich des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil des Kindes B. M. im Spätsommer oder Herbst des Jahres 1999 in der Wohnung des Angeklagten S. in F. (Ziffer 8 der Anklage 22 Js 1751/02) beschränkt hat. Die auf die Sachrüge gestützten Rechtsmittel, mit denen die Beschwerdeführerin die Beweiswürdigung des Landgerichts als rechtsfehlerhaft beanstandet, haben keinen Erfolg.

Den Angeklagten liegen - soweit noch Gegenstand des Revisionsverfahrens - folgende Anklagevorwürfe zur Last:

1. Anklage vom 16. Februar 2004 - 23 Js 1649/01:

Die Angeklagten sowie die weiteren früheren Mitangeklagten hätten sich am Nachmittag des 30. September 2001 in der "Tosa-Klause", einer von der Angeklagten W. gepachteten Gaststätte, getroffen. Die Angeklagte W. habe den früheren Mitangeklagten D. aufgefordert, den am 11. Dezember 1995 geborenen Pascal herbeizubringen, damit er durch einen Teil der Anwesenden sexuell missbraucht werden könne. Gegen 17.00 Uhr habe sich D. auf die Suche nach dem Jungen gemacht und kurze Zeit später mit diesem die "Tosa-Klause" betreten. Pascal habe zunächst Süßigkeiten erhalten. Danach habe die Angeklagte M. den sich heftig sträubenden Pascal in ein zu der "Tosa-Klause" gehörendes Kämmerchen geschleppt, um es Sch. , den Angeklagten S. und R. sowie weiteren Mitangeklagten, die dafür an die Angeklagte W. jeweils 20 DM hätten zahlen müssen, zu ermöglichen, das Kind sexuell zu missbrauchen. Danach hätten der Angeklagte S. , die früheren Mitangeklagten We. und Ca. sowie der Angeklagte R. nacheinander mit dem sich weiterhin heftig wehrenden und schreienden Pascal den Analverkehr ausgeübt. Die Angeklagte M. habe sie dabei unterstützt und e-benfalls sexuelle Handlungen an dem Kind vorgenommen. Während des gewaltsamen Missbrauchs durch den Angeklagten R. habe Pascal begonnen, noch lauter zu schreien. Die Angeklagte W. , die das Gesamtgeschehen foto- oder videografiert habe, und der Angeklagte R. hätten sodann die Angeklagte M. aufgefordert, das Kind ruhig zu stellen. M. habe daraufhin den Kopf von Pascal gewaltsam nach unten in ein Kissen gedrückt.

Es habe nicht geklärt werden können, ob Pascal nach dem Missbrauch durch R. bereits tot gewesen sei oder durch das Vorgehen der Angeklagten M. zu Tode gekommen sei.

Anschließend sei Pascal unter Beteiligung jedenfalls der Angeklagten M. und der früheren Mitangeklagten K. in einen blauen Müllsack verpackt worden. Danach hätten alle Angeklagten über einen möglichen Ablageort des Sackes diskutiert. Der Angeklagte S. habe daraufhin den Müllsack in den Laderaum des Kraftfahrzeugs der Angeklagten W. verbracht. W. habe sodann das Fahrzeug, in welchem auch M. und S. gesessen hätten, zu einer Kiesgrube in Scho. (Frankreich) gefahren. Dort habe S. das Kind verscharrt.

2. Ziffer 8 der Anklage vom 5. April 2004 - 22 Js 1751/02:

Die Angeklagte M. , deren am 8. Januar 1995 geborener Sohn B. M. , der Angeklagte S. und der gesondert Verfolgte Kr. seien im Spätsommer oder Herbst des Jahres 1999 in der Wohnung des Angeklagten S. zusammengekommen. Dort hätten M. , S. und Kr. den Entschluss gefasst, sowohl untereinander als auch an und vor dem Kind sexuelle Handlungen vorzunehmen. Kr. habe daraufhin zunächst in der Toilette und sodann im Wohnzimmer B. M. sexuell missbraucht, während gleichzeitig die Angeklagte M. den Angeklagten S. oral befriedigt habe.

Das Landgericht hat die Angeklagten von diesen Vorwürfen freigesprochen, da es eine sichere Überzeugung vom Hergang der Taten und einer etwaigen Täterschaft der Angeklagten nicht zu gewinnen vermochte.

1.

In den nahezu sechs Jahren seit dem Verschwinden von Pascal hätten sich keinerlei objektive Spuren gefunden, die geeignet gewesen seien, die Anklagevorwürfe bezüglich des Tatgeschehens vom 30. September 2001 in irgendeiner Weise zu untermauern.

Trotz intensivster Suche, unter anderem mit Hilfe eines Tornadojets mit Bodenradar und mittels eines mehrtägigen Einsatzes einer Polizeihundertschaft mit Leichenspürhunden, sei die Leiche Pascals im Bereich des von der Angeklagten M. genannten Ablageortes, einem Grubengelände in Scho. (Frankreich), nicht gefunden worden. Sie habe trotz öffentlicher Fahndung bis heute auch an anderer Stelle nicht aufgefunden werden können.

Auch das Kinderfahrrad Pascals, nach dem ebenfalls öffentlich gefahndet worden sei, sei nie mehr aufgetaucht. Insoweit sei bemerkenswert, dass keiner der so genannten geständigen Angeklagten (D. , K. , Ka. , G. und M. ) etwas von dem Fahrrad berichtet habe, obwohl Pascal zweifellos an dem Nachmittag des 30. September 2001 mit diesem unterwegs gewesen sei und seine Mutter, die Zeugin Z. , Pascals Fahrradhelm gegen 18.00 Uhr im Hof ihres Wohnanwesens gefunden habe. Hätten die Angeklagten M. , W. und S. das Fahrrad gemeinsam mit der Kinderleiche "entsorgt", so hätte die Angeklagte M. dies sicherlich bemerkt. Es sei kein Grund ersichtlich, warum sie dies dann nicht habe schildern sollen. Wäre Pascal hingegen ohne sein Fahrrad zur "Tosa-Klause" gegangen, wäre sein Fahrrad unabhängig und parallel zu seinem Verschwinden aus einem anderen Grunde spurlos abhanden gekommen, was zumindest einen bemerkenswerten Zufall darstellen würde.

Alle durch die belastenden Angaben der so genannten geständigen Angeklagten veranlassten Ermittlungen hätten nicht zum Auffinden objektiver Spuren, wie DNA-, Blut- oder Haarspuren, geführt, die als Bestätigung hätten gewertet werden können. So seien insbesondere der angebliche Tatort, das Kämmerchen in der "Tosa-Klause", darüber hinaus die Wohnungen der Angeklagten S. , W. und R. /G. sowie die Kraftfahrzeuge der Angeklagten W. und S. kriminaltechnisch intensivst auf Spuren untersucht worden, die auf eine etwaige Anwesenheit Pascals hätten schließen lassen können. Es seien indes keinerlei Blut-, DNA-, Sperma-, Haar- oder Faserspuren gefunden worden, die dem Kind oder der Tat hätten zugeordnet werden können.

Schließlich seien keine kinderpornografischen Fotos oder Videoaufnahmen gefunden worden, die im Zusammenhang mit dem Anklagevorwurf zum Tatgeschehen vom 30. September 2001 stehen könnten. Weder im Rahmen der durchgeführten Wohnungsdurchsuchungen noch in irgendeinem anderen Zusammenhang seien Computerdateien, Fotos oder Videos kinderpornografischen Inhalts sichergestellt worden.

2.

Zwar würden die Anklagevorwürfe in ihrem Kernbereich auf Angaben beruhen, welche die Angeklagte M. und die früheren Mitangeklagten D. , K. , Ka. und G. zu irgendeinem Zeitpunkt im Rahmen ihrer zahlreichen Vernehmungen getätigt hätten. Jedoch zwinge das Fehlen jeglicher objektiver Beweismittel zu einer besonders kritischen Betrachtung dieser Angaben. Einer solchen hielten sie im Ergebnis nicht stand.

Insoweit sei zunächst zu konstatieren, dass keiner der Angeklagten über ein Jahr lang nach dem Verschwinden von Pascal am 30. September 2001 in irgendeiner Weise auch nur eine Andeutung hinsichtlich seiner angeblichen Beobachtungen zum Tatgeschehen geäußert habe. Auch nachdem - ausgehend von der Verhaftung mehrerer der Angeklagten in dem Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs zum Nachteil des Kindes B. M. - seitens der Kriminalpolizei verstärkt in diese Richtung ermittelt worden sei, hätten zunächst auch die so genannten geständigen Angeklagten in diversen Vernehmungen eine Beteiligung am Verschwinden des Pascal in Abrede gestellt.

Als im weiteren die Angeklagten D. , K. , Ka. , G. und M. im Laufe der Zeit begonnen hätten, Angaben zum Verschwinden Pascals zu tätigen, hätten sie in einer Vielzahl von Vernehmungen eine Fülle von in hohem Maße widersprüchlicher Angaben zu einem Geschehen am 30. September 2001 in der "Tosa-Klause" gemacht. Die in Anzahl und Ausmaß kaum nachvollziehbaren Widersprüche hätten sich vom unmittelbaren Kerngeschehen, über das erweiterte Kerngeschehen bis hin zum Randgeschehen erstreckt.

Die Angaben der hinsichtlich ihrer Persönlichkeitsstruktur zumindest auffälligen Angeklagten seien zudem oftmals erst durch massive Vorhalte, Suggestionen und Beeinflussungen anderer Art zustande gekommen.

Schließlich hätten alle fünf Angeklagten ihre belastenden Angaben vollumfänglich widerrufen.

3.

Bezüglich des Vorfalls im Spätsommer oder Herbst 1999 zum Nachteil des Kindes B. M. habe die Angeklagte M. zwar diesen bei ihrer dritten verantwortlichen Vernehmung am 25. November 2002 so beschrieben, wie er dann in der Anklage seinen Niederschlag gefunden habe. Allerdings habe sie ihn in ihrer ersten verantwortlichen Vernehmung vom 19. November 2002 unmittelbar nach ihrer Festnahme noch anders und überdies erst nach entsprechenden Vorhalten geschildert. In Anbetracht der Entstehung der Angaben, des späteren Widerrufs und insbesondere vor dem Hintergrund der Gesamtheit der Aussagen der Angeklagten M. sei es nicht möglich, zweifelsfrei von irgendwelchen ihrer Bekundungen überzeugt zu sein.

1.

Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat es in der Regel hinzunehmen, wenn eine Verurteilung deshalb nicht erfolgt, weil das Tatgericht Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten nicht zu überwinden vermag. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Der revisionsrechtlichen Beurteilung unterliegt vielmehr nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind.

Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder der Tatrichter die gebotene Gesamtwürdigung unterlassen hat (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16; BGH NJW 2007, 92 , 94 jeweils m.w.N.). Weiterhin muss die Beweiswürdigung erschöpfend sein: Der Tatrichter muss sich mit allen festgestellten Umständen auseinandersetzen, die den Angeklagten be- oder entlasten (BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2). Rechtlich zu beanstanden sind tatrichterliche Beweiserwägungen ferner dann, wenn sie erkennen lassen, dass das Gericht überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat (vgl. nur BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 22).

2.

An diesen Grundsätzen gemessen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden.

a)

Insbesondere hat das Landgericht entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht in Anbetracht der belastenden Angaben der fünf "geständigen" Angeklagten die Anforderungen an die Beweisführung überspannt.

aa)

Das Landgericht hat bei seiner Überzeugungsbildung erkennbar stets im Blick gehabt, dass die Angeklagte M. sowie die früheren Angeklagten D. , K. , Ka. und G. zeitweise bei Vernehmungen im Ermittlungsverfahren, Explorationen durch Sachverständige und teilweise auch noch im Rahmen ihrer Einlassungen in der Hauptverhandlung zum Kernbereich des angeklagten Tatgeschehens vom 30. September 2001 - jedenfalls zum Teil - übereinstimmende Angaben gemacht haben. Es ist daher zunächst auch nach einem Abgleich dieser Angaben, insbesondere auf Grund der Übereinstimmungen in den Bekundungen der Angeklagten M. , G. und Ka. , zu dem vorläufigen Zwischenergebnis gelangt, gewichtige Gründe sprächen dafür, dass sich zumindest die Angeklagten R. , M. und W. im Sinne der zugelassenen Anklage strafbar gemacht haben könnten. Hierbei hat das Landgericht ausdrücklich in seine Überlegungen eingestellt, dass die festgestellten Übereinstimmungen in den Aussagen namentlich der Angeklagten M. , G. und Ka. im Rahmen von insgesamt 13 voneinander unabhängigen Vernehmungen bzw. sonstigen Anhörungen hinsichtlich eines "mehraktigen und einzigartigen Geschehens" ein für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit "normalerweise schwer zu entkräftendes Kriterium" darstellt.

bb)

Dass sich das Landgericht gleichwohl nach einer sorgfältigen und eingehenden Analyse der zum Teil auf Film- und Tonträger aufgenommenen einzelnen Aussagen, vielfach unter wortgetreuer Wiedergabe ihrer Inhalte, nicht von deren Glaubhaftigkeit zu überzeugen vermocht hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

(1)

Denn es hat zum Einen anhand der Entstehung und Entwicklung der belastenden Angaben im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt, dass die wesentlichen Übereinstimmungen in den "geständigen" Aussagen nahe liegend darauf zurückgeführt werden können, dass den vernommenen Angeklagten jeweils die Angaben der anderen - zeitnah vernommenen - Angeklagten vorgehalten worden sind und die zu Vernehmenden daraufhin - auf Grund der Ausübung eines gewissen Vernehmungsdrucks und/oder infolge einer persönlichkeitsbegründeten erhöhten Suggestibilität - das Vorgehaltene im Widerspruch zu dem Inhalt früherer Aussagen sodann jeweils als zutreffend bestätigt haben.

So hat das Landgericht mittels einer detaillierten Wiedergabe des Inhalts und des chronologischen Ablaufs der Vernehmungen der nach der Einschätzung des angehörten psychiatrischen Sachverständigen erhöht suggestiblen Angeklagten M. aufgezeigt, dass ihre Angaben zum Kerngeschehen, etwa zu den in der "Tosa-Klause" anwesenden Personen, zu ihrer eigenen Tatbeteiligung, zum Einsatz einer blauen Mülltüte für den Abtransport der Kinderleiche oder zu dem Filmen oder Fotografieren des Tatgeschehens durch die Angeklagte W. , jeweils erst nach entsprechenden Vorhalten der Verhörspersonen erfolgt sind, und zwar vielfach, nachdem die Angeklagte kurze Zeit zuvor noch einen ganz anderen Geschehensablauf geschildert hatte.

Nichts anderes ergeben die Urteilsausführungen in Bezug auf die "geständigen" Angaben des Angeklagten Ka. , die ihrerseits weitgehend wiederum auf dem Vorhalt der Aussagen der Angeklagten M. und G. beruhen. Auf diese Vorhalte hin hat der Angeklagte jeweils eher einsilbig und regelmäßig erst auf mehrfache Aufforderung und Nachfrage seitens der Vernehmungsbeamten, die eingeräumt haben, durchaus mit "konfrontativen" Vernehmungsmethoden gearbeitet zu haben, seine angeblichen Beobachtungen mitgeteilt. Insoweit hat das Landgericht insbesondere hervorgehoben, dass der Angeklagte Ka. bei seiner Zeugenvernehmung vom 22. Februar 2003, bei der er erstmals Angaben zu seinen angeblichen Beobachtungen am 30. September 2001 gemacht hat, auch nach mehrstündiger Vernehmungsdauer zu keinem Zeitpunkt den Angeklagten R. - nach dem Anklagevorwurf immerhin der Haupttäter - erwähnt hatte. Vielmehr gab er erst auf Vorhalt und nach mehrmaliger Nachfrage an, dass auch der Freund der G. , also R. , in das Kämmerchen gegangen sei. Seine Aussage, dass der Junge (gemeint ist: Pascal) während des Aufenthalts R. s in dem Kämmerchen geschrieen habe, erfolgte zudem erst nach einer Unterbrechung der Vernehmung, in der seitens der Verhörspersonen "ein Gespräch mit Herrn Ka. über die Wahrhaftigkeit seiner Aussage" geführt worden war.

Zu dem Aussageverhalten der Angeklagten K. hat das Landgericht exemplarisch zahlreiche Einzelheiten aus dem Ablauf und der Gestaltung der Vernehmungen dargestellt, die es jedenfalls als plausibel erscheinen lassen, dass diese Angeklagte jeweils "das ihr zumindest subtil Vorgegebene 'willfährig nachplappert'". Zudem belegen die hierzu getroffenen Feststellungen, dass auf die Angeklagte teilweise ein nicht unerheblicher Vernehmungsdruck ausgeübt worden ist. So ist bei ihrer Zeugenvernehmung vom 22. Februar 2003 gegen 20.00 Uhr von den Vernehmungsbeamten eine Pause mit dem Bemerken eingelegt worden, man habe den Eindruck, dass sie - die Angeklagte - noch nicht alles gesagt habe und sie "jetzt hier die Chance habe, im Zeugenstatus zu verbleiben, wenn sie die Wahrheit sage". Sodann wurde ihr vorgehalten, dass Aussagen vorliegen würden, nach denen die Angeklagten G. und M. bei der Tötung von Pascal im Kämmerchen gewesen seien. Daraufhin bestätigte sie, dass - entgegen ihren bisherigen Angaben - auch die Angeklagte M. "drin" war. Bezüglich der Angeklagten G. konnte sie sich auch auf Nachfrage hin zunächst nicht erinnern. Zwei Antworten später bekundete sie, sie wisse es "nicht [zu]100%", um dann kurze Zeit darauf schließlich auf die Frage, ob Frau G. "bei der Tötung dabei" gewesen sei, mit einem schlichten "Ja" zu antworten.

Bezüglich des Angeklagten D. , der auf Vorhalt einer "Arbeitshypothese" ("Versuchsballon") eines Vernehmungsbeamten erstmals einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden Pascals, der "Tosa-Klause" und einem sexuellen Missbrauch hergestellt hat, ist das Landgericht mit nachvollziehbaren Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, dass dessen Bekundungen weitestgehend nicht der Wahrheit entsprechen und daher für eine Überführung der Angeklagten insgesamt nicht geeignet sind. Auch insoweit hat es im Einzelnen aufgezeigt, dass D. s - häufig wechselnde und sich widersprechende - Angaben teilweise erst "nach bemerkenswerten Vorhalten der vernehmenden Polizeibeamten" zustande gekommen sind.

(2)

Darüber hinaus hat das Landgericht - im Anschluss an die hierzu angehörten psychiatrischen Sachverständigen - auch in der Persönlichkeitsstruktur der "geständigen" Angeklagten rechtsfehlerfrei Besonderheiten aufgezeigt, die geeignet sind, berechtigte Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben zu begründen.

Danach besteht bei der Angeklagten M. eine kombinierte Persönlichkeitsstörung. Neben einer emotionalen Instabilität und moralischen Verwahrlosung liegt bei ihr eine erhöhte Suggestibilität vor. Sie ist intellektuell minderbegabt und zeigt sich generell als desorganisiert, ungesteuert und empfänglich gegenüber situativen Einflüssen. Die intellektuelle Befähigung der Angeklagten K. ist ebenfalls bei einem IQ von nur etwa 50 deutlich unterdurchschnittlich. Sie ist grundsätzlich nur eingeschränkt aussagetüchtig, da sie auf Grund ihrer Debilität nur beschränkt Geschehnisse wahrnehmen, sich diese merken und dann wiedergeben kann. Zu dem Angeklagten D. hat das Landgericht dem psychiatrischen Sachverständigen folgend ausgeführt, dass sich seine Wahrheitsliebe nur knapp unterhalb einer "Mythomania Pseudologica", d.h. eines krankhaften Zwangs zur lügenhaften Übertreibung, bewegt. Die Angeklagte G. schließlich ist von ihrer Persönlichkeit her darauf bedacht zu gefallen, sie verliert schnell die Distanz. Gegenüber Suggestiveinflüssen zeigt sie sich als empfänglich.

(3)

Angesichts dieser Umstände, der zahlreichen vom Landgericht im Einzelnen aufgezeigten Widersprüche in den Angaben der "geständigen" Angeklagten sowohl zum Kern- als auch zum Randgeschehen sowie des Fehlens objektiver, die Aussagen stützender Beweismittel ist es daher von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass die StrafKa. verbleibende Zweifel an der Wahrhaftigkeit der die Angeklagten belastenden Bekundungen nicht hat überwinden können.

b)

Das Landgericht hat auch die erforderliche Gesamtwürdigung der für und gegen eine Täterschaft der Angeklagten sprechenden Umstände vorgenommen. Es hat hierbei insbesondere den Zusammenhang zwischen dem angeklagten Tatgeschehen zum Nachteil des Kindes Pascal und den Vorwürfen des - zeitlich vorausgehenden - sexuellen Missbrauchs des Kindes B. M. gesehen. Hierzu hat es ausdrücklich klar gestellt, dass es die Zweifel an den Angaben der "geständigen" Angeklagten gegebenenfalls hätte überwinden können, wenn die Hauptverhandlung ergeben hätte, dass zunächst das Kind B. M. und später auch Pascal bereits vor dem 30. September 2001 Opfer eines systematischen sexuellen Missbrauchs gewesen wären. Dies hat es jedoch ebenfalls rechtsfehlerfrei verneint und sich hierbei insbesondere auf die Angabe der kinderpsychiatrischen Sachverständigen Dr. Schw. gestützt, die nach einer eingehenden Überprüfung des Inhalts und insbesondere der Entstehung der zahlreichen Angaben des Kindes B. M. über einen sexuellen Missbrauch durch die Angeklagten und andere Personen zu dem Ergebnis gekommen ist, dass diese nicht mit der erforderlichen Sicherheit auf einen Erfahrungshintergrund schließen lassen. Zwar ist die Sachverständige davon ausgegangen, dass B. M. s Aussagen "wahrscheinlich" ein erlebnisfundierter Kern zugrunde liege. Dieser ließe sich aber aufgrund von Mehrfachbefragungen und Aussageerweiterungen mit zum Teil phantastischen Inhalten nicht mehr eingrenzen. Sie teile zwar nicht ganz die Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. St. in dessen Gutachten vom 9. Januar 2004, der die Aussagesituation, in der B. M. seine initialen Schilderungen über Missbraucherfahrungen getätigt hat, als "geradezu lehrbuchmäßig für die Konfiguration von Wirkungsmechanismen für die Entstehung von suggestionsbedingten Falschaussagen von Kindern" beschrieben habe. Jedoch könne auch sie weder die "Suggestivhypothese" noch die "Verschmelzungshypothese" zurückweisen. Dem hat sich das Landgericht nach der gebotenen Überprüfung angeschlossen.

c)

Soweit schließlich die Revision in weiteren Einzelbeanstandungen in der Beweiswürdigung des Landgerichts Lücken, Widersprüche sowie Verstöße gegen Denkgesetze und Fehler bei der Anwendung des Zweifelssatzes zu sehen glaubt, vermag der Senat solche nicht zu erkennen. Die diesbezüglichen Ausführungen stellen vielmehr weitgehend den im Revisionsverfahren untauglichen Versuch dar, die eigene Beweiswürdigung an die Stelle der des Tatrichters zu setzen.

Vorinstanz: LG Saarbrücken, vom 07.09.2007