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BGH - Entscheidung vom 22.10.2009

V ZR 21/09

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
ZPO § 531 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 22.10.2009 - Aktenzeichen V ZR 21/09

DRsp Nr. 2010/4376

Ablehnung eines angebotenen Sachverständigenbeweises als ungeeignetes Beweismittel als Verletzung eines Anspruchs auf rechtliches Gehör

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 15. Dezember 2008 aufgehoben.

Der Rechtstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 114.103,20 €.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ; ZPO § 531 Abs. 2 ;

Gründe

I.

Mit notariellem Vertrag vom 27. Dezember 2006 kauften die Kläger von der Beklagten eine Doppelhaushälfte unter Ausschluss der Haftung des Verkäufers wegen Sachmängeln. Vor Vertragsschluss war das Objekt auf Veranlassung der Beklagten von einer Maklerin (Streithelferin der Kläger) beworben worden. In einer im Internet veröffentlichten Anzeige wurde als Baujahr 1956 angegeben; tatsächlich war das Haus bereits im Jahr 1913 errichtet worden. Gestützt auf die Behauptung, die Beklagte habe arglistig getäuscht, auch hätten sich mittlerweile Schimmelschäden im Keller gezeigt, verlangen die Kläger Zahlung von 114.103,20 EUR Zug um Zug gegen Rückübereignung des Objekts. Das Landgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, es liege eine arglistige Täuschung über das Baujahr vor.

Im Berufungsrechtszug haben die Kläger u.a. vorgetragen:

"Allein die mangelnde Feuchtigkeitsisolierung hinsichtlich des Kellers führte dazu, dass der Keller bis zu einem halben Meter an den Wänden feucht ist. Im Übrigen hatten die Berufungskläger auch hinsichtlich dieser Feuchtigkeitsschäden Kenntnis.

Beweis:  1. Eidliche Parteivernehmung der Berufungsbeklagten 
2. Sachverständigengutachten." 

Das Oberlandesgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, Arglist hinsichtlich des Baujahrs sei nicht bewiesen. Soweit die Kläger erstmals im Berufungsrechtszug ergänzend arglistig verschwiegene Feuchtigkeit im Keller geltend machten, scheitere die Klage an § 531 Abs. 2 ZPO . Die Kläger könnten nicht mit Erfolg geltend machen, sie hätten insoweit zuvor noch keine Anhaltspunkte für ein arglistiges Verhalten gehabt. Sie hätten nämlich die Arglist "auch jetzt nicht" in zulässiger Weise unter Beweis gestellt. Die Revision hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger.

II.

1.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht, weil dieses im Zusammenhang mit der geltend gemachten arglistigen Täuschung über Feuchtigkeitsschäden den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 544 Abs. 7 ZPO ).

a)

Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang die Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. § 531 Abs. 2 ZPO rügt, kommt es auf diesen Gesichtspunkt allerdings nicht an. Denn das Berufungsgericht hat die für eine Zurückweisung nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO erforderliche Nachlässigkeit - entgegen dem Zungenschlag auf Seite 8 des Berufungsurteils - letztlich doch nicht bejaht, wenn es im Anschluss ausführt, die Kläger hätten die subjektive Seite der Arglist nicht in zulässiger Weise unter Beweis gestellt. Für den Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde kommt es daher allein darauf an, ob hinsichtlich der Verneinung geeigneter Beweismittel ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vorliegt. Diese Frage ist schon deshalb zu bejahen, weil die Bewertung des angebotenen Sachverständigenbeweises als ungeeignetes Beweismittel im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. etwa BVerfG NJW 2003, 125 , 127; Senatsbeschl. v. 25. Juli 2002, V ZR 118/02, NJW 2002, 3180 , 3181).

Das Beweisangebot der Kläger zielt ersichtlich auf die Klärung der Frage ab, ob die behaupteten Feuchtigkeitserscheinungen in einer Weise erkennbar waren, dass sich der Schluss darauf aufdrängt, die Beklagte habe das Vorliegen eines aufklärungspflichtigen Mangels zumindest billigend in Kauf genommen. Die Erkennbarkeit eines Mangels und dessen Aussagekraft stellen aber Fragen dar, die ein Sachverständiger mit den ihm typischerweise zu Gebote stehenden Erkenntnismöglichkeiten beantworten kann. Denn es geht darum, ob sich bestimmte Mängel dem Verkäufer eines Hauses von selbst erschließen oder ob es dazu besonderer Fähigkeiten oder Anstrengungen bedarf (Senat, Beschl. v. 8. Oktober 2009, V ZB 84/09, zur Veröffentlichung vorgesehen). Vor diesem Hintergrund durfte das Beweisangebot nicht als ungeeignet zurückgewiesen werden.

b)

Unterliegt das Berufungsurteil schon deshalb der Aufhebung, kommt es nicht mehr darauf an, ob in der unterlassenen Parteivernehmung ein weiterer Verstoß gegen Art. 103 GG deshalb zu erblicken ist, weil aus dem Sinnzusammenhang ohne weiteres ersichtlich ist, dass der Antrag auf eidliche Parteivernehmung ("im Umfang der behaupteten Arglist") nur auf die Beklagte gemünzt sein konnte, und ob für das Berufungsgericht zumindest Veranlassung zu einer Nachfrage nach § 139 ZPO bestanden hätte. Da die Nichtzulassungsbeschwerde jedenfalls nunmehr klargestellt hat, wie das Beweisangebot zu verstehen ist, liegt auch insoweit ein geeigneter Beweisantritt vor, dem das Berufungsgericht nach § 445 ZPO nachzugehen haben wird.

2.

Dagegen greifen die im Übrigen geltend gemachten Zulassungsgründe nicht durch. Von einer näheren Begründung wird nach § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen.

Vorinstanz: OLG Hamm, vom 15.12.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 22 U 90/08
Vorinstanz: LG Dortmund, vom 11.03.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 3 O 452/07