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BGH - Entscheidung vom 03.12.2007

5 StR 504/07

Normen:
StGB § 266a

Fundstellen:
NStZ 2009, 27

BGH, Beschluß vom 03.12.2007 - Aktenzeichen 5 StR 504/07

DRsp Nr. 2007/23585

Zulässigkeit von Schätzungen bei fehlenden Aufzeichnungen

1. Zwar sind grundsätzlich bei der Feststellung der monatlichen Beiträge für jeden Fälligkeitszeitpunkt gesondert die genaue Anzahl der Arbeitnehmer, ihre Beschäftigungszeiten und Löhne sowie die Höhe des Beitragssatzes der örtlich zuständigen Sozialversicherungsträger festzustellen, weil sich die Höhe der geschuldeten Beiträge auf der Grundlage des Arbeitsentgelts nach den Beitragssätzen der jeweiligen Krankenkasse bestimmt. 2. Der Tatrichter ist jedoch mangels entsprechender Aufzeichnungen des Angeklagten berechtigt, auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisse die Höhe der Löhne zu schätzen und daraus die Höhe der jeweils vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge zu berechnen.

Normenkette:

StGB § 266a ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zwölf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit 13 tateinheitlichen Fällen der Urkundenfälschung, und wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 37 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine auf die Verurteilung wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt und den Gesamtstrafausspruch beschränkte Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat lediglich zum Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe Erfolg.

1. Soweit sich die Revision gegen den Schuldspruch wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB ) wendet, ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO . Zwar sind grundsätzlich bei der Feststellung der monatlichen Beiträge für jeden Fälligkeitszeitpunkt gesondert die genaue Anzahl der Arbeitnehmer, ihre Beschäftigungszeiten und Löhne sowie die Höhe des Beitragssatzes der örtlich zuständigen Sozialversicherungsträger festzustellen (vgl. BGHR StGB § 266a Sozialabgaben 4 und 5; BGH wistra 2006, 425 , 426; 17, 18; NJW 2002, 2480 , 2483; jeweils m.w.N.), weil sich die Höhe der geschuldeten Beiträge auf der Grundlage des Arbeitsentgelts nach den Beitragssätzen der jeweiligen Krankenkasse bestimmt. Das Landgericht war jedoch mangels entsprechender Aufzeichnungen des Angeklagten berechtigt, auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisse die Höhe der Löhne zu schätzen und daraus die Höhe der jeweils vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge zu berechnen (vgl. BGHSt 38, 186 , 193; BGHR StGB § 266a Sozialabgaben 5; BGH wistra 2007, 220 ).

2. Keinen Bestand hat dagegen der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.

Treffen wie hier Einzelfreiheitsstrafen und Einzelgeldstrafen zusammen, so ist in der Regel eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden (BGH NStZ-RR 2002, 264 m.w.N.). Dem Tatrichter ist jedoch gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB ein Ermessen dahingehend eingeräumt, dass er aus den Einzelfreiheitsstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe und daneben aus den Einzelgeldstrafen eine gesonderte Gesamtgeldstrafe bilden kann. Dieses Ermessen hat er nach Strafzumessungsgesichtspunkten auszuüben. Die Urteilsgründe lassen indes nicht erkennen, ob sich die Strafkammer des ihr eingeräumten Ermessens bewusst gewesen ist. Allerdings bedarf es einer ausdrücklichen Darlegung, dass sich der Tatrichter der Möglichkeit der Ermessensausübung gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB bewusst war, nur dann, wenn die Anwendung dieser Ausnahmevorschrift nahe liegt (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 53 Rdn. 6 m.w.N.). Dies ist bei Serienstraftaten (vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 1996 - 5 StR 93/96) und bei anderen im Wesentlichen gleich gelagerten Taten (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 264 ) regelmäßig nicht der Fall (vgl. BGHR StGB § 53 Abs. 2 Nichteinbeziehung 3). Etwas anderes gilt dann, wenn sich aufgrund besonderer Umstände des Falles eine einheitliche Gesamtfreiheitsstrafe als das schwerere Übel erweist, weil erkennbar erst die Einbeziehung der Geldstrafen zur Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe führte, deren Höhe keine Strafaussetzung mehr zuließ (vgl. BGHR StGB § 53 Abs. 2 Einbeziehung, nachteilige 6; BGH NStZ-RR 2002, 264 ; jeweils m.w.N.). So verhält es sich hier. Lediglich für zwölf der 49 Taten hat das Landgericht Einzelfreiheitsstrafen verhängt. Nur in zwei Fällen, darunter die Einsatzstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe, hat das Landgericht Freiheitsstrafen von mehr als vier Monaten festgesetzt. Vor diesem Hintergrund liegt es angesichts der gegen den nicht vorbestraften und geständigen Angeklagten verhängten, zwei Jahre Freiheitsstrafe nur geringfügig übersteigenden Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten auf der Hand, dass erst die Einbeziehung der Geldstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe geführt hat, deren Höhe keine Strafaussetzung mehr zuließ. Bei dieser Sachlage wäre die durch § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB gegebene Möglichkeit, auf eine Gesamtgeldstrafe gesondert zu erkennen, ausdrücklich zu erörtern gewesen.

Widersprüchlich ist zudem im Hinblick auf die geringe Höhe der festgesetzten Einzelstrafen der von der Strafkammer im Rahmen der Zumessung der Gesamtstrafe herangezogene Gesichtspunkt der "Schwere der Taten". Zwar liegt in Fällen sachlich und zeitlich ineinander verschränkter Vermögensdelikte, von denen die gewichtigeren die Verhängung von sechs Monaten Freiheitsstrafe und mehr gebieten, in den Einzelfällen mit geringeren Schäden die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen nach § 47 StGB nahe (vgl. BGHR StGB § 53 Abs. 2 Nichteinbeziehung 3). Hiervon hat die Strafkammer aber weitgehend abgesehen. Im Übrigen kann der Senat die Plausibilität der Verhängung kurzzeitiger Freiheitsstrafen in Einzelfällen mit höheren Schäden gerade noch dem Urteilszusammenhang entnehmen.

Die Feststellungen bleiben aufrechterhalten, weil lediglich Wertungsfehler vorliegen. Ergänzende Feststellungen, die den getroffenen nicht widersprechen, sind zulässig.

Vorinstanz: LG Nürnberg-Fürth, vom 16.07.2007
Fundstellen
NStZ 2009, 27