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BGH - Entscheidung vom 02.07.2007

AnwZ (B) 66/06

Normen:
BRAO § 7 Nr. 5

BGH, Beschluß vom 02.07.2007 - Aktenzeichen AnwZ (B) 66/06

DRsp Nr. 2007/14622

Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Unwürdigkeit

Ein Bewerber, der sich als früherer Rechtsanwalt einer Untreue zu Lasten seiner Mandanten schuldig gemacht hat, ist in der Regel als unwürdig anzusehen, den Anwaltsberuf auszuüben. Die Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft kommt erst nach einer längeren Zeit der Bewährung in Betracht. Hiervon kann nicht ausgegangen werden, wenn seit der Verurteilung wegen Untreue erst einige Jahre vergangen sind und der Rechtsanwalt zwischenzeitlich mehrfach wegen anderer Delikte strafrechtlich verurteilt worden ist.

Normenkette:

BRAO § 7 Nr. 5 ;

Gründe:

I. Der Antragsteller war von 1981 bis 1998 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen, zuletzt als Rechtsanwalt bei dem Oberlandesgericht R.. Mit Verfügung vom 6. November 1998 widerrief der Präsident des Oberlandesgerichts R. die lokale Zulassung des Antragstellers sowie dessen Zulassung zur Rechtanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO , nachdem der Antragsteller auf die Rechte aus seiner Zulassung verzichtet hatte. Dieser Widerruf ist seit dem 9. November 1998 bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 24. August 2005 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft. Mit Bescheid vom 8. Dezember 2005 hat die Antragsgegnerin dem Zulassungsantrag unter Berufung auf § 7 Nr. 5 BRAO nicht entsprochen. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

II. Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 , Abs. 4 BRAO ), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Zu Recht hat die Antragsgegnerin angenommen, dass dem Antragsteller die erneute Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 7 Nr. 5 BRAO noch zu versagen ist. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

1. Nach § 7 Nr. 5 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn der Bewerber sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das ihn unwürdig erscheinen lässt, den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben. Der Bewerber erscheint dann unwürdig, wenn er ein Verhalten gezeigt hat, das ihn bei Abwägung dieses Verhaltens und aller erheblichen Umstände - wie Zeitablauf und zwischenzeitlicher Führung - nach seiner Gesamtpersönlichkeit für den Anwaltsberuf nicht tragbar erscheinen lässt; dabei sind das berechtigte Interesse des Bewerbers nach beruflicher und sozialer Eingliederung und das durch das Berufsrecht geschützte Interesse der Öffentlichkeit, insbesondere der Rechtsuchenden, an der Integrität des Anwaltsstandes einzelfallbezogen gegeneinander abzuwägen (st.Rspr.; Senatsbeschluss vom 10. Juli 2000 - AnwZ(B) 40/99, BRAK-Mitt. 2000, 306 unter II 1; Senatsbeschluss vom 12. April 1999 - AnwZ(B) 67/98, NJW-RR 1999, 1219 unter II 1; Senatsbeschluss vom 4. April 2005 - AnwZ(B) 21/04, juris, unter II 1 b; Feuerich/Weyland, BRAO , 6. Aufl., § 7 Rdnr. 36 m.w.Nachw.).

Maßgebend für diese Beurteilung und die dabei erforderliche Prognose, ob der Bewerber im Falle seiner Zulassung eine Gefährdung für wichtige Belange der Rechtspflege darstellen würde, ist der Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung (st.Rspr.; Senatsbeschluss vom 10. Juli 2000, aaO.; Senatsbeschluss vom 12. April 1999, aaO.; Feuerich/Weyland, aaO., Rdnr. 37). Denn auch ein schwerwiegendes berufsunwürdiges Verhalten kann nach einer mehr oder minder langen Zeit durch Wohlverhalten oder andere Umstände soviel an Bedeutung verlieren, dass es die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht mehr hindern kann (Senatsbeschluss vom 12. April 1999, aaO.). Die Frage, wie viele Jahre zwischen einem die Unwürdigkeit begründenden Verhalten und dem Zeitpunkt liegen müssen, in dem eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft möglich ist, lässt sich nicht durch eine schematische Festlegung auf bestimmte Fristen beantworten, sondern verlangt eine einzelfallbezogene Gewichtung aller für und gegen den Bewerber sprechenden Umstände (Senatsbeschluss vom 12. April 1999, aaO.).

2. Die Antragsgegnerin und der Anwaltsgerichtshof sind von diesen Grundsätzen ausgegangen und haben sie zutreffend angewandt. Der Versagungsgrund des § 7 Nr. 5 BRAO steht der Wiederzulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft noch entgegen. Die strafrechtlichen Verurteilungen des Antragstellers und sein Verhalten im Zusammenhang mit dem Zulassungsantrag rechtfertigen zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht die Prognose, dass der Antragsteller - als wieder zugelassener Rechtsanwalt - keine Gefahr für wichtige Belange der Rechtspflege mehr darstellen würde und er deshalb als Rechtsanwalt wieder tragbar ist.

a) Der Antragsteller ist strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:

- Verurteilung des Amtsgerichts R. vom 11. Juli 2000 wegen fahrlässiger Körperverletzung (Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu jeweils 25 DM; Tatzeit: 30. April 1999).

- Verurteilung des Amtsgerichts R. vom 23. Januar 2002 wegen Untreue in zwei Fällen, davon im zweiten Fall tateinheitlich mit Gebührenüberhebung (Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu jeweils 15,34 EUR; Tatzeit nach dem 9. März 1998)

- Verurteilung des Amtsgerichts B. vom 4. September 2002 wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs und unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr (Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu jeweils 30 EUR; Tatzeit: 8. Juni 2002)

- Verurteilung des Amtsgerichts O. vom 1. Oktober 2003 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort (Geldstrafe von 85 Tagessätzen zu jeweils 20 EUR; Tatzeit: 13. September 2002).

b) Ein Bewerber, der sich - wie der Antragsteller in dem der Verurteilung des Amtsgerichts R. vom 23. Januar 2002 zugrunde liegenden Sachverhalt - als früherer Rechtsanwalt einer Untreue zu Lasten seiner Mandanten schuldig gemacht hat, ist in der Regel als unwürdig anzusehen, den Anwaltsberuf auszuüben (Senatsbeschluss vom 21. Juni 1999 - AnwZ(B) 79/98, NJW 1999, 3048 , unter II 2 m.w.Nachw.). Zwar können auch solche schwerwiegenden Verstöße durch späteres langjähriges Wohlverhalten und andere Umstände an Bedeutung verlieren. Es bedarf aber regelmäßig eines längeren Zeitraums, um zuverlässig beurteilen zu können, ob dem Antragsteller die Aufgabe eines unabhängigen Beraters und Vertreters der Rechtsuchenden (§ 3 BRAO ) wieder anvertraut werden kann (Senatsbeschluss aaO.). Für die Beurteilung, ob der Zeitpunkt für eine Wiederzulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft gekommen ist, kommt neben dem Zeitablauf besondere Bedeutung der Frage zu, wie der Bewerber in der Zwischenzeit mit seinem Fehlverhalten umgegangen ist und ob er sich auch ansonsten tadellos geführt hat (Senatsbeschluss vom 4. April 2005, aaO., unter II 1 b).

c) Die Antragsgegnerin und der Anwaltsgerichtshof haben mit Recht angenommen, dass seit der im Jahr 2002 erfolgten Verurteilung wegen Untreue unter Berücksichtigung des zwischenzeitlichen weiteren Fehlverhaltens des Antragstellers noch nicht ausreichend Zeit vergangen ist, um die Prognose zu rechtfertigen, dass sich der Antragsteller als wieder zugelassener Rechtsanwalt so verhalten wird, wie es von einem Rechtsanwalt im Interesse der Rechtsuchenden und einer funktionsfähigen Rechtspflege zu erwarten ist. Das Verhalten des Antragstellers nach der am 23. Januar 2002 erfolgten Verurteilung wegen Untreue steht seiner Wiederzulassung bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt entgegen.

Der Antragsteller hat nach dieser Verurteilung im Jahr 2002 die oben aufgeführten weiteren - wenn auch nicht berufsbezogenen - Straftaten begangen. Dass sich der Antragsteller von den erfolgten Verurteilungen nur wenig beeindrucken lässt, zeigt insbesondere der Umstand, dass er sich am 13. September 2002 - nur wenige Tage nach der am 4. September 2002 erfolgten Verurteilung wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs und unerlaubten Entfernens vom Unfallort - erneut strafbar gemacht hat, in diesem Fall wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort.

Hinzu kommt, dass der Antragsteller mit seinem strafrechtlichen Fehlverhalten nicht aufrichtig umgeht. In seinem Zulassungsantrag vom 19. September 2005 hat er sowohl die Verurteilung vom 23. Januar 2002 wegen Untreue als auch die vom 4. September 2002 wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs und unerlaubtem Entfernen vom Unfallort verschwiegen; hinsichtlich der Verurteilung vom 1. Oktober 2003 hat er verschwiegen, dass diese auch wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort erfolgte.

Die Antragsgegnerin und der Anwaltsgerichtshof haben diese Umstände, ohne dabei den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz außer Acht zu lassen, zutreffend dahin gewürdigt, dass der Zeitpunkt für eine Wiederzulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft noch nicht gekommen ist. Dagegen bringt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nichts Durchgreifendes vor. Er räumt zwar in allgemeiner Form ein, dass er gravierende Fehltritte begangen hat, leugnet aber, dass er in seinem Zulassungsantrag Vorstrafen habe verschweigen wollen. Sein Vorbringen, er sei davon ausgegangen, nicht alle Vorstrafen angeben zu müssen, weil er davon ausgegangen sei, die Antragsgegnerin werde - entsprechend dem klein gedruckten Hinweis auf das Auskunftsrecht der Antragsgegnerin gegenüber dem Bundeszentralregister - ohnehin eine umfassende Auskunft über seine Vorstrafen einholen, macht deutlich, dass der Antragsteller versucht, das Gewicht seiner Unaufrichtigkeit herunterzuspielen. Dies rechtfertigt keine günstige Prognose über sein zukünftiges Verhalten. Nach gegenwärtiger Beurteilung wird der Antragsteller, wenn er sich zwischenzeitlich nichts weiteres zu Schulden kommen lässt, nicht vor Ablauf von sechs Jahren seit der Verurteilung wegen Untreue einen neuen Zulassungsantrag mit Aussicht auf Erfolg stellen können.

Vorinstanz: AnwGH Hamm - 1 ZU 1/06 - 31.3.2006,