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BGH - Entscheidung vom 19.12.2007

2 StR 457/07

Normen:
StGB § 263a

Fundstellen:
wistra 2008, 220

BGH, Beschluß vom 19.12.2007 - Aktenzeichen 2 StR 457/07

DRsp Nr. 2008/3481

Tatbegriff bei mehrfachem Einsatz derselben Kreditkarte

1. Bei mehrfachem unberechtigtem Einsatz einer fremden Kreditkarte an ein und demselben Geldautomaten innerhalb kürzester Zeit bei von vornherein auf die Erlangung einer möglichst großen Bargeldsumme gerichteten Vorsatz sind die einzelnen Zugriffsversuche nicht als selbständige Taten, sondern als Teile einer einheitlichen Tat nach § 263 a StGB im materiell-rechtlichen Sinne anzusehen. 2. Eine Auftrennung in zwei Taten, nämlich einen vollendeten Computerbetrug und einen unter mehrfachem Ansetzen begangenen fehlgeschlagenen Versuch, kommt in Betracht, wenn im äußeren Ablauf oder in der subjektiven Vorstellung des Täters mit Vollendung der ersten Abhebung eine Zäsur eingetreten ist.

Normenkette:

StGB § 263a ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in 13 Fällen, versuchten Diebstahls, Computerbetrugs in vier Fällen und versuchten Computerbetrugs in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie die Sicherungsverwahrung des Angeklagten und die Einziehung von Tatwerkzeug angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge nur in dem in der Beschlussformel bezeichneten Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO .

1. Die Verurteilung wegen versuchten (gewerbsmäßigen) Computerbetrugs in den Fällen II.16 bis II.19 der Urteilsgründe hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand, weil es sich insoweit nicht um selbständige Taten, sondern um unselbständige Einzelakte der (vollendeten) Tat II.15 gehandelt hat.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts setzte der Angeklagte hier eine von ihm entwendete (Fall II.1) Kreditkarte an einem Geldautomaten ein. Innerhalb von zwei Minuten versuchte er an demselben Geldautomaten fünf Mal, unter Einsatz der Karte und Eingabe der Geheimzahl Bargeld zu erlangen. Der erste Versuch (Fall II.15) war in Höhe von 500 EUR erfolgreich; die in Abständen von jeweils etwa 30 Sekunden unternommenen vier weiteren Versuche (Fälle II.16 bis II.19) scheiterten, weil die Karte zufällig gerade in diesem Moment gesperrt worden war.

b) Unter diesen Umständen, also bei mehrfachem unberechtigtem Einsatz einer fremden Karte an ein und demselben Geldautomaten innerhalb kürzester Zeit bei von vornherein auf die Erlangung einer möglichst großen Bargeldsumme gerichteten Vorsatz, sind die einzelnen Zugriffsversuche nicht als selbständige Taten, sondern als Teile einer einheitlichen Tat nach § 263 a StGB im materiell-rechtlichen Sinne anzusehen (BGH, Beschl. vom 10. Juli 2001 - 5 StR 250/01, NStZ 2001, 595 ; BGH, Beschl. vom 21. November 2002 - 4 StR 448/02; vgl. dazu auch Senatsurt. vom 13. Januar 2006 - 2 StR 461/05, insoweit in NStZ-RR 2006, 183 nicht abgedruckt; Senatsbeschl. vom 4. Juni 2003 - 2 StR 169/03; Fischer StGB 55. Aufl. vor § 52 Rdn. 4, 41; Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. vor § 52 Rdn. 13, 35). Eine Auftrennung in zwei Taten, nämlich einen vollendeten Computerbetrug und einen unter mehrfachem Ansetzen begangenen fehlgeschlagenen Versuch, käme in Betracht, wenn im äußeren Ablauf oder in der subjektiven Vorstellung des Täters mit Vollendung der ersten Abhebung eine Zäsur eingetreten wäre. Dies ist hier nicht festgestellt. Die Annahme nur einer Tat vermeidet zudem Widersprüchlichkeiten, die durch eine für den Täter im Einzelfall nur zufällige Abfolge von gescheiterten und erfolgreichen Abhebungsversuchen entstehen könnten, denn an der Einheitlichkeit der Tat bestehen dann keine Zweifel, wenn der angestrebte Erfolg umgekehrt aufgrund der letzten von mehreren unmittelbar nacheinander ausgeführten Tathandlungen eintritt. Die Verurteilung wegen vier Fällen des versuchten Computerbetrugs (Fälle II.16 bis II.19 der Urteilsgründe) war daher aufzuheben. Da die unselbständigen Einzelakte als solche bewiesen sind, kam ein Teilfreispruch nicht in Betracht (vgl. BGHSt 44, 196 , 202).

Die Einzelstrafe im Fall II.15 der Urteilsgründe war aufzuheben, weil das Tatunrecht der - als solche bewiesenen - unselbständigen Einzelakte II.16 bis II.19 bei der Bemessung dieser Strafe berücksichtigt werden kann und insoweit das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO nicht gilt (vgl. BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteile 3, 7, 12).

2. Aufzuheben war auch die Einzelstrafe von einem Jahr und sechs Monaten im Fall II.7 der Urteilsgründe. Die Nichtanwendung des gemäß § 23 Abs. 2 , § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens für den Versuch des Diebstahls hat das Landgericht hier damit begründet, dass der Angeklagte in das Fahrzeug der Geschädigten bereits eingedrungen gewesen sei "und die weitere Tatausführung nicht freiwillig aufgegeben (habe)". Das ist rechtsfehlerhaft, denn straferhöhend darf gemäß § 46 Abs. 3 StGB nicht gewertet werden, dass der Täter vom Versuch der Tat nicht strafbefreiend zurückgetreten ist (Fischer aaO. § 46 Rdn. 76 m.w.N.).

3. Der Wegfall der vier Einzelstrafen von jeweils einem Jahr in den Fällen II.16 bis II.19 sowie die Aufhebung der Strafe im Fall II.7 führen zur Aufhebung auch des Gesamtstrafenausspruchs; die Gesamtstrafe ist neu zuzumessen.

Dagegen kann die rechtsfehlerfreie Anordnung der Sicherungsverwahrung bestehen bleiben. Weder die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB noch die Feststellung der materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung sind von den Rechtsfehlern berührt. Auch die Einziehungsanordnung ist rechtsfehlerfrei.

Vorinstanz: LG Frankfurt/Main, vom 10.05.2007
Fundstellen
wistra 2008, 220