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BGH - Entscheidung vom 12.07.2007

V ZB 36/07

Normen:
ZPO § 511a

Fundstellen:
NJW-RR 2007, 1384
NZM 2007, 660

BGH, Beschluß vom 12.07.2007 - Aktenzeichen V ZB 36/07

DRsp Nr. 2007/14647

Streitwert und Berufungsbeschwer bei Ansprüchen im Zusammenhang mit der Nutzung eines Hauses

Die Bemessung der Berufungsbeschwer gegen eine Verurteilung zur Duldung von Besichtigungen eines genutzten Hauses, zur Aushändigung eines Schlüssels für Notfälle und zur Gewährung von Zutritt zu gemieteten Räumen mit weniger als 600 Euro verletzt das Recht das Berufungskläger auf effektiven Rechtsschutz.

Normenkette:

ZPO § 511a ;

Gründe:

I. Die Ehefrau des Beklagten, H. B., war Eigentümerin eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks in M.. Der Beklagte und seine Frau bewohnten das Haus. Einen Raum im Dachgeschoss hatte H. B. an die Firma B. GmbH vermietet, für die der Beklagte und sie tätig waren.

Mit Testament vom 16. Oktober 1986 bestimmte H. B. den gemeinschaftlichen Sohn, Ho. B., zu ihrem Erben und wandte dem Beklagten als Vermächtnis den lebenslangen Nießbrauch an den Gegenständen ihres Vermögens zu. Mit gemeinschaftlichem Testament vom 7. Oktober 1992 setzten sich die Eheleute B. gegenseitig zu Erben ein.

Nach dem Tod von H. B. verblieb der Beklagte in dem Haus. Ho. B. erwirkte aufgrund des Testaments von H. B. vom 16. Oktober 1986 einen - zwischenzeitlich eingezogenen - Erbschein, der ihn als Erben nach H. B. auswies, und übertrug das Grundstück auf seine Lebensgefährtin, die Klägerin. Diese hat den Beklagten mit einer Vielzahl von Anträgen in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die Klage im Wesentlichen abgewiesen, ihr jedoch stattgegeben, soweit die Klägerin beantragt hat,

- mit ihr zusammen nach entsprechender Vorankündigung Besichtigungen des Hauses vorzunehmen,

- ihr einen Schlüssel für Notfälle (Gefahrabwendung) auszuhändigen und

- der Firma B. GmbH den Zugang zu den von der Klägerin gemieteten Räumen zu gewähren.

Hiergegen hat sich der Beklagte mit der Berufung gewandt. Das Landgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil die Beschwer des Beklagten durch das Urteil des Amtsgerichts 600 EUR nicht übersteige. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

II. Die nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1 , 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist die Zulässigkeitsvoraussetzung von § 574 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative ZPO erfüllt. Die angefochtene Entscheidung beschränkt den Anspruch des Beklagten auf effektiven Rechtsschutz in einer nicht zu rechtfertigenden Weise (vgl. Senat, Beschl. v. 13. Mai 2004, V ZB 62/03, NJW-RR 2004, 1217 , 1218 m.w.N.).

2. Die Beschwerde ist auch begründet.

a) Der zugunsten der Klägerin titulierte Anspruch auf Vornahme von Besichtigungen des Hauses enthält keine Beschränkungen. Insoweit weist die Beschwerde zutreffend darauf hin, dass die Klägerin derartige Besichtigungen täglich verlangen und damit den Besitz des Beklagten an dem von ihm als Wohnhaus genutzten Haus nachhaltig beeinträchtigen kann. In welchem Maße die Klägerin von diesem Anspruch tatsächlich Gebrauch macht, ist ohne Bedeutung.

Schon deswegen kommt die Bemessung der Beschwer des Beklagten auf einen 600 EUR nicht übersteigenden Betrag nicht in Betracht. Der von dem Berufungsgericht zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 4. November 1999, XII ZB 111/98, FamRZ 199, 647, 648, ist nichts anderes zu entnehmen. Durch diesen Beschluss ist über die Höhe der Beschwer durch die Verpflichtung entschieden worden, die Besichtigung eines Hauses durch einen Sachverständigen zu dulden, der das Gebäude bewerten sollte. Die ausgeurteilte Verpflichtung erledigte sich mit der Besichtigung und war aus diesem Grund gering zu bewerten. Das hat mit der vorliegend angefochtenen dauerhaft bestehenden Verpflichtung nichts zu tun.

b) Dass die B. GmbH entgegen dem Tenor des angefochtenen Urteils nur einen Raum in dem von dem Beklagten genutzten Haus gemietet hat, hat keinen Einfluss auf die Beschwer des Beklagten durch seine Verurteilung, den Firmenangehörigen Zutritt zu gewähren. Auch wenn der Beklagte nicht dazu verurteilt worden ist, den für mehr als 200 EUR pro Monat vermieteten Raum herauszugeben, kann seine Beschwer durch den zuerkannten Anspruch auf Zugang nicht als vernachlässigenswert gering angesehen werden.

c) Das Interesse der Klägerin an der Durchsetzung der Ansprüche, zu deren Erfüllung der Beklagte verurteilt worden ist, und deren Bewertung durch das Amtsgericht, sind für die Bemessung der Beschwer des Beklagten ohne Bedeutung.

Vorinstanz: LG Lüneburg, vom 30.01.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 6 S 64/06
Vorinstanz: AG Soltau, vom 04.05.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 4 C 768/05
Fundstellen
NJW-RR 2007, 1384
NZM 2007, 660